Wertvolles Biotop
BA 21 fordert Erhalt bei Brückenerneuerung über Paosostraße
Die kleine Bahnbrücke über die Paosostraße an der Grenze zu Gräfelfing wartet dringend auf Erneuerung. Die Bahn AG als Vorhabensträger stellte ihre Erneuerungspläne bereits vor dem Stadtrat vor. Demnach sind alle vier Gleise auf der Brücke betroffen. Durch die aktuellen Vorschriften und geänderten Aufbauten wird laut Plan das neue Gleisbett rund 50 Zentimeter dicker sein als das derzeit noch vorhandene. Um die lichte Höhe für Autofahrer zu gewährleisten, müsste nun die Straße abgesenkt werden. Diese Maßnahmen wollen nun KVR und Baureferat zum Anlass nehmen, die Straße gleich noch etwas zu begradigen und die rechtwinklige Kurve übersichtlicher zu gestalten. Auch ein Fußweg könnte in diesem Rahmen realisiert werden.
Insgesamt sind die Maßnahmen beachtlich, so dass der Unterausschuss (UA) Planung des Bezirksausschusses 21 (BA) zu einer Sondersitzung einlud. Gemeinsam mit Mitgliedern des BA 22, mit den Stadträten Johann Sauerer (CSU) und Herbert Danner (Grüne) diskutierten sie mit der verantwortlichen Ingenieurin Helga Hobelsberger-Goetze von der DB Netz AG, mit Martin Hänsel vom Bund Naturschutz München (BUND) sowie mit Baureferatsmitarbeiter Andreas Gschwendner.
Straße absenken und begradigen? Bitte nicht!
UA-Vorsitzender Sven Wackermann stellte gleich zu Beginn klar: „Wir wollen das Biotop an den Böschungen schützen und die Straße so belassen, wie sie ist. Andernfalls befürchten wir, dass sie als Umgehung für die verstopfte Bodenseestraße nur zu attraktiv wird. Das soll nicht sein.“ Er äußerte großes Unverständnis, wieso eine Brücke aus dem Jahr 1937 durch Modernisierung dicker werde. Außerdem sprach er sich im Namen beider BAs gegen eine Vollsperrung während der Sanierung aus. „Das ist ein wichtiger Schulweg. Der muss zumindest als Fuß- und Radweg offen bleiben.“
„Wir als Bahn haben überhaupt kein Interesse daran, dass sich die Straße ändert“, erklärte Hobelsberger-Goetze. Allerdings sei die Stadt als Straßenbaulastträger anderer Meinung. Das bestätigte auch Gschwendner: „Die 90-Grad-Kurve geht gar nicht mehr. Die ist zu unübersichtlich. Und wir verbreitern die Straße, damit ein zwei Meter breiter Fußweg auf der Südseite angelegt werden kann. Das ist im Interesse der Anwohner. Hätten wir selber die Brückensanierung in der Hand, würden wir beidseitig einen Fußwege bauen.“
Einzigartige Landschaftsbedingungen
Im Zuge dessen werde auch die steile Böschung verschwinden, die sei vor allem auch beim Mähen der Flächen hinderlich. „Bitte nicht“, entgegnete Hänsel vom BUND und wies daraufhin, dass die Böschung seit Jahren ehrenamtlich vom BUND gemäht werde. Außerdem sorge der steile Hang dafür, dass hier keine Menschen oder Tiere drübergehen und Bodenbrüter stören. „Und drittens knallt hier die Sonne auf die Extremschräge, so dass wir eine ganz seltene Fauna und Flora haben. Dies ist wirklich außergewöhnlich und das Biotop damit eines der wertvollsten in ganz München“, erklärte er weiter.
Das Gebiet erfülle locker die strengen Bedingungen für einen „geschützten Landschaftsbestandteil“ als höchste Auszeichnung im naturschutzrechtlichen Rahmen. „Nur die Bahn hat bisher leider ihr Veto dagegen eingelegt, so dass die Anerkennung noch nicht vollzogen ist“, erklärte er weiter. Die Fläche diene auch als Spender- oder Quellbiotop für die gesamte Umgebung. „Hier gedeihen verschiedene Laucharten, der Geißklee, wilde Nelken- und Rosenarten. Hier sind Blindschleichen, seltene Schmetterlinge oder auch die Zauneidechsen zu Hause. Die Bedingungen sind fast mediterran.“
Kritik vom Stadtrat
Kritik gab es auch von den beiden anwesenden Stadträten. „2015 gab es einen klaren Auftrag vom Stadtrat, diesen sensiblen Bereich mit dem seltenen Biotop zu schützen. Achten Sie auch weiterhin auf diese Belange. Wir wollen absolut keinen attraktiven Bypass ins Würmtal oder entlang der Bodenseestraße haben!“, forderte Stadtrat Sauerer. Und sein Kollege Danner ergänzte: „Warum wird die Grünfläche nicht betrachtet? Das ist ein erhebliches Defizit der Planung. Die Straßen- und Wegeverhältnisse haben Jahrzehntelang funktioniert. Daran soll sich nichts ändern! Bitte geben Sie Ihre Vorhaben deutlich im Stadtrat bekannt!“
Die beiden BAs reagierten ebenfalls sauer: „Warum sind wir nicht eingebunden? Das ist eine wichtige Erholungsfläche für uns, vom Biotop ganz zu schweigen. Außerdem ist das Gebiet sicher, die Polizei hat gerade mal zwei Unfälle in 20 Jahren registriert. Lassen Sie die Wegebeziehungen, wie sie sind. Sonst wird es nur schlechter, gefährlicher, lauter und voller“, so Rüdiger Schaar vom BA 21. Auch die lichte Höhe von rund drei Metern nach Umbau reiche völlig aus, damit Rettungsfahrzeuge durchpassen würden, „aber kein Lkw-Verkehr!“, so Schaar weiter.
Klarer Auftrag an Stadt und Bahn
„Das kann man alles machen, wir halten uns an die Vorhaben“, meinte Gschwendner. „Allerdings werden die Brückenabrissarbeiten massiv sein“, gab Hobelsberger-Goetze zu Bedenken. „Die Böschungen leiden darunter.“ „Dann sorgen Sie dafür, dass die Flächen im Nachhinein wieder hergestellt werden“, forderte Hänsel. „Uns begleitet das Projekt schon so viele Jahrzehnte. Jetzt haben wir die Chance, das Biotop zukunftsfähig zu gestalten. Also fangen wir damit an!“
Als Resümee der Sondersitzung verlangten die anwesenden Stadträte einen unverzüglichen Bericht über den Stand der Planungen vor dem Münchner Stadtrat. Der BA 21 wird in einem überfraktionellen Antrag ans Baureferat fordern, dass die Strecke während der Umbauphase offen bleibt, dass sämtliche steilen Böschungsflächen nach dem Eingriff wieder hergestellt werden und die Straße inklusive verminderter Durchfahrtshöhe belassen wird. Sowohl BA-Mitglieder als auch BUND monierten die mangelnde Informationen und betonten: „Wir kritisieren scharf, dass wir in die Planung bisher nicht eingebunden worden sind.“
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