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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Ich verspreche, nicht locker zu lassen"
Andreas Lotte beantwortet die Fragen unserer Leser
München und die Region boomen. Die Menschen profitieren von der guten wirtschaftlichen Lage. Der andauernde Zuzug sorgt dafür, dass in Zeiten spürbaren Fachkräftemangels die Lücken in der Region nicht so weit aufreißen wie andernorts. Doch wer Fachkräfte halten will, muss diesen bezahlbaren Wohnraum bieten. Wohnen darf nicht so teuer sein, dass junge Leute keine Perspektive sehen, eine Familie zu gründen. Aber wie lässt sich bezahlbarer Wohnraum schaffen? Wie kann man Mieter effektiv schützen? MdL Andreas Lotte hatte Leser der Wochenanzeiger eingeladen, an einer Plenarsitzung im Landtag teilzunehmen. Die wichtigsten Fragen unserer Leser beantwortet Andreas Lotte hier:
"Ein Stadt wie Augsburg kommt dazu"
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Was, wenn vieles anders kommt? Wenn die Prognosen des zunehmenden wirtschaftlichen Wachstums für die Region München nicht eintreten – wenn sich z.B. durch die Digitalisierung / Globalisierung Beschäftigung und Lebensbedürfnisse verändern? Könnte es dann nicht sein, dass in zehn Jahren aufgrund des jetzigen Baubooms Wohnungsleerstände vorhanden sind?
Andreas Lotte: Alle Prognosen gehen im Moment davon aus, dass bis 2030 weit über 200.000 Einwohner hinzukommen werden – das wäre also eine Stadt wie Augsburg. Deswegen muss der Freistaat Bayern und die Stadt München massiv in die Wohnraumförderung investieren, damit nicht nur mehr, sondern vor allem auch bezahlbarer Wohnraum entsteht. Doch Förderprogramme und Bauprojekte sind selten länger als fünf Jahre in die Zukunft geplant. Sollte der Zuzug schlagartig abnehmen, könnten wir damit den bereits bestehenden Wohnungsmangel beheben. Ich halte die Gefahr von enorm weitersteigenden Mieten durch zu wenig Wohnraum jedoch für deutlich größer.
"Mieter im Wohnungsbestand besser schützen"
Der Wohnungsbau in München ist seit Jahrzehnten ein großes Problem, bekanntlich fehlt es an günstigem Wohnraum. Die Lösung soll durch immer mehr Wohnungsbau erfolgen. Nun ist München bereits die dichtest besiedelte Stadt Deutschlands, wir haben hohe Luftschadstoffwerte, überfüllte öffentliche Verkehrsmittel und Straßen, dabei immer weniger Grünflächen und Gartenstadtanteile. Denn es wird gebaut und verdichtet in einem atemberaubenden Tempo. Sogar auf den Denkmalschutz wird keine Rücksicht genommen, wie sich gerade in Giesing gezeigt hat. Trotzdem steigen die Immobilienpreise immer weiter.
Daher meine Frage an Sie - können Sie sich eine andere Lösung vorstellen, als zu bauen? Man muss den Zuzug nach München nicht fördern und könnte stattdessen andere Städte, die unter dem Rückgang der Bevölkerung leiden, verstärkt unterstützen. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?
Andreas Lotte: Ich kann die Skepsis gegenüber dem Neubau ein Stück weit verstehen. Wir werden daran aber nicht vorbeikommen. Schließlich wird der Zuzug nach München weitergehen. Hören wir auf zu bauen, steigen die Mietpreise und es besteht die Gefahr, dass alteingesessene Münchnerinnnen und Münchner weiter aus der Stadt verdrängt werden. Diese Entwicklung will niemand haben.
Dennoch sprechen Sie einen sehr wichtigen Punkt an. Es gilt nicht nur den Neubau zu fördern, sondern auch die Mieter im Wohnungsbestand besser zu schützen und ihre Rechte zu stärken. Zum Beispiel ist eine Verbesserung der Mietpreisbremse wichtig. Auch die Umwandlung von Eigentums- in Mietwohnungen muss stärker reguliert werden. Auf Landesebene habe ich mich zuletzt dafür eingesetzt, dass das gewerbliche Vermieten von Wohnungen an Touristen besser bekämpft werden kann, um damit den Mietmarkt zu entlasten. Leider scheitern weitergehende Maßnahmen oft an der CSU-Mehrheit im Landtag oder an der Union in der Bundesregierung.
Zu ihrem Vorschlag, Städte, die unter einem Rückgang der Bevölkerung leiden, zu fördern, stehe ich sehr positiv. Die SPD setzt sich für die Angleichung der Lebensverhältnisse in ganz Bayern ein. Auf unsere Initiative hin hat die Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“ ihre Arbeit aufgenommen. Dabei geht es um Lösungsstrategien, die auch im Interesse Münchens sind, wie man an dem Thema Wohnungsmangel sehen kann.
"Ich empfehle jedem Mieter, Mitglied im Mieterverein zu werden"
Der Mietspiegel wird häufig falsch verwendet, um horrende Mieten zu rechtfertigen. Mietverträge wälzen oft die Verantwortung des Vermieters auf Mieter ab, mit teilweise schon lange unrechtmäßigen und unwirksamen Klauseln. Vermieter und Makler befinden sich in einer Machtposition gegenüber Wohnungssuchenden, die manche ausnutzen. Wieso gibt es keine Institution, die den Mietmarkt auf nicht rechtmäßige Machenschaften überprüft?
Andreas Lotte: Ja, es gibt unter den Vermietern schwarze Scharfe, die mit üblen Methoden versuchen, das meiste Geld herauszuholen. Die Gerichte Bayerns sind natürlich eine wichtige Institution, um Mietern zu ihrem Recht zu verhelfen. Ich verstehe aber natürlich, wenn jemand da unsicher ist und nicht immer gleich vor Gericht ziehen will. Ich empfehle daher jedem Mieter, Mitglied im Mieterverein zu werden. Dort wird man bei rechtlichen Problemen wie z. B. dem Mietspiegel hervorragend beraten und ggf. unterstützt. Außerdem bietet die Stadt München eine kostenlose Mietberatung für Fragen zu diesen Themen an.
Für die aller schlimmsten Fälle des Machtmissbrauchs durch Vermieter fordere ich seit längerem ein Wohnraumaufsichtsgesetz wie in anderen Bundesländern. Das würde den Kommunen bessere Eingriffsmöglichkeiten verschaffen, dreisten Vermietern das Handwerk zu legen. Ein solches Gesetz gab es bereits in Bayern. Es wurde aber von der Staatsregierung abgeschafft und auch der SPD-Gesetzentwurf zur Einführung eines neuen Gesetzes wurde abgelehnt. Ich verspreche aber, an dieser Stelle nicht locker zu lassen.
"Die Beteiligung der Bürger ist äußerst wichtig"
Was für Vorschläge hat Herr Lotte (bzw. die bayerische SPD), dass trotz beschleunigter Planungsprozesse, Ideen und Anregungen der Bürgerschaft nicht zu kurz kommen? Stichwort: Beteiligung.
Andreas Lotte: Die Beteiligung der Bürger ist äußerst wichtig. Sie bietet die Chance, tolle Ideen und die Energie der Bürger aufzunehmen. Außerdem können so Fehlplanungen vermieden werden. Dazu gilt es natürlich, sehr frühzeitig zu informieren. Am besten wäre es, wenn bereits die Bezirksämter die Meinungen der Anwohner schon vor der Planung berücksichtigen. Dabei ist es wichtig, sich nur auf realistische Handlungsspielräume der Bürger zu konzentrieren. Das spart Zeit und verhindert späteren Frust. Dann ist die Bürgerbeteiligung für alle ein Gewinn.
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