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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Heinz Bosl, Solotänzer an der Bayer. Staatsoper München, ein berühmter Untermenzinger
Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet
Wenn man in den langjährigen Aufzeichnungen des geschichtskundigen Untermenzinger Zeitzeugen Max Eschenweck nachliest, gab es in unserem Stadtteil unter einigen anderen Berühmtheiten einen Tänzer Heinz Bosl. E. Rudolph schrieb in seinem neuen Stadtteilbuch im Kapitel „Kirchen und Pfarreien" in einem kleinen Abschnitt „Gräber namhafter Persönlichkeiten" auch über den Balletttänzer Heinz Bosl (S. 131). Am 23.09.2013 erschien in der SZ zu H. Bosl ein Artikel von Gudrun Passarge unter dem Titel „...dieses totale Geben". In meinem Artikel soll vor allem die Entwicklung dieses einmaligen Untermenzinger Künstlers in Kindheit und Jugend dargestellt werden.
Heinz Bosl (Bild 1) ist am 21.11.1946 zwar in Baden-Baden geboren und wohnte bis zu seinem 6. Lebensjahr in Dortmund, zog aber mit seinem Vater Josef (1903-1971), seiner Mutter Emma (1920-2003), seinen noch lebenden Geschwistern Christl (geb. 1940) und Manfred (geb. 1953), nach einem kurzen Aufenthalt bei seinen Großeltern in Pullach, im Jahr 1953 in einen Neubau in Untermenzing ein. Die Mutter stammte aus Baden-Baden, München war die Heimatstadt seines Vaters, der Setzer beim Süddeutschen Verlag war.
Irgendwie war dieses kurze, früh vollendete Künstlerleben der 60er und 70er Jahre, das sicher auch vielen Stadtteilbewohnern nicht bekannt war und ist, aus beruflichen und familiären Gründen an mir vorbeigegangen. Das ist auch ein Grund, mich heute mit ihm näher zu beschäftigen. Freunde, die diese Zeit genauer verfolgen konnten und Heinz Bosl etwa 20mal auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper tanzen gesehen haben, schwärmen nach fast 40 Jahren immer noch von dem phänomenalen und charismatischen Ausnahmetänzer.
Natürlich stellt sich die Frage, warum und wie dieser Junge zum Tanzen kam. Seine Mutter erzählte nach seinem Tode in dem Film von Percy Adlon „Der Tänzer Heinz Bosl", der heute noch im Internet zu sehen oder auch bei „BRmitschnitt" als DVD-Kopie zu kaufen ist, dass man damals bei Abendspaziergängen der Familie in Dortmund oft Rollschuhtänzern zusah und der Vierjährige die Eltern immer wieder quälte, dies lernen zu dürfen. In einem Film sah er Katharina Valente singen und tanzen: Das wollte er dann unbedingt auch. Schon früh spielte er in der Familie bereits am Klavier (Bild 2).
Zunächst kam 1952 Heinz in die damalige Untermenzinger Volksschule in der Pfarrer-Grimm-Str. 1, hatte in St. Martin seine Erstkommunion durfte aber schon, als Neunjähriger, da sein Wunsch, Tänzer zu werden immer stärker wurde, in das Kinderballett der Bayerischen Staatsoper unter Leitung von Kitty Haine-Wirthmiller. Heinz hatte für eine weiterführende Schule keine Zeit, weil ihn die Ballettschule fast ganztägig in Anspruch nahm. Seine Mutter schreibt, dass sein Tag ausgefüllt war mit morgens Schule, nachmittags Ballett, abends Hausaufgaben oder Mitwirken in einer Kinderrolle in vielen Opernaufführungen. „Nach Abschluß der Kinderballettschule musste", so seine Mutter, „die Entscheidung fallen, ob Heinz die Oberschule besuchen und Musik studieren – er war ein sehr begabter Klavierspieler – oder ob er seine tänzerische Ausbildung weiter verfolgen sollte." Klavierunterricht erhielt er nämlich schon früh auf dringenden Wunsch seines Vaters im Trappschen Konservatorium, einer damals bekannten privaten Musikschule, später dann im staatlich genehmigten Waltershausen Seminar.
Bosl entschloß sich ganz für den Tanz und kam in die Elevenklasse von Helen Kraus-Natschewa an der Bayerischen Staatsoper. Heinz Bosl und Gislinde Skroblin waren bald ihre Vorzeigestars. Als jüngster Nachwuchstänzer erhielt der erst 19-jährige Bosl einen Vertrag als Solotänzer an der Bayerischen Staatsoper. Seine Mutter: „Damit begann für ihn ein arbeits- und entbehrungsreiches Leben." Seine Karriere: mit acht Jahren ins Kinderballett, mit 16 Jahren das Abschlussexamen, mit 17 Gruppentänzer, mit 18 Halbsolist und mit 19 Solist!
1968 wird in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung der erst 22-Jährige geschildert als „sehr schlank, sehr behend, sehr lustig, sehr versiert – und wenn nicht alles täuscht, so ist mit Heinz Bosl, dem jüngsten Solotänzer der Bayerischen Staatsoper, ein neuer Stern am Münchner Balletthimmel aufgegangen". Privat fuhr er damals mit großer Begeisterung seinen Karman Ghia, wenn er von der Bühnenarbeit zu seinen Eltern in den äußersten Westen Untermenzings heimbrauste. Auch privat ein Bayer: Bier war nach Aussage der Mutter sein Lieblingsgetränk. Als Balletttänzer!
1965-1974 waren seine großen Jahre: Tanz war sein Leben. Im Filminterview sagte er, dass Talent, Glück und Ehrgeiz den erfolgreichen Tänzer ausmachten. Heinz Bosl war nicht nur ein begnadeter Tänzer, er hatte Glück, weil er auf den bekannten Choreografen John Cranko traf und er hatte Ehrgeiz, der sich in seiner eisernen Disziplin und hartem, entbehrungsreichen Training zeigte.
Er tanzte mit Margot Werner (geb. 1937), seiner langjährigen Freundin, die im Jahr 2012 ein tragisches Ende fand. Er tanzte mit Konstanze Vernon (geb. 1940), Primaballerina seit 1963 und im Jahre 2013 auch verstorben, seine großen Partien. Er tanzte mit der Britin Margot Fonteyn (geb. 1919!), mit der er 1973 die internationale Bühne betrat und begeistert gefeiert wurde. Er tanzte immer, überall mit jeder Partnerin und allein einfach phantastisch (Bild 3, Ausschnitt). Er tanzte am 17.04.1975 zum letzten Mal, zusammen mit Margot Werner, dem späteren Chanson- und Showstar, vor den Kameras in den Bavaria-Studios.
„Er sah bereits aus wie ein schmaler Engel. Ich wusste schon, dass er keine Überlebenschance hatte. Nur er war ahnungslos", sagte später Margot Werner (Bild 4) zur AZ. Die Krankheit, vermutlich Lymphdrüsenkrebs, war schon vier Jahre vorher ausgebrochen und nur wenige Eingeweihte wussten Bescheid, dass Heinz Bosls Lebenszeit begrenzt war. Er selbst wusste angeblich davon nichts. „Am Morgen des 12. Juni 1975", so der damalige Direktor des Balletts der Bayerischen Staatsoper Dieter Gackstetter, „während der Schlussprobe zur bevorstehenden Eröffnungspremiere der Münchner Ballettfestwoche ereilte uns die erschütternde Nachricht vom Tode unseres geliebten Freundes und Kollegen Heinz Bosl. Unter einem tiefen Schock stehend, konnten und wollten wir alle das Unwiderrufliche, Unfassbare nicht wahrhaben und nicht begreifen: Heinz, der wundervolle Mensch, der phantastische Tänzer, dessen phänomenale Kunst unser Ensemble entscheidend geprägt hat, sollte niemals mehr für uns und unser Publikum tanzen?"
Bosl wurde im Familiengrab der Bosls im Parkfriedhof Untermenzing (Bild 5) unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und vieler Prominenter aus Kunst und Kultur beigesetzt. Die Grabrede hielt Dr. G. Rennert, der Intendant der Bayerischen Staatsoper. Im Jahr 1978, drei Jahre nach dem Tod ihres kongenialen Tanzpartners Heinz Bosl, gründete Konstanze Vernon die Heinz-Bosl-Stiftung, jene Ballettakademie, die die bayerische Landeshauptstadt zu einer internationalen Ballettmetropole aufsteigen ließ.
Wer durch diesen Artikel weiteres Interesse an Heinz Bosl hat, sollte sich nicht nur den höchst beeindruckenden Film von Percy Adlon ansehen, sondern auch nach dem mit vielen Bilden von berühmten Ballettfotografen, wie z.B. Hannes Kilian, reich ausgestatteten, aber schon länger vergriffenen Bildband „Heinz Bosl" (1975) von Max Niehaus fragen.
Auch leben zwei mir bekannte Frauen noch in München, – Irene Steinbeißer, die zusammen mit Bosl im Kinderballett war, und Elaine Underwood, die viele klassische Rollen mit Bosl tanzte.
Für die vielen Fotos aus dem Familienarchiv, die ich hier leider nicht einbringen konnte, bedanke ich mich bei Bosls Schwester und Schwager, die mir im Elternhaus in Untermenzing in sehr persönlichen Gesprächen auch einen Einblick in Bosls Privatleben gewährten.
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