"Zu schade zum Wegwerfen"
Änderungsschneiderei Güre überzeugt Kunden
Die Tür steht weit offen in dem großen Hauptraum der Design Änderungsschneiderei an der Königswieserstraße 5. Gerade steht ein Herr mit Poloshirt am Empfangstisch von Inhaberin Ulviye Güre. Er hätte gerne diesen einen kleinen Fehler behoben, den ein gezogener Faden verursacht hat. "Das Polo ist vielleicht nicht mehr das Neueste, aber es ist von guter Qualität, ich mag es sehr", erklärt der Kunde: "Es ist einfach zu schade, um es gleich wegzuwerfen." Güre nickt, die Schneiderin schaut sich das Shirt kurz an, zwei, drei kleine, geübte Handgriffe - Faden und Fehler sind verschwunden. Als der Kunde sich nach dem Preis erkundigt, winkt Güre ab: "Das passt schon."
In Zeiten, in denen T-Shirts - made in Bangladesch oder Vietnam - in jedem Einkaufszentrum für fünf Euro zu haben sind, wundert man sich beinahe über den Herrn, der so gerne sein Lieblingspolo retten will. Warum nicht einfach ein Neues kaufen? "Meine Kunden verbinden etwas mit der Kleidung, die sie zu mir bringen. Manches sind Erbstücke, die eine Hose sitzt einfach so gut, dass die Kundin sicher ist, nie wieder eine solche zu finden", lacht Güre. Viele kämen aber auch zu ihr, weil sie der Meinung seien, man könne Dinge durchaus reparieren, anstatt sie wegzuwerfen.
Erfahrung und Kompetenz
Für Kleidung gilt das natürlich in besonderem Maß - ein kleines Loch sollte nicht gleich den Wurf in den Mülleimer provozieren, ein Kilo mehr oder weniger auf den Rippen, muss nicht automatisch bedeuten, dass das Dirndl, das erst im letzten Jahr gekauft wurde, schon wieder ersetzt werden muss. In solchen Fällen ist Kompetenz und Erfahrung gefragt, Güre bringt beides mit.
Im März hat sie die Änderungsschneiderei von ihrem ehemaligen Chef übernommen; nach zwanzig Jahren im Handwerk den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Güre hat mit 13 Jahren begonnen, zu schneidern. Damals noch in der Türkei, vor allem an Leder. 2002 ist sie nach Deutschland gekommen, hat in verschiedenen Änderungsbetrieben gearbeitet, zuletzt in der Köngiswieserstraße - einem Traditionsbetrieb mit 38 Jahren Geschichte. Als der ehemalige Besitzer aufhören wollte, war klar, dass sie das Geschäft übernehmen würde. Es folgte ein Umzug in neue Räumlichkeiten, ein paar Meter vom alten Standort entfernt.
Ausführliche Beratung...
Heute ist die Schneiderei ein lichtdurchfluteter Raum, eine Wand bedeckt von abholungsbereiter Kleidung. Da hängen Röcke, Jacken, Lederhosen, ein Pelz. Güre arbeitet an allen Materialien. "Wenn ein Kunde kommt und mir erzählt, dass diese Lederjacke ein Erbstück von seinem Großvater ist, das ich sie wieder tragbar machen muss, weil sie ihm so viel bedeutet, dann sage ich nicht nein", erzählt sie: "Dann gebe ich mein Bestes."
An der gegenüberliegenden Wand stehen die Nähtische, mehrere Nähmaschinen reihen sich aneinander, darüber Fadenrolle um Fadenrolle, fein säuberlich aufgehängt, gut sortiert von hell nach dunkel. Im Eck das Bügelbrett für den letzten Feinschliff. Erst in einer Woche könne die Bluse fertig sein, entschuldigt sich die Schneiderin gerade bei der nächsten Kundin, sie habe einfach so viele Aufträge. Güre berät ihre Kunden individuell, sieht sich jedes Kleidungsstück genau an, das braucht seine Zeit.
....und tolle Ideen
Eine Dame sei mit einem Bettbezug gekommen, sie habe auf der gesamten Länge einen neuen Reißverschluss haben wollen, der alte sei kaputt. "Ich hätte sagen können - klar, das mache ich, kostet 150 Euro", berichtet Güre: "Aber ich will nicht auf Kosten meiner Kunden mehr verdienen. Ich habe der Dame erklärt, dass man nur ein Teil des Reißverschlusshalters tauschen muss, das kostet 10 Euro." Dass die Kundin wiederkam - selbsterklärend. Freundliche und ehrliche Beratung und Qualitätsarbeit, das spricht sich herum. Und tolle Ideen hat Güre auch noch: Einer frisch gebackenen Ehefrau, die ihre Schleppe vom Hochzeitskleid entfernen lassen wollte ohne den abgetrennten Stoff hinterher wegwerfen zu müssen, hat die Schneiderin kurzerhand ein Taufkleid für den Nachwuchs daraus genäht.
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