"Ich krebse so dahin"
Gerd Zeidler aus Pasing hat seine Geschichte als Buch veröffentlicht
Ein gelungenes Wortspiel, dieser Titel. Gerd Zeidler hat lange darüber nachgedacht. Zeit hatte er genug, an diesen 52 Tagen im Krankenhaus, an denen er mit 35 Bestrahlungen und sechs Chemo-Spritzen behandelt wurde. Anfangs ging es ihm noch gut und voller Entsetzen blickte er auf seine geschwächten, abgemagerten, haarlosen "Mitstreiter" im Bestrahlungszentrum. In den Gesprächen mit anderen Patienten erlebte er viel Unwissenheit und so reifte in ihm der Entschluss, seine Erfahrungen zu Papier zu bringen. "Ich möchte allen an Krebs Erkrankten Mut machen, dass so eine Geschichte auch ein positives Ende haben kann", sagt Gerd Zeidler. Fast drei Jahre liegt seine Behandlung nun zurück, er gilt als geheilt, geht regelmäßig zur Nachsorge. Sein Leben, so schreibt er, seien eigentlich zwei Leben: vor und nach dem Krebs.
"Wir wissen viel zu wenig"
"Wir wissen viel zu wenig über den Krebs oder wir verdrängen bewusst alles was mit dieser Macht in Verbindung steht. Keiner fühlt sich so recht angesprochen – aus Furcht vor dem Unfassbaren. Meine Frau und ich haben zwar ein Testament gemacht und vieles war abgeklärt, aber dennoch blieb einiges zu ordnen übrig. Schnell wird der Mensch zum Egoisten und hofft, bei sich wird es schon gut gehen. Ich hielt mich bis dato für unkaputtbar." – so steht es auf Seite 13 des im Juli erschienenen Buches. Er schildert die Erkrankung in allen schlimmen Details, verzichtet aber auf medizinische Fachbegriffe.
Diagnose Krebs – jeder kennt jemanden, der an Krebs gestorben ist, jeder hat von ärztlichen Fehlern mit schlimmen Folgen gehört. "Zu diesem Zeitpunkt gehört psychologische Betreuung her", findet Gerd Zeidler. Eine völlig übermüdete Ärztin habe ihm aus einem Formblatt alle möglichen Risiken der Behandlung vorgelesen: Sie sprach von Impotenz, dem Verlust eines Auges, Hörschäden, hohem Gewichtsverlust, dem Verlust von Geschmacksnerven und fehlendem Geruchsempfinden. "Da fallen die Leute doch wie aus dem vierten Stock, die muss man doch auffangen." Doch Ärzte und Pflegepersonal seien zweifellos überlastet.
Das Wichtigste ist Unterstützung
Das Wichtigste in der ganzen Zeit sei für ihn die Unterstützung seiner Frau gewesen. Ihr täglicher Besuch wurde ihm zum Lichtblick im Krankenhausalltag. Auch Tochter und Enkelkinder hätten mit ihrem Zuspruch Geist und Seele besser gestärkt als manche Medizin. Seine Beobachtungen im Krankenhaus haben ihm deutlich gemacht, "wie sehr der Mensch in seiner Einsamkeit auf Hilfe angewiesen ist." Bei einem Bettnachbarn seien regelmäßig Familienmitglieder zu Besuch gewesen, was diesem sehr gut getan habe. Bei einem anderen kam nie jemand. Nach einem Gespräch mit dem Krankenhauspfarrer hätten seine Augen gestrahlt.
Lebensmut vermitteln
Um Lebensmut zu vermitteln, erzählt Gerd Zeidler die Geschichte seiner Erkrankung. Um klar zu machen, welcher Mensch diese Geschichte erzählt, berichtet er auch aus seiner Vergangenheit. "Es ist ja interessant zu wissen, wie jemand mit früheren Herausforderungen umgegangen ist", meint er. So weiß der Leser am Schluss Einiges über den Menschen Gerd Zeidler, der 1939 als uneheliches Kind in einem Vorort von Kiel geboren wurde. Nach einer nicht gerade einfachen Kindheit begann er eine Lehre als Verkäufer, machte Karriere und absolvierte mehrere Stationen in verschiedenen Städten, bis er 1972 bei Karstadt in München landete, wo er zuletzt als Abteilungsleiter und Einkäufer hochwertige Heimtextilien vermarktete.
Warum ich?
Herausforderungen gab es genug in seinem Berufsleben: extrem hohe Arbeitsbelastung in jungen Jahren, später Dispute mit einem Geschäftsführer, die ihm an die Substanz gegangen sind. Im Krankenhaus, so schreibt er in seinem Buch, ist man nahe beieinander und erfährt viel über die sozialen Nöte unserer Zeit. "Die hohen Belastungen in der Arbeitswelt beklagen dabei viele, der permanente Druck und die Rücksichtslosigkeit fordern ihren Tribut." Auch einen gesundheitlichen? Die große Frage aller Krebskranken "Warum ich?" – sie hat auch in Gerd Zeidlers Kopf schon viele Kreise gedreht.
Gerd Zeidler hat sein Buch "Ich krebse so dahin" in der Edition Octopus veröffentlicht (www.edition-ocotopus.de). Bei der Frankfurter Buchmesse, die vom 9. bis 13. Oktober stattfindet, wird der Autor sein Buch am Stand des Verlags präsentieren.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH