Türkiye Reloaded
Kunst, Kultur und Politik in der Türkei
In Deutschland scheint man sich mit der Türkei sehr detailliert auseinanderzusetzen, es gibt viele türkischstämmige Mitbürger, unsere Länder haben einen gemeinsamen "Deal", Völkerrecht geht manchmal vor Völkerverständigung und selbst Jan Böhmermann wird von Recep Tayyip Erdoğan höchstpersönlich angezeigt. Doch was ist mit dem Land Türkei, mit der politischen Lage, wie ist die Situation der Flüchtlinge, was bewegt die türkische Bevölkerung und wie lebt sie überhaupt?
Auf dem Festival Türkiye Reloaded von Donnerstag, 13. Oktober, bis Sonntag, 27. November, in der Pasinger Fabrik (August-Exter-Str. 1), zeigen Künstler, Architekten und Fotografen wie sie ihr Land kennen und lieben. In der Ausstellung "Wider den Grautönen", von Kuratorin Ceren Erdem aus Istanbul setzen sich zehn Künstlerinnen und Künstler mit der mächtigen Regierung, der Zerstörung von Natur und Kultur und den Entwicklungen ihrer türkischen Heimat auseinander (13.10. bis 20.11.; Di-So 16-20 Uhr).
Architektonisch nähert sich das Studio Hendrik Bohle der Hauptstadt Istanbul. Die Ausstellung "IST– Inspired by Improvisation" zeigt Ausschnitte eines umfassenden Kompendiums, entstanden während des ersten Manzara Architekten Stipendiums 2013. Die Abwesenheit staatlicher Reglementierungen und das türkische Selbsverständnis der Aneignung städtischen Raums, erlauben den Stadtbewohnern noch die Entwicklung ihrer Mahalles (türk. "Nachbarschaft") nach den eigenen Bedürfnissen (13.10. bis 20.11.; tägl. außer Mo, 16-20 Uhr)
Augenblicke der Menschlichkeit
Für Kinder und Jugendliche, die von Verfolgung, Krieg und Flucht geprägt sind, entwickelte das Goetheinstitut Istanbul verschiedene kunstpädagogische Programme. In "Learning to walk, over again..." stellt Enis Yücel Fotografien aus, die das Hilfsprogramm "Cultural Relief Program", in einem türkischen Flüchtlingslager nahe der syrischen Grenze dokumentieren. Die Begeisterung der Flüchtlingskinder, ihr Erfolgsgefühl bei der Ausübung sozialer und darstellender Kunstformen, soll ihnen die Möglichkeit geben, ihr zerstörtes Leben und ihr Trauma vorübergehend zu vergessen. Enis Yücel zeigt Augenblicke der Menschlichkeit (20.10. bis 27.11.; tägl. 10-23 Uhr).
Zweideutige Kritik äußern
"Türkiye Reloaded" beginnt am Donnerstag, 13. Oktober, um 20 Uhr unter anderem auch mit einem Vortrag und anschließender Diskussion zu "Kunst und Politik". Christoph K. Neumann, Professor für Türkische Studien, hat vor allem die türkischen Künstler in Istanbul im Blick. Viel mehr als in anderen Kulturen, wollen sie mit ihrer Kunst kritisieren und verändern, als sich um neue Sichtweisen zu bemühen. Denn Kunst eröffnet ihnen in ihrem Land eine Möglichkeit, die der Gesellschaft ansonsten schnell verwehrt bleibt: Zweideutig Kritik zu äußern, ohne direkte politische Verfolgung fürchten zu müssen.
Bei den vielen kritischen und ernsten Themen darf bei "Eksotik Meksotik" in der Bar der Pasinger Fabrik alles mal vergessen werden. Am Freitag,14. Oktober, und Samstag, 26. November, liefern die DJ's Süperfly und Miranda De La Frontera ab 22 Uhr vielfältige Musik für eine vielfältige Gesellschaft.
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