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„Geschichtspolitischer Skandal“

Inschrift am Gefallenendenkmal soll geändert werden

Die Inschrift des Gefallenendenkmals auf dem Gelände der Bundeswehr an der Dachauer Straße soll geändert oder kontextualisieren werden. Das zumindest fordert der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg (BA 9). (Bild: sb)

Der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg (BA 9) hat Oberbürgermeister Dieter Reiter aufgefordert, sich beim Bundesministerium der Finanzen als Eigentümer sowie beim Bundesministerium der Verteidigung als Nutzer des Geländes an der Dachauer Straße 128 mit Nachdruck für die Änderung beziehungsweise Kontextualisierung der Inschrift am dortigen Gefallenendenkmal der Bayerischen Eisenbahnertruppe einzusetzen. Einen entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion hat das Lokalparlament in seiner jüngsten Sitzung so beschlossen und zugleich eine Aufnahme des Standorts in den Kulturgeschichtspfad des Stadtviertels empfohlen.

Nach den Worten Anna Lena Mühlhäusers, der SPD-Fraktionssprecherin im BA 9, waren nun neue Erkenntnisse über die Herkunft des Widmungsspruchs Anlass, für den jüngsten Antrag der Sozialdemokraten: „Recherchen der Geschichtswerkstatt Neuhausen haben ergeben, dass bei der Neuerrichtung des Denkmals im Jahr 1962 nicht auf den Wortlaut der Inschrift des 1923 enthüllten Gefallenendenkmals zurückgegriffen wurde, sondern auf den während der NS-Diktatur geänderten.“ Der ursprüngliche Denkmalstext aus der Zeit der Weimarer Republik, „Sie glaubten zu sterben für Deutschlands Ruhm und Ehr“, sei 1935 in „Sie starben für Deutschlands Ruhm und Ehr“ revidiert worden.

"Verklärung des Ersten Weltkriegs"

„Mit dieser geänderten Inschrift wurde fortan nicht mehr der durch die Propaganda erzeugte subjektive beziehungsweise kollektive Glaube an Sinn und Zweck des Todes an der Front betont, sondern die propagandistische Deutung des Soldatentodes zu einer Tatsache erklärt“, heißt es in der Antragsbegründung. Die Änderung der Inschrift in der Frühphase des „Dritten Reichs“ stehe im Kontext der propagandistischen Vorbereitung der Bevölkerung auf einen neuen Krieg. Hierzu diene die in der Inschrift zum Ausdruck kommende Verklärung des Ersten Weltkriegs sowie die Ausrichtung der – männlichen – Jugendlichen auf den soldatischen Kampf, den „Heldentod“ und die damit verbundenen Werte.

"Entschieden entgegentreten"

„Es ist aus meiner Sicht ein geschichtspolitischer Skandal, dass bei der Neuerrichtung des Denkmals 1962 der Spruch aus der Zeit des Nationalsozialismus Verwendung fand und dieser dort bis heute ohne jegliche Distanzierung zu lesen ist“, erklärt Jörn Retterath, der den Antrag initiiert hat. Und Anna Lena Mühlhäuser ergänzt: „Wer beim Spazierengehen auf dem Weg zum nahegelegenen Olympiapark an dem öffentlich zugänglichen Denkmal auf dem Bundeswehrgelände vorbeikommt, kann den – falschen – Eindruck erhalten, dass die Inschrift dem heutigen Selbstverständnis der deutschen Streitkräfte entspricht“, so die Fraktionschefin der SPD im BA 9 weiter. „Dem sollte entschieden entgegengetreten werden, indem der Text geändert beziehungsweise das Denkmal mittels einer gut wahrnehmbaren Informationstafel historisch kontextualisiert wird.“

"Fragwürdiges Argument"

Angesichts der nun bekanntgewordenen neuen Erkenntnisse zur Geschichte des Denkmals erscheint nach Ansicht der SPD-Fraktion auch das in der Vergangenheit vorgebrachte Argument, die Denkmalsinschrift müsse aus Denkmalschutzgründen unverändert bleiben, fragwürdig, schließlich habe man bei der Neuerrichtung des Denkmals weder die Originalinschrift noch die Originalletter verwendet. Über die Frage des Denkmalschutzes müsste sich im Zweifel aber der Eigentümer mit den zuständigen Behörden ins Benehmen setzen.


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