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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Nur keine Berührungsängste"
Ein Gespräch über Film und Kinderhospizarbeit
Genau eine Woche vor dem bundesweiten "Tag der Kinderhospizarbeit" am 10. Februar fand im Münchner Gloria Palast eine Filmvorführung von "Dieses bescheuerte Herz" mit besonderer Intention statt. Ziel war es, die Öffentlichkeit zum Thema und vor allem zu den Herausforderungen der Kinderhospizarbeit zu informieren und zu sensibilisieren. Unter der Moderation von Torsten Koch nahmen Hans Beese von Constantin Film, Regisseur Marc Rothemund, Prof. Dr. Ewert und Birgit Beckmann vom Deutschen Herzzentrum, sowie Christine Bronner vom Ambulanten Kinderhospiz München (AKM) und Halime Aydin, selbst Mutter eines schwer kranken Kindes, im Anschluss an einem Pressegespräch teil. Der Vorstand von Constantin Film, Hans Beese, ist selbst seit geraumer Zeit Mitglied beim AKM. "Seit Christl mich über den Gartenzaun verhaftet hat", schmunzelt er.
Der Film basiert auf dem Spiegel-Bestseller, den Lars Amend mit dem herzkranken Daniel Meyer geschrieben hat. Im August 2013 erschien das Buch „Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen.“ Der Autor erfuhr von Daniels Schicksal, der seine Zeit damals meistens allein zwischen Krankenhaus und Kinderzimmer verbrachte, besuchte ihn und arbeitete mit ihm eine Wunschliste aus, die sie dann gemeinsam ab arbeiteten. Zwar wurde diese "Bucketlist" für den Film deutlich gekürzt, dennoch stammen alle darin aufgeführten Wünsche aus Daniels Feder. Lars holte ihn aus der Wohnung und unternahm mit ihm Dinge, die Teenager sonst mit großen Brüdern oder Freunden unternehmen – wenn sie gesund sind.
Was wenn sie aber nicht gesund sind?
Gerade das thematisiert der Film sehr anschaulich. Es ist nicht nur die Krankheit selbst, die an den Erkrankten nagt. Die soziale Isolation, teilweise sogar Ächtung, macht gerade den Jüngsten in schwierigen Entwicklungsphasen schwer zu schaffen. Hinzu kommt, dass die fachärztliche Versorgung nur bei akuten Fällen greift; die Nachsorge und die spezielle Pflege der Patienten können die Kliniken nicht übernehmen. Es gibt gerade mal zwei Palliativstationen für Kinder in Deutschland, eine davon in München. Dennoch verfügt die Stadt über kein stationäres Kinderhospiz.
Prof. Dr. Ewert, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler, der Kinderkardiologie und Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums München, wies darauf hin, dass die Lebenserwartung der Patienten sich mittlerweile deutlich erhöht hat. So wurde Daniel eine Lebenserwartung von maximal 20 Jahren ausgesprochen. Jetzt wird er am 21. Februar schon 21. Dies stellt die Gesellschaft aber auch vor neue Herausforderungen. Für die schwer kranken Jugendlichen muss die Integration ins Berufsleben gewährleistet sein. Im Zuge dessen sei die Arbeit des AKM besonders wichtig, da hier eine Lücke geschlossen wird, die das medizinische Personal der Kliniken selbst nicht ausfüllen kann. Ewert bezeichnet das AKM als "ein Geschenk für das Deutsche Herzzentrum". Dies konnte auch Halime Aydin bestätigen; sie kann sich mit der liebevollen, aber schwer geforderten Mutter Betty im Film gut identifizieren. Das AKM habe ihr damals sofort Pflegepersonal nach Hause geschickt und sei im Alltag eine wesentliche Stütze. Dadurch habe sie gelernt, "auch mit schwer herzkranken Kindern geht das Leben weiter".
Es gibt noch viel zu tun
Regisseur Marc Rothemund äußerte sich engagiert und bewegt zu den Missständen, die er im Rahmen seiner Recherche zum Film entdeckte und appellierte für mehr Unterstützung in der Gesellschaft. Erfreulicherweise wusste Christine Bronner zu berichten, dass der Film bereits neue ehrenamtliche Helfer aktiviert hat. Helfer kann jeder werden und niemand muss Angst vor der Arbeit oder Berührungsänste mit den Kindern haben. "Die sind stressresistent", so auch die Erfahrung von Marc Rothemund beim Dreh. Alle ehrenamtlichen Helfer werden vom AKM gut ausgebildet und geschult, bevor es in die Kinderbetreuung geht. Gerade hat wieder eine Schulung für Familienbegleiter begonnen, eine zweite startet im Herbst.
Dennoch gibt es noch jede Menge Verbesserungspotential. "Gerade bei den Null- bis Dreijährigen, den kleinen Mäusen, ist die Betreuung in der Ambulanten sehr schwierig", berichtet Christine Bronner. "Wir brauchen Tagesbetreuung, Spenden haben wir genug, die Stadt München gibt uns aber kein Grundstück." Möglicherweise regt der Film ja auch diesen Diskurs erneut an. Marc Rothemund forderte das Auditorium jedenfalls auf: "Man muss die Leute direkt ansprechen. Schreibt doch mal dem Reiter!"
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