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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Mehrwert für den ganzen Stadtteil"
Gemeinschaftsgarten "O'pflanzt is!": Ratlosigkeit nach Räumungsaufforderung
"Im August hatten wir noch ein Gespräch mit den Verantwortlichen", sagt Sophia Müller vom Verein "O'pflanzt is!". "Da hieß es, es gebe keine konkreten Pläne für eine Bebauung des Geländes, keinen Termin." Das hat sich geändert: Zum Ende des Jahres müssen Müller und ihre Mitstreiter von "O'pflanzt is!" den selbst angelegten Gemeinschaftsgarten auf der brach liegenden Fläche an der Schwere-Reiter/ Emma-Ihrer-Straße verlassen. Wohnungen für Staatsbedienstete werden gebaut. Vor sechs Jahren hatte der Grundstückseigentümer, das Land Bayern, dem Verein das Gelände gegen geringe Miete überlassen – rund 3.000 Quadratmeter; aber eben nur zur Zwischennutzung. "Wir wussten, dass es für das ganze Areal Baupläne gibt, die 2018 angegangen werden sollten, aber das ging jetzt einfach so viel schneller als gedacht", erklärt Müller. "Wir sind bestürzt, eigentlich fast in Schockstarre."
Wohnungen für Staatsbedienstete
Die Vereinsmitglieder hatten geplant, sich im Winter in aller Ruhe mit einem Umzug auseinanderzusetzen. "Da hat uns die Realität überholt." Müller sitzt im Gemeinschaftsgarten, ihr Blick schweift über orange Herbstblüten, selbst zusammengezimmerte Hütten, Hochbeete mit leuchtend roten und gelben Blumen, Gemüse und Früchte, eine liebevoll angezogene Vogelscheuche. Seit 2011 ist hier eine einzigartige grüne Oase entstanden. "Der Garten ist ein Mehrwert für den ganzen Stadtteil", seufzt sie. "15 bis 20 Aktive sind samstags hier und garteln." Dazu kämen zahlreiche Besucher aus dem Viertel, die Türen stehen jedem offen. Rund 1.000 Gäste pro Jahr schauen bei "O'pflanzt is!" vorbei: Menschen, die keinen eigenen Garten haben, Familien, die Ruhe im Großstadtchaos suchen, Hobbygärtner, die einfach Lust haben, Grünes zu pflegen.
Der Verein organisiert außerdem regelmäßige Veranstaltungen auf dem Gelände: heilpädagogische Führungen oder Kräuterlehrgänge. Wer Lust hat, übernimmt eine Beetpatenschaft und kümmert sich um einen festen Gartenteil. Geerntet wird natürlich zusammen. "Der Gemeinschaftsgarten hat auch einen Bildungsauftrag: Rund 300 Kids sind jedes Jahr Teil unseres Kinderprogramms", erläutert Müller. "Hier lernen sie, dass Essen nicht im Supermarkt wächst." Die Kleinen würden eine ganz andere Wertschätzung für Lebensmittel entwickeln.
Herausforderungen, die schlaflose Nächte bereiten
"Und die Bienen – wir wissen noch gar nicht, was wir mit denen machen sollen", fällt Müller ein. 30 bis 40 Wildbienenarten tummeln sich bei "O'pflanzt is!", viele sind bereits im Winterquartier, "die können wir ja niemals mit umziehen". Doch nicht nur die Bienen werden ein Problem: "Alle unsere Hütten – die kann man nicht einfach umstellen." Die Räumung des Geländes und der Umzug seien Herausforderungen, die den Vereinsmitgliedern schlaflose Nächte bereiteten.
"Alle Aspekte der Nachhaltigkeit"
Im Moment ist noch kein Ersatzgelände in Sicht. Müller appelliert an alle, die jemanden kennen, der jemanden kennen könnte: "Wir sind ganz flexibel, was Nutzungsart und Fläche des neuen Gartens angeht. Wir kooperieren auch gerne mit anderen Vereinen." Nur eines ist eben doch wichtig: "Wir suchen wieder in Neuhausen, der Maxvorstadt oder Schwabing. Unser Garten lebt durch die Nachbarschaft, das wollen wir nicht verlieren."
Alle Vereinsmitglieder sind im Moment in Aktion: Für Stauden, Paletten und Pflanzen werden Plätze für eine Zwischenlagerung gesucht. "Wir haben auch alle Kontakte bei der Stadt angefragt, um Ersatzflächen zu bekommen." Auch der Neuhauser Bezirksausschuss unterstützt den Garten mit einem Antrag an den Stadtrat. Zumindest einen Fristaufschub, im besten Fall ein neues Gelände, erhofft sich "O'pflanzt is!". Müller: "Unser Garten berührt alle Aspekte der Nachhaltigkeit – das muss doch gesehen und berücksichtigt werden."
Wer "O'pflanzt is!" helfen möchte, kann sich unter mitmachen@o-pflanzt-is.de an den Verein wenden. Noch immer werden Zwischenlagerungsflächen gesucht; und natürlich eine neue, dauerhafte Heimat für den Gemeinschaftsgarten.
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