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„Müssen unsere Herzen öffnen“

Auf dem Kreativgelände werden 75 junge Flüchtlinge untergebracht

Erfolgreiche Diskussionsveranstaltung (v.l.): Maike Brandmayer, Vorsitzende des Unterausschusses Integration und Schule im Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg (BA 9), Anna Hanusch, Vorsitzende des BA 9, Julian Zuber, Integrationsbeauftragter des BA 9, Jutta Stiehler, Ressortleitung Inobhutnahme beim hpkj e.V., und REGSAM-Moderator Dieter Bolzani. (Bild: sb)

Auf dem Gelände des Kreativquartiers entsteht in der Schwere-Reiter-Straße 2a eine neue Jugendhilfe-Einrichtung für neuankommende unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Das sogenannte „Haus2“ ist unter der Trägerschaft des heilpädagogischen-psychotherapeutischen Kinder- und Jugendhilfe (hpkj) e.V. und wird ab Juni 75 jungen Flüchtlingen vorübergehend ein neues Zuhause bieten.

Um die Anwohner rechtzeitig und gezielt zu informieren, hatte der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg (BA 9) im Rahmen einer Informations- und Diskussionsveranstaltung im „Pathos“ auf dem Gelände des Kreativquartiers zu einem Dialog mit und zwischen interessierten Bürgern eingeladen. Nach einem kurzen Vortrag der Einrichtungsleiterin Anna Gödeke vom hpkj e.V. mit Diskussion gab es einen informellen Teil mit Sachverständigen und Vertretern verantwortlicher Institutionen, der einen persönlichen und direkten Austausch ermöglichen sollte. Der Antrang war groß, rund 100 Bürger nahmen das Angebot des BA 9 war. „Wir haben die Veranstaltung organisiert, weil wir das Thema gemeinsam mit den Bürgern aktiv angehen wollen“, betonte Anna Hanusch, die Vorsitzende des BA 9. „Wir freuen uns sehr, über das große Interesse.“

Seit Februar finden in dem Gebäude in der Schwere-Reiter-Straße 2a, in dem früher Büroräume der Straßenmeisterei untergebracht waren, die Umbauarbeiten statt. Anfang Juni werden vier hpkj-Teams ihre Arbeit aufnehmen, bevor dann am 15. Juni die ersten Flüchtlinge das „Haus2“ beziehen. Die jungen männlichen Flüchtlinge werden voraussichtlich auf vier Wohngruppen aufgeteilt. „Das ist allerdings noch nicht ganz klar, weil wir vielleicht auch 19 Plätze an Mädchen vergeben werden“, sagte Anna Gödeke. „Es wäre möglich, einen abgeschlossenen Bereich zu machen." Der sei auch nötig, weil gerade junge Mädchen schlechte Erfahrungen auf der Flucht gemacht hätten. Die meisten Jugendlichen, die ins „Haus2“ einziehen werden, kommen laut Gödeke vor allem aus vier Ländern, nämlich aus Syrien, Afghanistan, Somalia und Eritrea.

„In Ruhe ankommen lassen“

Die Jugendlichen im Alter von maximal 17 Jahren bleiben in der Regel drei Monate in der Einrichtung. „Zu Beginn werden sie von uns erstmal alterseingestuft und dann ärztlich untersucht“, so Gödeke. „Sobald die Jugendlichen bei uns sind, ist es wichtig, sie in Ruhe ankommen zu lassen.“ Hauptaufgabe der Mitarbeiter des „Haus2“ sei es, die Flüchtlinge auf ihren Transfer vorzubereiten. „Von uns aus werden sie praktisch weiter transferiert nach ganz Bayern“, erläuterte die Einrichtungsleiterin. Von 100 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bleiben demnach nur zwei in München. Wichtig sei zudem das sogenannte Clearing, „bei dem wir pädagogisch einschätzen, welche Betreuung der Jugendliche benötigt.“ Dies hänge immer auch damit zusammen wie stark die jungen Menschen durch die Flucht traumatisiert seien. „Wir klären praktisch zusammen mit Psychologen die Fluchtgeschichte. Einige sind zum Teil drei Jahre unterwegs und waren vielleicht 13 Jahre alt, als sie von zu Hause weg sind.“ Traumatisiert seien im Grunde aber alle Kinder und Jugendlichen, die hier ankommen.

Deutschkurse

Zudem beginnen die jungen Menschen in der Regel relativ schnell nach ihrer Ankunft mit einem Deutschkurs. „Hier gibt es insgesamt vier Gruppen, in die sie nach einer Bewertung von uns eingestuft werden“, erklärte Gödeke. „Viele Jugendliche müssen allerdings erstmal alphabetisiert werden.“ Diese sogenannten Starterkurse werden dann wiederum von anderen freien Trägern organisiert. „Am Tag haben sie drei bis vier Stunden Deutschunterricht.“ Ansonsten werden die Flüchtlinge von 8 bis 23 Uhr pädagogisch betreut. In der Nacht ist dann ein sozialer Hilfsdienst vor Ort. Zudem gibt es eine Rufbereitschaft, über die die Pädagogen auch nachts erreichbar sind.

Der hpkj.e.V. betreut unter der Trägerschaft des Stadtjugendamtes in einem Verbund mehrerer Jugendhilfeträger unbegleitete jugendliche Flüchtlinge, die nach München kommen. Der Verein ist bereits seit 25 Jahren mit sehr unterschiedlichen Angeboten der Jugendhilfe in vielen Münchner Stadtteilen tätig. Insgesamt gibt es in der Landeshauptstadt 635 Plätze für minderjährige männliche Flüchtlinge im Alter von 16 bis 17 Jahre. Diese Plätze sind auf elf Dependancen in ganz München verteilt.

„Signal für ein gutes Miteinander“

Die Flüchtlingsproblematik „ist eines der brennendsten und drängendsten Themen unserer Zeit. Deshalb finde ich es toll, dass heute so viele Menschen gekommen sind“, betonte die künstlerische Leiterin des „Pathos“, Angelika Fink. „Wir müssen unsere Herzen öffnen für diese Menschen, die da zu uns kommen.“ Auch Julian Zuber, der Integrationsbeauftragte des BA 9, zeigte sich mit der Veranstaltung zufrieden. „Das war sicherlich ein wichtiger erster Schritt und ein super Signal für ein gutes Miteinander.“


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