Nachhaltigkeit ist, wenn ...
... junge Mütter eine zweite Chance bekommen

Julia Barber im Gespräch mit einer Mutter. (Foto: SkF)
Julia Barber ist Sozialpädagogin und leitet Lucia, einer Mutter-Kind-Einrichtung für psychisch erkrankte Frauen mit Kindern in Pasing. Sie berichtet von Sabine und Paul:
Sabine ist 23 Jahre alt und leidet an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Als sie ungeplant schwanger wurde, freute sie sich auf das Kind, hatte aber auch große Ängste, ob sie es schaffen kann, eine stabile Mutter zu sein. Sabine befindet sich in psychiatrischer Behandlung und hat schon viele Klinikaufenthalte hinter sich. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu starken psychischen Krisen, einige Male sogar mit Suizidversuchen. Sabines Familie ist für sie keine Stütze. Sie wurde in ihrer Kindheit emotional vernachlässigt und missbraucht. Auch mit dem Vater ihres ungeborenen Kindes hat sie keinen Kontakt mehr. Sabine traute sich nicht, im Jugendamt nach Hilfe zu fragen, da sie große Angst hatte, ihr könnte das Kind weggenommen werden.
Als die Geburt näher rückte, ging es Sabine psychisch immer schlechter. Als sie in der Klinik ihren Sohn Paul zur Welt brachte, informierte das Klinikpersonal das Jugendamt. Da auf die Schnelle kein geeigneter Platz für Sabine und Paul gefunden werden konnte, wurde Paul erstmal in eine Pflegefamilie gegeben. Sabine stabilisierte sich in der psychiatrischen Tagklinik und war bald in der Lage, Paul regelmäßig zu besuchen.
Lernen, was es heißt, Mutter zu sein
Schließlich kam Sabine mit Paul in die Mutter-Kind-Einrichtung Lucia, eine Spezialeinrichtung für psychisch erkrankte Mütter. Dort musste sie lernen, was es heißt, Mutter zu sein und die Verantwortung für ein Baby zu haben. Aufgrund ihrer eigenen negativen Erfahrungen in der Kindheit war Sabine kaum in der Lage, intuitiv auf ihr Kind zu reagieren, sie misstraute jedem. Aber Sabine wollte Paul auf keinen Fall nochmal verlieren, wollte ihre zweite Chance nutzen. Sie begann eine Psychotherapie und ließ sich auf die Angebote der Einrichtung ein. Mit der Zeit vertraute sie den Mitarbeiterinnen immer mehr und machte so positive Beziehungserfahrungen. Auch in den Therapien lernte Sabine, mit ihrer Erkrankung besser umzugehen und die Auswirkungen auf ihren Sohn zu verstehen.
Durch eine engmaschige Begleitung erlernte sie, was es bedeutet, Mutter zu sein. Hier halfen ihr z.B. die Begleitung beim Zu-Bett-Bringen von Paul und das gemeinsame Entwickeln eines Abendrituals. So konnten Bilder in Sabines Kopf entstehen, die bisher aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen fehlten. Sabine war auch bereit, sich damit zu beschäftigen, welche Auswirkungen ihre Erkrankung auf Paul haben kann und wie sie Paul besser davor schützen kann.
Dieser Weg war für Sabine sehr anstrengend, schwierig und immer wieder von Zweifeln geprägt. Nach 2,5 Jahre in Lucia hatte sich Sabine so weit stabilisiert, dass sie mit Paul in eine ambulant betreute Wohnform ziehen konnte.
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