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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Gewaltiges Gedächtnis
Geschichtswerkstatt ist lebendige Zeitgeschichte
Wenn in zwei Jahren der 850. Geburtstag des Stadtviertels ansteht, feiert auch die Geschichtswerkstatt Neuhausen Jubiläum. „Wir sind allerdings doch etwas jünger“, schmunzelt der 1. Vorsitzende Franz Schröther. „Es ist aber trotzdem schön, dass wir unser 25-jähriges Jubiläum im gleichen Jahr begehen.“ Die Geschichtswerkstatt Neuhausen gibt es seit 1992. „Sie wurde damals anlässlich des 50. Jahrestages des Kriegsendes gegründet“, berichtet Franz Schröther. „Damals hat das Kulturreferat Leute gesucht, die gerne mit Zeitgeschichte arbeiten.“ Er selbst ist seit 1993 dabei und seit 2003 Vorsitzender. „Mittlerweile haben wir schon 17 Bücher geschrieben, seit 1998 gib es unsere Zeitschrift Neuhauser Werkstatt-Nachrichten und daneben veranstalten wir noch Ausstellungen, Stadtteilführungen und Vorträge.“
Franz Schröther ist in Neuhausen geboren und aufgewachsen und hat lange Zeit im Postamt 19 am Schalter gesessen. Mittlerweile lebt er zusammen mit seiner Frau in Thalkirchen. „Geschichte war schon in der Schule mein absolutes Lieblingsfach“, erzählt Franz Schröther. „In den 90er Jahren hatte ich mir vorgenommen, die Geschichte meiner Firma in Neuhausen zu erforschen. Bei meinen Recherchen bin ich im Buchhandel über ein Buch der Geschichtswerkstatt Neuhausen gestolpert, das ich gleich im Urlaub gelesen habe.“ So habe er überhaupt erfahren, dass es eine Geschichtswerkstatt gibt. „Da bin ich dann gleich beigetreten und habe mein Buch beenden können.“
"Gut vernetzt"
Der Stadtteil sei unglaublich spannend, betont Franz Schröther. Die Bücher der Geschichtswerkstatt Neuhausen, deren Büro seit mittlerweile sechs Jahre im 4. Stock des Neuhauser Trafo in der Nymphenburger Straße 171a untergebracht ist, sind nach Angaben ihres Vorsitzenden immer ganz bewusst Einzelthemen gewidmet. „So können wir umfassend und genau recherchieren.“ Und auch die Vorbereitungen für das nächste Buch, das in zwei Jahren erscheinen wird, laufen schon. „Das ist dann allerdings ausnahmsweise kein Einzelthema, denn dann steht das 850-jährige Jubiläum im Stadtviertel an. Darüber wird sich dann natürlich auch das Buch drehen“, so Franz Schöther. Und dazu wird es auch wieder eine Begleitausstellung geben.
„Wir sind im Stadtteil mit den anderen Vereinen und Institutionen gut vernetzt“, erklärt der Vorsitzende der Geschichtswerkstatt Neuhausen weiter. „Das ist ganz wichtig. Aber auch insgesamt sind wir im Viertel sehr bekannt.“ Jeden Mittwoch ist von 13 bis 18 Uhr im Büro in der Nymphenburger Straße Parteiverkehr. „Wir haben mittlerweile ein sehr großes Archiv. Die Leute bringen auch immer wieder Fotos, Postkarten, Dokumente und Unterlagen vorbei.“ Aber natürlich sei man auch auf die großen Archive in München angewiesen, „ohne die geht es überhaupt nicht“, betont Franz Schröther.
Postkarte gesucht
Überhaupt das Thema Postkarten: „In Ebay werden die historischen Postkarten hoch gehandelt. Ich bin immer auf der Suche nach Postkarten die einen Bezug zu Neuhausen, Nymphenburg und Gern haben.“ Insgesamt verfüge die Geschichtswerkstatt Neuhausen über mehr als 2500 Postkarten. Franz Schröther verrät zudem, dass er auch auf der Suche nach einer ganz speziellen Postkarte ist. „Ich habe irgendwann mal eine Postkarte gesehen mit dem Bierzelt der Gerner Brauerei auf der Wiesn. Leider weiß ich absolut nicht mehr wo. Aber ich weiß, dass es sie gibt. Da bin ich regelrecht auf der Jagd.“
Über 12.000 Bilder, Postkarten oder Stiche hat die Geschichtswerkstatt Neuhausen schon angehäuft. „Wir bekommen aber zum Beispiel auch sehr viele Vereinsfahnen oder eine historische Krugsammlung“, erzählt er. „Das ist ohnehin ein persönliches Hobby von mir.“ Grundsätzlich sind die Mitglieder der Geschichtswerkstatt an allem interessiert, was irgendwie mit Neuhausen, Nymphenburg und Gern zu tun hat. „Es gibt natürlich noch viele Themen, mit denen wir uns noch gar nicht befasst haben“, weiß Franz Schröther. „Bei einigen Themen ist auch die Materiallage nicht gut. Das macht dann die Recherche, die ohnehin sehr zeitintensiv ist, schwierig.“
Spannende Arbeit
Franz Schröther hat sich im Laufe der Jahre ein enormes Wissen angeeignet und hat insgesamt 22 Stadtteilführungen im Kopf. „Man braucht schon auch ein gewaltiges Gedächtnis“, sagt der 68-Jährige, der im Schnitt ungefähr 50 Stunden pro Woche für die Geschichtswerkstatt aktiv ist. „Mir macht das einfach großen Spaß. Es ist eine spannende Arbeit, bei der man auch immer wieder die eine oder andere Überraschung erlebt. Es wird nie langweilig. Reizvoll finde ich vor allem das Erforschen und Wiederauffinden – und wenn ich das Ganze dann noch anderen Menschen vermitteln kann, ist das toll.“
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