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"Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass unsere direkte Umgebung leiser und sauberer wird"

Studenten der TUM wollen die schnellste Tunnelbohrmaschine der Welt bauen

60 Köpfe aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen arbeiten zusammen, um den Wettbewerbssieg nach München zu holen. (Bild: Studenteninitiative TUM Boring – Innovation in Tunneling e.V. i. Gr.)

Eine 60-köpfige Studenteninitiative der Technischen Universität München entwickelt eine neue Tunnelbohrmaschine: Als Team "TUM Boring - Innovation in Tunneling" nimmt sie an dem von Elon Musk weltweit ausgerufenen Wettbewerb "Not-a-boring-competition" teil. Dabei geht es um die Entwicklung, die Fertigung und die Inbetriebnahme eines Prototypen für eine innovative Tunnelbohrmaschine mit einem Durchmesser von 0,5 m. Die Münchner werden wie alle anderen Teams im Frühjahr 2021 ihre Maschine nach Kalifornien transportieren, um dort unter Wettbewerbsbedingungen einen 30 Meter langen Tunnel zu bohren. Wer schafft das am schnellsten? Die Studenteninitiative TUM Boring – Innovation in Tunneling e.V. i. Gr. erklärte im Gespräch mit Johannes Beetz ihr Vorhaben.

 

"Auf längere Sicht sollte auch der Bürger profitieren"

Viele Bürger sind genervt, wenn gefühlt „schon wieder“ eine Straße aufgegraben wird, um Leitungen zu erneuern. Könnte Ihre „Bohrmaschine“ solche Arbeiten eines Tages einfacher machen?

Studenteninitiative TUM Boring: Da muss man unterscheiden: Kurzfristig werden wir den Bürgern diese Frustration nicht nehmen können. Unsere Maschine ist schließlich speziell an die Anforderungen des Wettbewerbs angepasst. Mittelfristig können aber hoffentlich manche unserer Ideen weitergeführt werden und zu Verbesserungen führen. Zudem fördert unser Projekt Aufmerksamkeit und Innovation innerhalb der Branche. Von diesen Qualitätssteigerungen sollte auf längere Sicht auch der Bürger im Alltag profitieren.

"Oft kostengünstigere Tunnelbauweise"

In München wird ja gerade mit einem immensen Aufwand – und viel Zeit – der Tunnel für die zweite S-Bahn-Stammstrecke gebaut, der ähnlich wie die Mittleren-Ring-Tunnel ja nicht gebohrt, sondern gegraben wird. Wofür ist Ihr Modell geeignet? Wie kann man sich künftige Einsatzgebiete vorstellen?

Studenteninitiative TUM Boring: Grundsätzlich unterscheidet man zwischen der offenen und der bergmännischen Bauweise. Bei ersterer wird eine Baugrube ausgehoben und von der Oberfläche aus bearbeitet. In der bergmännischen bzw. geschlossenen Bauweise wird dagegen unter Tage gebohrt. Dabei kommt dann unsere Maschine zum Einsatz. Die Anwendung und Vorteile der beiden Verfahren hängt natürlich von den geologischen Gegebenheiten ab. Bei großer Überdeckung wird „unsere“ geschlossene Bauweise bevorzugt angewandt. Der Einsatz von Tunnelbohrmaschinen wie unserer ermöglicht allgemein gesprochen eine stärker automatisierte und oft kostengünstigere Tunnelbauweise.

"Die Maschine arbeitet im Zweifelsfall einfach exakter"

Ziel des Wettbewerbs ist Schnelligkeit – schneller bohren als eine Schnecke kriecht. Der wirtschaftliche Vorteil von Schnelligkeit liegt auf der Hand. Wenn ich durch einen Tunnel fahre, hoffe ich aber eher, dass er sicher ist, als dass er „billig“ war. Wie „sicher“ ist „schnell“ – und wie steht es z.B. um die Nachhaltigkeit?

Studenteninitiative TUM Boring: Das stimmt natürlich, die Sicherheit steht auch für uns über allem! Dieses Hauptziel widerspricht der Schnelligkeit aber nicht. Im Gegenteil: Durch die Automatisierung wird die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler auftreten, im Vergleich zu Verfahren, die mehr manuelle Arbeit erfordern, reduziert. Einfach und zugespitzt ausgedrückt: Die Maschine arbeitet im Zweifelsfall einfach exakter.

Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig. Die Verlagerung des Transports unter die Erde, zu der unser Projekt beiträgt, führt zu einer Entzerrung des Verkehrs. Neue Flächen werden frei, diese können begrünt werden. Insgesamt wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass unsere direkte Umgebung leiser und sauberer wird, und Innenstädte für Fußgänger und Radfahrer durch verminderten Autoverkehr an Attraktivität gewinnen.

"Die Lebensqualität der Menschen verbessern"

Wir haben nicht in München viele U-Bahn- und Straßentunnel gebaut und die nahen Alpen sind fast so durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Gibt es also nicht längst alles, was man fürs Tunnelbohren braucht? Was kann ein junges studentisches Team in diesem Bereich „neu erfinden“?

Studenteninitiative TUM Boring: Aus den vorher genannten Gründen sind wird der Überzeugung, dass jeder Tunnel die Lebensqualität der Menschen in den Bereichen der Mobilität, der Sicherheit, der Ruhe und des verminderten (überirdischen) Verkehrsaufkommens erhöhen kann. Auch wenn wir das Rad sprichwörtlich nicht neu erfinden können – die Tunnelbau-Industrie ist gerade in Deutschland sehr fortschrittlich – sind wir überzeugt, dass durch mehr Automatisierung weitere Effizienzsteigerungen möglich sind. Wir bitten gleichwohl um Verständnis, dass wir technische Details im laufenden Wettbewerb nicht veröffentlichen können. Unser Projekt soll außerdem Menschen für das Thema „Tunnelbau“ begeistern und Aufmerksamkeit generieren, wovon die Branche als Ganzes profitiert.

"Offen sein, Neues zu lernen"

In Ihrem Team arbeiten Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammen, die sonst nicht ständig aufeinandertreffen: Bauingenieur und Raumfahrttechniker, Physiker und BWL-Studenten. Jeder muss für den gemeinsamen Erfolg also auch mal über den eigenen Tellerrand blicken. Was kann man voneinander lernen? Und was ist das „Überraschendste“, das Sie aus einer anderen fremden Fachrichtung mitgenommen haben?

Studenteninitiative TUM Boring: Richtig, unser Team ist sehr divers und darauf sind wir stolz! Bei uns ist es auf jeden Fall wichtig, eine gewisse Neugierde für andere Bereiche mitzubringen und damit auch offen zu sein, Neues zu lernen. Das technische Team hat beispielsweise eine technische Einführung für die Mitglieder, die sich stärker im Bereich Marketing & Media, Sponsoring, IT, Recht oder Finanzen engagieren, vorbereitet. Das war toll und wichtig, denn jede und jeder sollte ein Verständnis davon haben, was wir eigentlich machen. Es war erstaunlich zu sehen, wie gut wir uns ergänzen und was für ein Vorverständnis wir trotz unserer unterschiedlichen Schwerpunkte jeweils mitbringen.

"Wir sind auf einem guten Weg"

Was ist die größte Herausforderung bei diesem Projekt? Und auf welche Leistung Ihres Teams sind Sie besonders stolz?

Studenteninitiative TUM Boring: Das ganze Unterfangen ist wahnsinnig komplex. Die Zeit ist knapp, aber wir glauben, sehr weit zu sein! Unsere Größe ist zudem eine Herausforderung: Wir sind über 60 Mitglieder mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten, da ist die teaminterne Kommunikation teilweise kein leichtes Unterfangen. Die Corona-Beschränkungen haben ihr Übriges dazu getan.

Wir sind stolz drauf, trotzdem so gut miteinander zu arbeiten und durch virtuelle Veranstaltungen einen echten Team-Spirit entwickelt zu haben! Stolz sind wir außerdem auf die Unterstützung von akademischer und industrieller Seite. Hervorzuheben ist der Präsident der Technischen Universität München, Herr Prof. Dr. Thomas Hofmann, den wir als unseren Schirmherrn gewinnen konnten, und natürlich durch Zeitungsartikel wie diesen. Als studentisches Team sind wir aber auf Sponsoren und externe Partnerschaften angewiesen, die uns in diesem Projekt unterstützen wollen. Unser Preliminary Design (technischer Entwurf) wurde von den Initiatoren des Wettbewerbs schon angenommen: Das war und ist ebenfalls ein Meilenstein. Wir sind auf einem guten Weg!

"Natürlich sind wir neugierig"

Wissen Sie, gegen welche Teams Sie im Wettbewerb antreten? Wie viele Konkurrenten gibt es, woher kommen diese? Wir drücken natürlich „unserem“ München-Team die Daumen – welches Ergebnis erhoffen Sie sich selbst?

Studenteninitiative TUM Boring: Wir bekommen voraussichtlich erst nächstes Jahr eine Liste mit den Finalisten. Aktuell finden wir nur sehr wenige andere Teams mit Online-Präsenz, z. B. die ETH Zürich. Natürlich sind wir neugierig auf die Konkurrenz. Aber wir wissen auch um unsere Stärken und um die hervorragenden Voraussetzungen des Standortes München. Unsere Uni schneidet bei ähnlichen Wettbewerben oft sehr gut ab, das hat Gründe! Wir rechnen uns also keine schlechten Chancen aus.

Sponsoren sind willkommen

Wir drücken wie gesagt schon mal die Daumen - wie kann man Ihr Team noch unterstützen?

Studenteninitiative TUM Boring: Vielen Dank! Wir sind aktuell auf der Suche nach Sponsoren, die uns auf unserem Weg begleiten möchten. Und sonst freuen wir uns schon, wenn über unser Projekt gesprochen wird. Unsere Email-Adresse lautet: team@tum-boring.com.

 

"Die gesamte TUM steht hinter Euch!"

Prof. Dr. Thomas F. Hofmann, Präsident der TU München und Schirmherr von TUM Boring:

"Die Mobilität der Zukunft ist an der Technischen Universität München bereits Realität. Ich bin begeistert, wie engagiert unsere Studierenden hier an technischen Innovationen arbeiten und sich dabei erfolgreich dem internationalen Wettbewerb stellen. Viermal hintereinander konnten junge Talente aus verschiedenen TUM-Fachbereichen bereits den Hyperloop-Wettbewerb von Elon Musks Firma SpaceX gewinnen. Da ist der Erwartungsdruck beim neuen Wettbewerb Musks natürlich groß. Ziel ist es diesmal, die schnellste Tunnelbohrmaschine der Welt zu entwickeln, um damit die nötige Infrastruktur für den Hyperloop bauen zu können. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt und wünsche unserem Team maximalen Erfolg: Die gesamte TUM steht hinter Euch!"

"Der Platz an der Oberfläche ist endlich"

Prof. Dr. habil. Jochen Filibeck, akademischer Oberrat und Professor am Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau; Faculty Advisor von TUM Boring:

"Ich sehe gerade den innerstädtischen Tunnelbau in der nahen Zukunft als eine der wirklich herausfordernden Ingenieuraufgaben unserer Gesellschaft an, da der Platz an der Oberfläche endlich ist und bereits die obersten Etagen unter der Oberfläche durch Sparten oder aber beispielsweise U-Bahnen und Straßentunnel belegt sind. Unsere Anstrengungen müssen dahin gehen, möglichst sicher und effizient Tunnel zu bauen. Hierzu bedarf es Forschungen und innovativer Lösungen und der Aufruf Elon Musks zum Wettberg 'Not-a-boring-competition' fördert genau dies. Als Mitglied der TU München und zuständig für den Tunnelbau macht es mir große Freude zu sehen, wie sich mit TUM-Boring Studenten aus verschiedensten Fachrichtungen mit großem Engagement und Enthusiasmus diesem Wettbewerb stellen und ich bin überzeugt, dass bei der Bearbeitung innovative Ideen entstehen, die für die Entwicklung des innerstädtischen Tunnelbaus förderlich sind. Dies unterstütze ich natürlich gerne und wünsche TUM-Boring viel Erfolg."


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