"Zur grünen Eiche" - Vom Wirtshaus zum Reihenhaus (I)
Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet
In meinem Rückblick „Das Angerlohstüberl“ habe ich geschrieben, dass wir 1971 aus Schwabing in eine Untermenzinger Reihenhaussiedlung gezogen waren, die 1969 in einen Ausläufer der Angerlohe, eine Fläche mit einem kräftigen Eichen- und Buchenbestand, hineingebaut worden war.
Meine jungen Nachbarn erzählten mir damals von einem vielbesuchten Wirtshaus „Zur grünen Eiche“ und einer Schützengesellschaft, die dort lange Jahre beheimatet war (Bild 1). Bei diesem Wirtshaus scheint es sich um einen besonders weitläufigen gesellschaftlichen Anziehungspunkt gehandelt zu haben. So „parkten“ manchmal auch Lokomotiven von Krauss-Maffei auf Probefahrt vor der „Grünen Eiche“, wenn sich der Lokführer und sein Heizer in der Wirtschaft schnell eine Maß genehmigten. Zum leeren Führerstand gibt es einige Fotos. Aber auch die erste allgemeine Bürgerversammlung Untermenzings fand in der „Grünen Eiche“ im Jahr 1949 statt. Nach vielen Gesprächen mit alten „Einheimischen“, die die Wirtschaft „De grea Oach“ nannten, und einigen Recherchen im Stadtarchiv kann ich hier einen größer angelegten Beitrag zur „Wirtschaftsgeschichte“ unseres Stadtteils bringen. Dieser sei vor allem den alten und neuen Anwohnern der Grandauerstraße gewidmet.
An den Anfang meiner Ausführungen stelle ich ein Bild aus alten Tagen, das mir ein geborener und in der Nähe der Gastwirtschaft groß gewordener Untermenzinger freundlicherweise aus seiner „Schatzkiste“ zur Verfügung gestellt hat. Mit diesem Bild (2) im Kopf, das einen ersten Eindruck hinterließ, konnte ich mich dann in den Akten des Stadtarchivs wesentlich leichter zurechtfinden. Inzwischen kenne ich die Geschichte des Lokals von den Anfängen bis zum Abriss, kenne die Besitzer und häufig wechselnden Pächter, die ersten Umbau- und Erweiterungspläne, die zunehmende Größe des Biergartens, die Probleme der Schützengesellschaft, die „Hakeleien“ mit benachbarten Wirten, den Bierumsatz und viele interessante Einzelheiten, die hier leider nicht alle angeführt werden können, aber in meinen Akten und Dateien schlummern.
Die Schützengesellschaft, die ursprünglich Georg Trinkl’s Sommerwirtschaft als Vereinsgaststätte hatte, baute 1903, nach nicht enden wollenden Auseinandersetzungen mit Trinkl, direkt nebenan auf ihrer Sommerschießstätte ein Vereinshaus und errichtete in diesem eine Wirtschaft für Vereinsmitglieder (Bild 3).
Am 27.02.1904 erhoben die Gastwirte Trinkl und Gregor Obermair, der am Allacher Bahnhof die Bahnrestauration betrieb, Einspruch gegen die Erteilung einer Wirtschafts-Konzession an die Schützengesellschaft „Zur grünen Eiche“ in Untermenzing Nr. 45. Die beiden Wirte befürchteten, dass die Schützengesellschaft aus dem Vereinshaus eine öffentliche Gaststätte machen wolle, und sahen dazu keinen Bedarf, da das Vereinshaus an keiner öffentlichen Straße, sondern abseits an einem sehr wenig benutzten Feldweg lag. Auch befürchteten sie die Abgabe von Bier an Nicht-Vereinsmitglieder. Dem ausgesprochenen Verbot mußte der erste Pächter Franz Loibl, der 1892 die Gastwirtschaft „Zur Dampfsäge“ im westlichen Teil Untermenzings betrieb, nach einem umfangreichen Schriftwechsel der Jahre 1903/04 nachkommen. Höchst interessant und sehr einfühlsam liest sich eine Schilderung des neuen Vereinshauses aus ungenannter Hand: „Die Wirtschaft des Schützenvereins ist schön und einladend gebaut, die innere Einrichtung sauber und reinlich, während die Trinkl’sche Waldschenke frei dasteht und einen Schutz für Wind oder Luftzug nicht leistet. Es verkehren von Nymphenburg her gegen den Allacher Forst der Allacher Bahnstrecke entlang sehr viele Spaziergänger, welche gar nicht nach Untermenzing kommen, sondern in der Waldschenke Erfrischungen einnehmen, weil die Trinkl’sche wenig einladend sei.“ Das zeigte sich auch im Bierverbrauch der Trinklwirtschaft, der von ca. 800 hl im Jahre 1900 bis 1904 um etwa zwei Drittel zurückging.
Schon im Jahre 1906 unter dem Pächter Karl Glasbrunner, der früher Metzger und Kellner und nun Nachfolger von Loibl war, hat das Lokal ein großes Gastzimmer, einen großen und einen kleinen Nebenraum, eine beheizbare Kegelbahn und einen Garten für 1000 Personen (Bild 4). Im September 1908 wird Herr Josef Madl, Oberinspektor der Münchner Rückversicherung, als Besitzer des Schützenheims „Grüne Eiche“ genannt. Madl bittet laut Prot. v. Oktober 1909 um Erteilung der Konzession zum Betriebe seiner Gastwirtschaft, da das Pachtverhältnis von Glasbrunner zum 01.10.1909 ende. Im März 1910 stellte er dann einen ausführlich begründeten Antrag mit Hinweis auf den höheren Bierverbrauch, den Verkehr der Arbeiter der Firmen Kirsch & Söhne, Bayerische Stahlgießerei und Diamalt, die vorhandene Schießhalle, die in einen 400 qm großen Saal für Versammlungen ausgebaut worden sei, die im ersten Stock eingerichteten und an Arbeiter vermieteten Fremdenzimmer, die für Passanten eingerichteten zwei weiteren Zimmer. „Durch die Lage meines Anwesens im Eichen- und Buchenwald, durch meine ausgedehnte Bekanntschaft im Münchner Publikum und in den Vereinen kann ich der Gemeinde durch großen Bierverbrauch bedeutende Summen durch den Bierpfennig zuführen“, lautete sein stolzer Hinweis. Madl, der von seiner Frau getrennt lebte, trat nach der erteilten Konzession bald wieder in den Hintergrund. Nachdem er seither bereits 1.000 Reichsmark anderweitig verbaut hatte, stellte er im April 1911 den Antrag auf Einbau einer Kaminanlage in seinem Anwesen, der jedoch wenige Monate später vom Kgl. Bezirksamt abgelehnt wurde, weil „die ganze Bauanlage aus Holz hergestellt ist, ohne Fachwerkausmauerung und ohne Weißdecken“ und deshalb Brandgefahr bestehe. Die gesamte Anlage hatte sich inzwischen, wie aus Bild 4 und diesem Lageplan (Bild 5) ersichtlich ist, auf das ganze Gelände ausgedehnt und soll über 3000 Besuchern Platz gewährt haben. In einem Schreiben ist sogar von 4000 die Rede, was aber unwahrscheinlich scheint.
Madl verpachtet die Wirtschaft an Xaver Niebauer, den man als tüchtigen Wirt schätzte und seine Frau als umtriebige Köchin. Inzwischen war die Wirtschaft für die Gemeinde Untermenzing immer mehr zu einer hervorragenden Einnahmequelle geworden. Aber wieder steht ein weiterer Pächterwechsel an. Der vorgesehene Gastwirt Michael Grill, der aus Straubing ein kleines Vorstrafenregister wegen groben Unfugs, Körperverletzung, Waffentragen, Polizeistundenübertretung u.a.m. hatte, will die Pacht in Höhe von 2600 Mark von Madl übernehmen. Da die Konzessionserteilung an verschiedene bauliche Veränderungen gebunden war, verzichtet Grill auf die endgültige Erteilung. Wie groß das gesamte Gebäude ist, erfahren wir aus dem Antrag des neuen Interessenten Max Santl, der angibt, dass ihm zur Verfügung stehen: ein Gastzimmer, ein Nebenzimmer, eine Küche, ein Keller, zwei Kegelbahnen, ein Wirtsgarten für 4000 Gäste (?), zwei Herren- und Damenaborte, vier Zimmer für die Familie und drei Zimmer für Dienstboten. Aber auch Santl bleibt nur Episode, weil Madl im März 1912 den Antrag stellt, seiner Cousine Maria Sixt, geb. Hofmeister die Pacht zu übertragen, da Santl familiäre Zerwürfnisse habe. Nachdem auch in diesem Falle Vorstrafen wegen Beleidigung und Waffentragens geklärt werden mußten, wurde die Erlaubnis erst im Juli des Jahres erteilt. Nun kommen wir in eine Zeit längerer Pächtertätigkeit.
Teil II folgt in einer der nächsten Ausgaben.
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