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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
„So eine glückliche Ehe“
Herbert und Ursula Bräuning feiern Geburtstag und Diamantene Hochzeit
Gleich zwei wichtige Jubiläen kann das Germeringer Ehepaar Bräuning in dieser Woche feiern: Am Montag wurde der ehemalige Journalist und Buchautor Herbert Bräuning 90 Jahre alt, heute feiern Ursula und Herbert Bräuning gemeinsam ihre Diamantene Hochzeit. Erst vor kurzem hat der VHS-Kunstkurs von Constanze Wagner im Forum der Stadthalle Germering Bilder zu Gedichten ausgestellt, die Herbert Bräuning während seiner dreijährigen Haftzeit in DDR-Gefängnissen verfasst hatte; und seine Ehefrau Ursula, ebenfalls zweieinhalb Jahre lang Häftling in der DDR, referierte begleitend zur Ausstellung bei einem beeindruckenden Zeitzeugengespräch.
Herbert Bräuning wurde 1921 in Kassel geboren und wuchs in Düsseldorf auf. Nach dem Abitur wurde er sogleich zur Wehrmacht eingezogen und verbrachte fünf Jahre an verschiedenen Fronten, ehe er sich kurz vor dem Kriegsende von der Truppe entfernte, obwohl bei Entdeckung die Todesstrafe drohte. Wieder zuhause studierte er Germanistik, Romanistik und Theaterwissenschaften. Durch Vermittlung des Literaturwissenschaftlers Hans Mayer, Professors an der Uni Leipzig, kam Bräuning nach Ostberlin, wurde Verlagslektor und Übersetzer und lernte hier auch seine spätere Ehefrau kennen.
„Boykotthetze"
Seine anfängliche Sympathie zum DDR-Staat wechselte bald in Skepsis, die er auch in einem Zeitungsaufsatz zum Ausdruck brachte. Ehe es zur Übersiedlung in den Westen kam, wurden Herbert und Ursula Bräuning wegen „Boykotthetze“ verhaftet und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. In der Dunkelhaft verfasste Bräuning insgesamt 28 Sonette, die er mangels Licht und Papier im Kopf behielt und sich jeden Tag aufsagte. Erst nach der Entlassung konnte er sie zu Papier bringen.
Ab 1959 war er in Westberlin, Hamburg und München als Redakteur und literarischer Übersetzer tätig. Seine Frau hat den Schriftstellerverband (VS) und das Autorenversorgungswerk der VG Wort mit aufgebaut und 1985 dafür das Bundesverdienstkreuz erhalten. Die schriftstellerische Karriere von Herbert Bräuning begann 1941 mit der Veröffentlichung verschiedener Gedichte und Erzählungen in Zeitschriften, Zeitungen und im Rundfunk. Er schrieb zehn Romane, darunter „Du erbst einen Alptraum“, „Fernzündung“ oder „Charme des Zufalls“, und übersetzte unter anderem Werke von Alexandre Dumas, Henri Barbusse, Vladimir Pozner und Jorge Amado.
Erinnerung an Reisen
„Sein Interesse galt stets den ‚Menschen am Abgrund’, in politischer und psychologischer Hinsicht. Autobiografisches verwendete er nur ‚in Splittern’, weil er getarnte Selbstbespiegelungen nicht mochte“, berichtet Irmgard Langewiesche, die Herbert Bräuning als Germeringer Literat in ihren 2009 erschienenen „Germeringer Kulturgeschichten“ gewürdigt hat. Das Ehepaar lebt seit 1971 in Germering. Durch eine ursächlich ungeklärte Augenerkrankung ist Herbert Bräuning, der ein Leben lang nur mit Schreiben und Lesen beschäftigt war, seit acht Jahren vollständig erblindet und lebt seit rund drei Jahren im Seniorenheim. Seine Frau liest ihm jetzt täglich vor. Beide erinnern sich gerne an die vielen Reisen, die sie gemeinsam erleben konnten, seien es Kreuzfahrten auf der Hurtigrute und im Schwarzen Meer oder die Urlaube in Österreich, Kanada, USA, in der Türkei oder auf Kreta.
Obwohl Ursula und Herbert Bräuning einen schwierigen Start in Westdeutschland hatten und später miterleben mussten, dass viele Schergen des Unrechtssystems DDR nach dem Fall der Mauer unbeeinträchtigt auf der nächsten Karriereleiter aufwärts stiegen, zeigen sie keine Verbitterung: „Mein Motto war stets: Immer ein bisschen mehr lachen als weinen“, betont Ursula Bräuning; und Ehemann Herbert sagt: „Wir führen ja so eine glückliche Ehe! Ich weiß, dass uns viele Freunde darum beneiden.“
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