"Der VdK ist ein wichtiger Gegenpol"
Sozialverband stemmt sich gegen Spaltung der Gesellschaft
"Das Vertrauen der bayerischen Bevölkerung in den VdK ist groß." So würdigte Staatssekretär Georg Eisenreich beim Haderner Dorffest den Sozialverband. Die Regierung ihrerseits treibe neben der Inklusion die Barrierefreiheit voran. Nicht nur bauliche Maßnahmen seien nötig, sondern auch der Abbau von Barrieren in den Köpfen, so Eisenreich. Man sei auf dem Weg - aber noch längst nicht am Ziel. Der VdK spiele hier als Impulsgeber eine große Rolle: "Der VdK wird gebraucht. Er darf und muss unbequem sein", sagt Eisenreich. Und das hat der 70-jährige Verband auch vor. Die Bundestagswahl begleitet er mit großen Veranstaltungen, deren Auftakt der Nachmittag in Hadern war, und seiner Kampagne "Die soziale Spaltung stoppen".
"Der VdK will eine gerechtere und solidarische Gesellschaft", erklärte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Die Kluft zwischen Arm und Reich wachse. Zunehmend gebe es radikale Strömungen, die sich immer stärker demokratiefeindlich zeigen. "Der VdK bildet hier einen wichtigen Gegenpol", unterstrich Mascher, "er trägt zur Stabilität unserer Demokratie und unseres sozialen Rechtsstaates bei".
Trotz guter Wirtschaftsdaten seien in Bayern fast zwei Millionen Menschen von Armut bedroht. Dazu gehöre auch die Altersarmut, in der sich das Erwerbsleben spiegle: Für Geringverdiener, Minijobber, Hartz-IV-Empfänger oder Solo-Selbständige sehe es im Alter finanziell oft düster aus, fasste Mascher zusammen. Deshalb müssen prekäre Beschäftigungsverhältnisse eingedämmt werden, um den Menschen eine gute Rente zu ermöglichen.
"Hier muss anders gerechnet werden"
Immer mehr Menschen seien gegenwärtig aber auf Grundsicherung angewiesen. Diese reiche mit 430 Euro im Monat in München nicht aus. Viele alte Menschen nehmen die Grundsicherung zudem gar nicht in Anspruch - und sie werde unrealistisch berechnet, klagte Mascher: Der Anspruch werde auf der Grundlage eines gesunden 30-Jährigen beziffert, passe aber nicht auf die Bedürfnisse eines kranken, alten Menschen, der z.B. Geld für Medikamente braucht: "Hier muss dringend anders gerechnet werden", verlangte Mascher.
Sie erinnerte indes auch an Fortschritte bei der Pflege - die neue Einteilung in Grade habe dazu geführt, dass heuer rund 129.000 Menschen erstmals Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Aber: Neben finanziellen Mitteln sind auch Fachkräfte nötig, die die Pflege übernehmen. Diese Fachkräfte müssen besser bezahlt, ihre Arbeit besser anerkannt werden, so Mascher. Auch die pflegenden Angehörigen hat der VdK im Blick. Er fordert für sie eine steuerlich finanzierte Lohnersatzleistung - analog zum Elterngeld. Nur so können Angehörige Teilzeitarbeit und Pflege nebeneinander bewältigen.
"Wir brauchen keine schicken Wohnungen"
"Bei uns wird nicht nur geredet, sondern gehandelt. Das ist die Stärke des VdK", sagte Verena Bentele. Sie ist die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und im Landesvorstand des VdK tätig.
Bentele sprach das Thema Wohnen an - die Frage sei im unaufhörlich wachsenden München für alle existentiell, speziell für Menschen mit Behinderung und für alte Menschen. Um den Zuzug bis 2022 zu bewältigen, müssten 160.000 neue Wohnungen entstehen. "Wir brauchen keinen schicken und nobel sanierten Wohnraum, sondern bezahlbaren und barrierefreien", sagte Bentele. Unter den 1,5 Millionen Münchnern seien gegenwärtig 150.000 Menschen behindert. 265.000 Münchner seien älter als 64 Jahre. "Sie alle brauchen barrierefreien Wohnraum, um ihr Leben wie alle anderen auch nach eigenen Wünschen sebstbestimmt gestalten zu können", so Bentele. Für Menschen mit Behinderung sei es in München jedoch nahezu aussichtsslos, eine Wohnung zu finden. Weil gleichzeitig der Bestand an Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, können sich immer mehr Menschen Wohnen in München nicht mehr leisten.
"München muss eine Stadt für alle bleiben"
Davon seien erst recht diejenigen betroffen, die nur durchschnittliche Renten oder Einkünfte haben. Knapp jeder fünfte Münchner sei armutsgefährdet, so Bentele. Wer weniger als 1.350 Euro im Monat zur Verfügung hat, gilt in München als arm - und das sind viele Rentner: Der Durchschnittsrenter in der Stadt bekommt aktuell 1.005 Euro (Männer) bzw. 707 Euro (Frauen).
"München muss eine Stadt für alle bleiben", forderte Bentele. "Das kann nur funktionieren, wenn alle, die ein Leben lang gearbeitet haben, am Ende nicht mit einer Rente unterhalb des Grundsicherungsniveaus abgespeist werden." Die Rente müsse zum Leben reichen. Wie Mascher wies Bentele darauf hin, dass man für dieses Ziel schon weit vorher, im Arbeitsleben, die Weichen stellen müsse: "Prekäre Beschäftigunsgverhältnisse müssen endlich eingedämmt werden!"
Sich einmischen
„Wir werden den Politikern, die sich für den Bundestag bewerben, auf den Zahn fühlen“, verspricht Verena Bentele. Dazu lädt der VdK im Juli zu sieben Großveranstaltungen zur Bundestagswahl in ganz Bayern ein.
Am Freitag, 21. Juli, ist der VdK um 14.30 Uhr in der Stadthalle Germering präsent.
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