Weil die Stadt es nicht macht
Mitglieder des Bezirksausschusses haben die Hilbestraße umbenannt – zumindest symbolisch
Mitglieder des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg (BA 9) haben eine symbolische Umbenennung der Hilblestraße vorgenommen, nachdem die Stadt aus Sicht der Gremiumsmitglieder nicht in die Pötte kommt. Der erste Beschluss stamme aus dem Jahr 2011, doch geschehen sei bislang nichts: Noch immer heiße die Hilblestraße in Neuhausen Hilblestraße, benannt nach dem Münchner Verwaltungsbeamten Friedrich Hilble (1881 bis 1937), der – so die Erkenntnis der Geschichtswerkstatt Neuhausen – ein eifriger Antisemit war.
Zahlreiche BA-Initiativen
Schon im Februar 2011 habe man von Seiten des BA 9 eine Namensänderung der Hilblestraße beantragt, weitere Initiativen folgten – zuletzt die BA-Forderung, die Parallelstraße zur Leonrodstraße umzubenennen und zwar nach der jüdischen Künstlerin Maria Luiko. Doch das Kommunalreferat habe das Lokalparlament weiter vertröstet: Erst müsse eine Uni-Studie abgewartet werden, dann erst könne man über neue Straßennamen nachdenken. Diese Untersuchung – sie umfasst mehrere umstrittene Münchner Straßen – sollte ursprünglich im Jahr 2012 abgeschlossen sein. Ein Ergebnis der Studie liegt jedoch noch nicht vor. Deshalb haben einige Mitglieder nun selbst Hand angelegt und das Straßenschild „Hilblestraße“ mit einem roten Streifen durchgestrichen und es durch das Schild „Maria-Luiko-Straße ersetzt.
2010 hat die Geschichtswerkstatt Neuhausen ihr Buch „Von der Aiblinger Straße bis zum Künstlerhof“ veröffentlicht, in dem die 1956 erfolgte Benennung der Hilblestraße kritisiert wurde. Friedrich Hilble wird hierin als Antisemit geschildert, der die diskriminierende Politik gegen die „nichtarische Bevölkerung eigenmächtig und ohne dazu gezwungen zu sein“ verschärfte. Friedrich Hilble, bis 1937 Leiter des Münchner Wohlfahrtsamtes, schilderte die Aufgaben seiner Behörde gegenüber Fürsorgeempfängern mit folgenden Worten: „Pflichtarbeit, Fürsorgearbeit, Unterstützungssperre, schärferes Vorgehen gegen Drückeberger, Faulenzer, Unterhaltsverweigerer usw.“ Und so sah die Realität dann aus: Ab 1934 konnten „arbeitsscheue“ Fürsorgeempfänger ins KZ eingeliefert werden, so ein Erlass des bayerischen Innenministers. Die Hilble-Behörde habe von diesem Erlass eifrig Gebrauch gemacht. Nach Recherchen der Geschichtswerkstatt hat Friedrich Hilble außerdem Juden die Sozialhilfe verweigert und „Asoziale“ (so der Nazi-Jargon) in Arbeits- und KZ-Lager bringen lassen.
Sowohl Mitglieder des BA 9 als auch Teilnehmer der Bürgerversammlungen ärgern sich seit Jahren über den Namenspatron und schlagen stattdessen vor, die Straße nach Marie Luise Kohn (Künstlername Maria Luiko) zu benennen. Marie Luise Kohn, Jahrgang 1904, wohnte mit ihrer Familie zunächst in der Neuhauser Elvirastraße, dann in der Loristraße. Seit 1923 studierte Maria Luiko an der Akademie der Bildenden Künste und stellte mehrfach im Münchner Glaspalast aus. Es waren Scherenschnitte, Lithografien und Holzschnitte. 1927 wurde Maria Luiko Mitglied bei der Künstlervereinigung „Die Juryfreien“. Mit der Machtübernahme der Nazis war sie vom Reichsverband der Deutschen Künstler ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Weitere Entrechtungen folgten, so durfte Maria Luiko nicht länger ihren Künstlernamen tragen. Sie engagierte sich fortan für den Kulturbund Deutscher Juden und konnte sich an dessen Wanderausstellungen beteiligen. Sie wurde Mitbegründerin des Marionettentheaters Münchner Juden, schuf Figurinen und führte sie bei Aufführungen. Seit 1936 stellte Maria Luiko beim Münchner Polizeipräsidium Auswanderungsanträge – doch vergeblich. Ende der 1930er Jahre versuchte sie, mit Metalltreiben Alltagsgegenstände herzustellen und zu verkaufen.
Maria Luiko musste zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester die Loristraße verlassen, die drei wurden zwangsevakuiert, unter anderem in die Frundsbergstraße. Im November 1941 erhielten die drei die Aufforderung, sich zur „Evakuierung“ bereit zu halten. Am 20. November 1941 wurde Maria Luiko nach Kaunas in Litauen verschleppt und dort am 25. November bei einer Massenerschießung ermordet.
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