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"Das war das beste Jahr meines Lebens"

In fremden Kulturen leben: Gamze Tikiz und Hans-Peter Uhl über den Reiz der Fremde und unmögliche "-ism

"Das war das beste Jahr meines Lebens", schwärmt Gamze Tikiz. Für die Schülerin endet jetzt die elfte Klasse am Rupprecht-Gymnasium, doch das meint sie nicht; zweifellos aufregender war ihr zehntes Schuljahr. Das hat sie als Stipendiatin des Parlamentarischen Patenschafts-Programms (PPP) in den USA verbracht. Zehn Monate lebte sie in Sacramento / Kalifornien bei einer amerikanisch-mexikanischen Familie und ging dort auf die High School. "Meine Mutter hatte von dem Programm in der Zeitung gelesen und gemeint, ich solle mich da bewerben", erzählt Gamze Tikiz, deren Englisch damals gar nicht so gut war.

"Jede Absage tut weh"

Das (PPP) ist ein Jugendaustausch, den der Bundestag und die Wahlkreisabgeordneten organisieren. Für den Münchner Westen oblag MdB Hans-Peter Uhl (CSU) die Endauswahl der Kandidaten, die sich in mehreren Runden präsentieren mussten. Schulische Leistungen, soziales Engagement, sicheres Auftreten waren gefragt. Jeder, der es bis in die Endrunde schaffte, hatte in all diesen Bereichen überzeugt. "Die Auswahl war schwierig", so Uhl, "jede Absage tut da weh."

"Niemand muss so leben wie wir"

Für Gamze Tikiz hingegen ging ein Traum in Erfüllung. "Ich habe mich dort sofort zuhause gefühlt", erzählt die Schülerin von ihrer Ankunft in Sacramento, obwohl vieles ungewohnt und daher nicht immer leicht war. "Die ersten Wochen waren sehr aufregend, aber auch stressig: Ich musste alles erst kennenlernen!" Immer wieder erinnerte sie sich an das Zitat aus ihrem Vorbereitungsseminar: "It's not right or wrong. It's just different."  Im Grunde dreht sich das gesamte Austauschprogramm um diese Erkenntnis. Die jungen Leute sollen die jeweils andere Kultur nicht nur kennenlernen, sondern auch akzeptieren. "Niemand muss so leben wie wir", erklärt Hans-Peter Uhl; das wird den Austauschschülern in der Fremde sehr schnell klar: "Das Fremde wird ganz anders aufgenommen, andere Lebensentwürfe werden toleriert", weiß der Bundestagsabgeordnete.

"Die Amis ticken ganz anders"

Das gilt auch für die Politik: "Die Amis ticken ganz anders als wir", meint Uhl und verweist auf das nach den Anschlägen vom 11. September gestiegene Sicherheitsbedürfnis, dem der Datenschutz untergeordnet wird, oder auf den zwiespältigen Umgang mit illegalen Einwanderern an der hermetisch abgeriegelten Grenze zu Mexiko. "Die  Austauschschüler sehen vieles aus einem ganz anderen Blickwinkel", so Uhl, "ihre Toleranz wird für das ganze Leben geprägt. Diese Erfahrung kann man mit nichts vergleichen. Ein -ismus ist mit ihnen nicht mehr möglich!"

"Das will ich noch in 40 Jahren spüren!"

Der Aufenthalt in Kalifornien hat Gamze Tikiz Leben tatsächlich verändert. "Ich habe Heimweh nach den USA", erzählt sie: Home ist the place, where your heart is. "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an mein Austauschjahr denke", meint sie, "dieses Gefühl will ich noch in 40 Jahren spüren!" Hans-Peter Uhl geht es so. Als Stipendiat, der gerade Jurist geworden war, verbrachte er mit anderen jungen Leuten einige Zeit in England. Wie Gamze Tikiz erinnert er sich an anfängliche Schwierigkeiten, die es etwa bei den Essgewohnheiten zu meistern galt: Der Schreckensruf seiner Hauswirtin, "Hääns, dinner is prepared", klingt ihm noch immer in den Ohren. Aber: "Nach einem halben Jahr ging es uns allen gleich", erinnert sich Uhl, "jeder von uns wollte unbedingt wieder dort hin!"

"Ich nehme vieles ganz anders wahr"

Wenn Gamze Tikiz erzählt, wählt sie in ihrer Begeisterung fast die gleichen Worte wie Uhl: "Ich werde auf jeden Fall wieder in die USA gehen", hat sie vor, "ich empfehle jedem, das zu machen: unbedingt!" Hans-Peter Uhl freut sich, wie Gamze Tikiz ihre Chance genutzt hat. "Ich bin um einiges selbstbewusster geworden und nehme viele Dinge ganz anders wahr", schildert die Schülerin eine Erfahrung, die der Bundestagsabgeordnete teilt: "Man wagt den Schritt und geht irgendwohin in der Welt und stellt fest: Man kann sich durchsetzen", so sein Fazit. "Ich werde ganz sicher ein Semester im Ausland studieren!" hat Gamze Tikiz nun vor. Um ihr Englisch muss sie sich längst keine Gedanken mehr machen ...

Bewerbungsfrist bis 13. September

Seit 1983 gibt es das Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP) zwischen Deutschland und den USA. Bundesweit stehen 360 Stipendien zur Verfügung, die an Schüler (15-17 J.) und junge Berufstätige (bis 24 J.) vergeben werden. Sie leben für ein Jahr bei Gastfamilien in den USA.

"Die Stipendiaten übernehmen eine wichtige Rolle als 'junge Botschafter' Deutschlands in den USA", sagt Bundestagspräsident Norbert Lammert, "das fördert das gegenseitige Verständnis und trägt wirkungsvoll dazu bei, die menschlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika dauerhaft zu stärken."

Die Frist für die derzeit laufende Bewerbungsrunde endet am 13. September. Bis dahin können Interessierte ihre Bewerbungskarte an die für ihren Bundestagswahlkreis zuständige Austauschorganisation schicken. Info: www.bundestag.de/ppp.


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