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Rubrik: Politik · Stadtteil: München
Zauberwort Medienkompetenz
Politiker fordern gute Computerspiele und vernünftigen Umgang damit
Killerspiele verbieten, bestehende Möglichkeiten des Strafrechts nutzen, die Medienkompetenz der Jugendlichen stärken? Wünschenswert wäre, dass die politische Debatte nach dem jüngsten Amoklauf - es war ja nicht der erste - diesmal über den Tag hinausginge. Am gestrigen Dienstag wurde in München der erste deutsche Computerspielpreis vergeben. Aus diesem Anlass hat der bayerische Staatskanzleichef und Medienminister Siegfried Schneider eine intensive Qualitätsdebatte für Computerspiele angemahnt und ein "konsequentes Vorgehen gegen menschenverachtende Gewaltdarstellungen" gefordert.
„Computerspiele gehören heute zum Alltag vieler Jugendlicher und Erwachsener. Dieser Realität müssen wir uns stellen. Deshalb brauchen wir dort Unterhaltungsinhalte, die unsere Wertvorstellungen tatsächlich widerspiegeln. Wir wollen für unsere Kinder die beste Bildung und die beste Förderung. Bei Computerspielen dürfen wir keine anderen Maßstäbe anlegen. Gleichzeitig gilt: Gewaltverherrlichende oder menschenverachtende Spiele müssen gesellschaftlich geächtet werden", sagte Schneider.
Möglichkeiten nutzen
Dazu gehöre auch ein konsequentes strafrechtliches Vorgehen gegen exzessive Gewaltdarstellungen und mehr Jugendmedienschutz. Schneider: „Wir müssen die bestehenden Verbotsmöglichkeiten voll ausschöpfen. Es ist niemandem gedient, wenn einzelne Hersteller oder Spielefans jeden Zusammenhang zwischen Gewalt im Computerspiel und im wirklichen Leben pauschal abstreiten. Ein klares Nein zu gewaltverherrlichenden und menschenverachtenden Darstellungen erfordert, die bestehenden Möglichkeiten des Strafrechts konsequent zu nutzen."
Schneider begrüßte den von der Bundesregierung gemeinsam mit der Spielewirtschaft ausgelobten Deutschen Computerspielpreis als wichtigen Schritt in der Qualitätsdebatte, dem weitere Schritte folgen müssen. Die starke deutsche Medienbranche habe großes Potential, positiv auf die Qualität der internationalen Spielewirtschaft Einfluss zu nehmen.
Schneider unterstrich zudem, dass vor allem auch im Internet noch mehr für den Jugendschutz getan werden müsse. Als Beispiel nannte er die Durchsetzung einer klaren und vor allem auch für die Eltern sichtbaren Alterskennzeichnung auch bei Online-Spielen.
Eltern überfordert
Das A und O einer zukunftsorientierten Medienpolitik sei darüber hinaus die Stärkung der Medienkompetenz. Dies gelte für Kinder und Jugendliche, aber auch für Eltern. Schneider: „Eltern sollten es nicht dem Zufall überlassen, was ihre Kinder im Internet machen oder welche Spiele sie spielen." Viele Eltern seien damit jedoch überfordert, weil sie selbst nicht mit den neuen Medien aufgewachsen seien. Der Staat sei deshalb gefordert, Eltern aktiv in die Medienerziehung einzubinden und eine Aufklärungskampagne zu starten. Auch die Spielewirtschaft sei in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten.
Action spielen alle
Die medienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag, Julika Sandt, beklagte nach dem Amoklauf einen Mangel an Medienkompetenz: "Dieser manifestiert sich auch darin, dass Politiker wieder einmal sogenannte Killerspiele verbieten wollen - ungeachtet der Tatsache, dass ein solches Verbot nicht umsetzbar ist. Nach Angaben des Münchner Instituts für Medienpädagogik JFF spielen 70 bis 80 Prozent der männlichen Jugendlichen actionreiche, gewalthaltige Spiele." Sandt kündigte an, sie werde auf allen Ebenen vorantreiben, dass die Medienkompetenz gestärkt wird: „Lehrer und Eltern müssen ebenso wie Kinder und Jugendliche in der Lage sein, die Risiken neuer Medien zu erkennen aber auch ihre Chancen zu nutzen.“
"Vehement dagegen vorgehen"
Die Freien Wähler dagegen haben wiederholt ein sofortiges Verbot brutaler Computerspiele gefordert. FW-Landesvorsitzender und Fraktionschef Hubert Aiwanger kritisiert: „Es ist nicht länger hinnehmbar, dass brutalste menschenverachtende Computerspiele zur Freizeitbeschäftigung vieler Kinder und Jugendlicher zählen und die Politik, in diesem Fall die FDP, sagt, man könne hier mit Verboten nichts erreichen. Aus meiner Sicht ist es notwendig, dass man gegen Killerspiele genau so vehement vorgeht wie gegen Kinderpornografie im Internet. Es ist unbestritten, dass Schund im Internet zur Nachahmung anregt. Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, ob wir uns den Kommerzinteressen der Computerbranche in letzter Konsequenz unterwerfen, oder ob wir versuchen, noch einen Rest von gesundem
Menschenverstand zu retten.“
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