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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
„Gute Orientierung“
IG Sport befragt OB-Kandidaten zum Breitensport
Bei der Kommunalwahl im März entscheiden die Münchner auch darüber, wie es in der städtischen Sportpolitik in den kommenden sechs Jahren weitergeht. Was haben die Parteien hier vor? Das wollte die Interessensgemeinschaft „Sport wichtig machen“ (IG Sport), die für die Belange der Breitensportvereine in München eintritt und in der die FT Gern und der ESV München federführend sind, wissen und hat im Herbst und Winter 2019 alle Oberbürgermeister (OB)-Kandidaten schriftlich befragt. Die IG Sport hat die Ergebnisse kürzlich in der Hochschule Fresenius vorgestellt.
München ist Sportstadt: Laut Referat für Bildung und Sport beläuft sich die Anzahl der in Vereinen organisierten Sporttreibenden auf 585.000 – bei rund 1,5 Millionen Einwohnern. Die knapp 700 lokalen Sportvereine, von denen fast alle dem Breitensport zugerechnet werden, sehen sich in ihrem Alltag vielfältigen Herausforderungen ausgesetzt, bei denen sie häufig auf Unterstützung durch Politik und Stadtverwaltung angewiesen sind. Von daher blicken auch Sportvereine mit Spannung auf die Kommunalwahl im März 2020.
Unterstützung bei Infrastrukturprojekten
Vereine ohne eigenen Grundbesitz können nach Angaben der IG Sport häufig keine Banksicherheiten stellen. Teure Infrastrukturmaßnahmen seien daher entsprechend schwieriger zu realisieren. Laut Befragung halten alle OB-Kandidaten den Vorschlag der IG Sport für realisierbar, dass in solchen Fällen die Landeshauptstadt München als Bürge auftritt. Für Tobias Ruff von der ÖDP stellt dies gar „nicht nur eine Option, sondern eine Notwendigkeit dar". Seine Mitbewerberin Katrin Habenschaden, Spitzenkandidatin der Grünen, gibt jedoch zu bedenken, dass eine solche Bürgschaft „eine Einzelfallentscheidung bleiben wird und davon abhängig ist, wie sich die gesamte Lage des Vereins darstellt.“ Ähnlich äußern sich auch die Kandidaten der anderen Parteien.
Nicht nur bei der Finanzierung sondern bei der kompletten Planung von Infrastrukturprojekten sind Vereine auf Unterstützung angewiesen, heißt es von Seiten der IG Sport. Dass diese Unterstützung aus Sicht vieler Vereine leider nicht immer in ausreichendem Maße angeboten werde, sei den meisten OB-Kandidaten laut Befragung durchaus bewusst. „Die Stadtverwaltung braucht mehr Anlaufstellen, damit die kleineren Vereine in ihrer Arbeit unterstützt werden können“, fordert deshalb Thomas Lechner, Spitzenkandidat von der Linken. Der amtierende Oberbürgermeister Dieter Reiter von der SPD hält dagegen: „Der bereits etablierte Bereich der Vereinsförderung wurde personell aufgestockt. Die Unterstützung, Betreuung und Begleitung ist sichergestellt und wird durch die Schaffung der Vereinskoordinatoren noch verstärkt und ausgebaut.“
Für Michael Franke von der IG Sport ist gerade letztgenannter Punkt ein wichtiges Signal: „Die Schaffung der Koordinatorenstellen hatte die IG Sport schon vor längerer Zeit angeregt. Die Vereine brauchen Stellen, an die sie sich wenden können“, so der 1. Vorsitzende der FT Gern. „Wir hoffen jetzt auf eine schnelle Umsetzung. Noch ist nämlich nicht offiziell bekanntgegeben worden, wann die Stellen besetzt werden.“
Zusammenarbeit zwischen Schulen und Vereinen
Ganztagsschulen wurden in den vergangenen Jahren mehr und mehr ausgebaut. Die meisten befragten OB-Kandidaten halten diese Entwicklung für unumgänglich: „Die derzeit von Politik und Verwaltung angebotenen Modelle sind keine tauglichen Instrumente“, erklärt Pia Kraske, die Geschäftsführerin des ESV München, des größten Breitensportvereins der Landeshauptstadt. „Den Vereinen wird dabei zu wenig Raum gelassen – und das obwohl sich alle Beteiligten über die wichtige Bedeutung des Mikrokosmos Verein im Klaren sind. Den Vereinen muss eine bessere Möglichkeit gegeben werden, sich aktiv in der Schule einzubringen. Sonst wird der Sport hinten runterfallen.“
Ehrenamtliche Bereitschaft
Spreche man mit Vertretern von Sportvereinen über deren Sorgen und Nöte, werde ein Problem stets genannt, erklärt die IG Sport weiter: das rückläufige ehrenamtliche Engagement. Immer weniger Menschen seien bereit, sich ehrenamtlich in einem Verein einzubringen, gerade wenn es darum gehe, sich über einen längeren Zeitraum hinweg zu engagieren. Um ehrenamtliches Engagement wieder attraktiver zu machen, wurden in Bayern in der jüngeren Vergangenheit wertschätzende Maßnahmen wie die „Bayerische Ehrenamtskarte“ eingeführt, mit der verdiente Ehrenamtliche bayernweit diverse Angebote vergünstigt nutzen können. Dass die Karte seit Dezember 2019 auch in München ausgegeben wird, schreibt CSU-Spitzenkandidatin Kristina Frank ihrer Partei zu: „Die CSU im Stadtrat hat durch jahrelanges Nachfassen jetzt endlich erreicht, dass auch in München die Bayerische Ehrenamtskarte eingeführt wird.“
Die von der IG Sport ins Spiel gebrachte, weitergehende Idee, dass für verdiente Ehrenamtliche die Nutzung des ÖPNV kostenfrei sein sollte, hält FDP-Spitzenkandidat Jörg Hoffmann für „wünschenswert, aber sehr teuer.“ Er plädiert daher für „die freie Nutzung auf dem Weg zum/vom Training.“ Für Pia Kraske gehen Maßnahmen wie die Ehrenamtskarte nicht weit genug: „Die Politik muss ehrenamtliches Engagement sozialversicherungsrechtlich und in der öffentlichen Wahrnehmung stärker als bisher flankieren. Denn ohne dieses Engagement wird unsere Gesellschaft sozial verelenden.“
Umfangreiche Antworten
Nicht nur zu den genannten Themen, auch zu Fragen bezüglich der Förderung des eSport, den Planungen für ein Münchner Sportmuseum oder der Bedrohung von Joggern durch freilaufende Hunde gaben die OB-Aspiranten Auskunft. „Uns geht es im Übrigen nicht darum, eine Wahlempfehlung auszusprechen. Die Befragungsergebnisse geben uns Sportvereinen in München aber eine gute Orientierung, wo die Parteien stehen. Die OB-Kandidaten haben auf Schlüsselfragen der Sportpolitik teilweise sehr umfangreiche Antworten gegeben“, zeigt sich Michael Franke zufrieden.
Die ausführlichen Antworten aller OB-Aspiranten können im Internet unter www.igsport.de abgerufen werden.
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