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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
„Ich zittere mir einen Minister“
Gerhard Schumann und sein Leben mit der Pechkrankheit
Im September 2010 erhielt Gerhard Schumann die niederschmetternde Diagnose Parkinson. Damals war der dreifache Familienvater 42 Jahre alt – eigentlich zu jung für diese Krankheit, weshalb die Ärzte zunächst Tennisarm und Kalkschulter diagnostiziert hatten. Auf die Gewissheit folgte Verdrängung, auf die Verdrängung Verzweiflung.
Mittlerweile hat Gerhard Schumann neuen Lebensmut gefasst und seinen alten Humor wiedergefunden. Sein größtes Ziel: Öffentlichkeit und Verständnis für Erkrankte schaffen. Dies scheint ihm durchaus zu gelingen, denn am 11. Oktober überreichte er Daniel Bahr, dem Bundesminister für Gesundheit, sein kürzlich veröffentlichtes Buch: „Parkinson – Leben mit der Pechkrankheit“.
Schicksalsschlag
Es liegt wohl in der Natur des Menschen, Schlimmes verdrängen zu wollen. Nicht anders erging es Gerhard Schumann, als ihn die Schreckensnachricht mit voller Wucht traf. Seine Ehefrau Monika ahnte bereits, dass es Parkinson sein könnte. „Ich habe es gewusst“, lautete ihre Antwort, als er sie nach dem Arztbesuch anrief.
„Ich war völlig ungläubig. Ich habe immer alles geschafft, was ich wollte. Und zwar allein. Die Vorstellung, dass ich künftig bei vielen alltäglichen Dingen Hilfe benötigen würde, war erschreckend“, erinnert sich der gebürtige Münchner an diesen schrecklichen Augenblick zurück. „Zunächst habe ich also versucht, die Krankheit zu verdrängen. Ich war total schrill und aufgedreht, der Erste und Letzte auf jeder Party.“
Akzeptanz und Solidarität
Nach fast einem Jahr holt ihn die Realität jedoch ein. Mit der Depression kommt allmählich die Erkenntnis, dass eine Therapie unumgänglich ist. Neben Entspannungs- und Psychotherapien, Massagen, Medikamenten und Gesprächsrunden nimmt Gerhard Schumann sein altes Hobby, das Fotografieren, wieder auf. Mit Hilfe seiner bearbeiteten Fotografien stellt er seine Gefühls- und Erlebniswelt mit Parkinson bildlich dar und lernt zugleich seinen ständigen Begleiter, den er nun humorvoll „Parki“ nennt, zu akzeptieren. Seine Werke wurden zum ersten Mal Ende 2011 in der Schön Klinik unter dem Namen „Parki und ich“ ausgestellt. Erst kürzlich endete die zweite Ausstellung in Krailling, gefolgt von weiteren Anfragen. „Die Ausstellung ist im Begriff zur Wanderausstellung zu werden“, schmunzelt Schumann, der allen Parkinsonerkrankten helfen möchte, indem er die Forschung finanziell unterstützt. 50 Prozent des Erlöses seiner verkauften Werke spendet er deshalb an eine Deutsche Parkinson Stiftung.
„Es liegt mir sehr am Herzen, dass die Leute auf Parkinson aufmerksam gemacht werden und Erkrankte verstehen lernen“, sagt Gerhard Schumann und erinnert sich daran, dass er vor der Diagnose in den Verdacht geraten ist Alkoholiker zu sein, weil das Zittern seiner Hände immer auffälliger wurde. „Die Krankheit Parkinson hat ein weltweit einheitliches Symbol – eine rote Tulpe. Meine Frau und ich tragen dieses Symbol immer an unserer Kleidung. Ich als Betroffener, sie als Zeichen der Solidarität.“ Der Künstler und frische Autor weiß auch hier mit Humor an die Sache heranzugehen, denn auf seiner Anstecknadel steht: Ich habe Parkinson – und welche Ausrede hast du? „Falls ich mal auf der Straße umkippe und wieder alle denken, ich sei besoffen.“
Ein Zufallsprodukt
Auf die Frage, wie ein Hobbyfotograf und Kaufmann auf die Idee kommt, ein Buch zu schreiben, lächelt Gerhard Schumann: „Eigentlich ist es ein Zufallsprodukt. Im Rahmen meiner Therapie habe ich meine Gedanken zu Papier gebracht. Dabei habe ich viel geweint, aber es hat mir geholfen, 'Parki' zu akzeptieren. Meine Frau hat das Buch gelesen und war der Meinung, dass wir es veröffentlichen sollten. Jedoch nicht, ohne einiges zu zensieren“, lacht der gebürtige Pasinger. Das Buch sei weder medizinisch noch kommerziell, sondern verfolge lediglich das Ziel, Öffentlichkeit und Verständnis für die Krankheit zu schaffen. Auch das bisherige Tabuthema Sexualität wird darin angesprochen. Parkinson bezeichne er deshalb als Pechkrankheit, weil man für diese chronische Krankheit die Ursachen nicht kenne und sie somit jeden unerwartet treffen könne, erklärt er.
Langsam aber sicher macht Schumanns Engagement die Runde. Ein großer Schritt nach vorne ist die Übergabe seines Buches an den Bundesminister für Gesundheit, Daniel Bahr. Dieses Treffen kündigte Gerhard Schumann der Redaktion des SamstagsBlattes belustigend unter dem Motto „Ich zittere mir einen Minister“ an. Der Autor und das Mitglied des Bundestages trafen sich im Hotel Königshof, tauschten sich über die Krankheit aus und möchten künftig gemeinsam dagegen ankämpfen. „Auch ich habe einen Parkinsonfall in meiner Familie. Daher finde ich es super, was Sie machen. Ihr Buch wird vielen Menschen helfen, Betroffene besser zu verstehen“, so der Gesundheitsminister zu Schumann. Zudem möchte er Schumanns Ausstellung „Parki und ich“ in absehbarer Zeit nach Berlin holen.
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