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"Wir wollen, dass die Menschen Geld auf dem Konto haben"

Münchens Jobcenter hat sich auf die Krise schnell eingestellt und hilft unkompliziert

Anette Farrenkopf: "Uns ist klar, wie wichtig unsere Fürsorge-Rolle in dieser Krise ist." (Bild: job)

Anette Farrenkopf ist die Geschäftsführerin des Jobcenters München. Im Gespräch mit Johannes Beetz erklärt sie, wie Ihre Mitarbeiter in der gegenwärtigen Ausnahmesituation Kunden zur Seite stehen.

"Der Schutz ist sehr wichtig"

Wie andere Behörden schränken Sie den Publikumsverkehr zum Schutz der Kunden und Mitarbeiter massiv ein.

Anette Farrenkopf: Uns ist ganz wichtig, auch in Krisenzeiten für unsere Kunden da zu sein. Der Schutz unserer Mitarbeiter ist uns sehr wichtig. Wir wollen das Ansteckungsrisiko minimieren. Wir brauchen alle Mitarbeiter an Bord. Der persönliche Kontakt mit Kunden ist daher auf den Notfall begrenzt.

Alle Beratungsgespräche führen wir telefonisch. Jeder Kunde, der bereits einen Ansprechpartner hat, soll sich bitte weiterhin mit diesem in Verbindung setzen.

Um wirklich gut erreichbar zu sein, haben wir eine Hotline geschaltet und die Sprechzeiten ausgedehnt. Die Hotline soll den Kontakt für Neukunden erleichtern, die bisher noch nicht im Jobcenter waren und die sich informieren wollen, ob es Leistungen gibt.

Nicht nur zwischen 9 und 11 Uhr anrufen

Viele Hotlines waren in den ersten Tagen überlastet ...

Anette Farrenkopf: Zur Entlastung haben wir nicht nur eine Hotline, sondern für Neukunden Hotlines in jeder Sozialregion geschaffen. Es gibt nicht nur eine einzige 0800-Nummer, damit der Zugangsweg nicht verstopft wird. In den ersten Tagen der Überlastung war das Telefonieren manchmal schwierig, aber das hat sich eingependelt.

Wir bitten unsere Kunden, nicht nur in der Zeit zwischen 9 und 11 Uhr anzurufen, in der es jeder versucht. Bitte entzerren Sie die Anrufe.

"Darauf konzentrieren wir alles"

Bekommen die Menschen weiter finanzielle Unterstützung?

Anette Farrenkopf: Absoluter Vorrang hat die Gewährung von Leistungen. Das hat jetzt Priorität. Darauf konzentrieren wir alle Kapazitäten unserer Mitarbeiter. Wir wollen, dass die Menschen Geld auf dem Konto haben und den Kühlschrank füllen können.

Dazu haben wir das Verfahren erleichtert. Neuanträge müssen z.B. nicht mehr persönlich zur Prüfung der Identität abgegeben werden. Wenn ein Antrag nicht ganz korrekt eingereicht ist, weil etwa Unterlagen fehlen, bewilligen wir Leistungen trotzdem vorläufig. Wir lassen derzeit Meldepflichten und Sanktionen komplett wegfallen und bewilligen Anträge, bei denen nur eine Verlängerung ansteht, großzügig.

Wir sind für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung da. Das ist uns bewusst. Wir konzentrieren uns darauf, das sicherzustellen. Jeder Kunde kann sich darauf verlassen.

"Wir helfen"

Welche drängenden Anliegen haben die Menschen jetzt?

Anette Farrenkopf: Aufgrund der wirtschaftlichen Situation haben wir viele Anfragen von Neukunden. Das sind z.B. Selbständige, die von Jetzt auf Sofort keine Einnahmen mehr haben. Wir helfen, ihren Lebensunterhalt und die Miete sicherzustellen.

"Der Topf ist nicht leer"

Ist genug Geld da, um die vielen neuen Kunden zu versorgen?

Anette Farrenkopf: Unsere Geldleistungen speisen sich aus Steuern über den Bundeshaushalt. Das sind Pflichtleistungen – wir greifen also nicht in einen gedeckelten Topf, der plötzlich leer ist.

"Viele Dinge kann man online erledigen"

Bleiben jetzt andere Dinge liegen, wenn es vor allem um Geldleistungen geht?

Anette Farrenkopf: Nein. Unsere Kunden können uns unterstützen, indem sie Anträge rechtzeitig stellen und Unterlagen beifügen. Viele Dinge kann man komplett online erledigen, wenn es z.B. um die Verlängerung von Bewilligungen geht. Dazu haben wir das „jobcenter digital“.

"Sie suchen unkomplizierte Lösungen"

Die gegenwärtige Situation ist eine enorme Herausforderung für Ihre Mitarbeiter. Kommen sie nicht an ihre Belastungsgrenzen?

Anette Farrenkopf: Uns ist klar, wie wichtig unsere Fürsorge-Rolle in dieser Krise ist. Allen Mitarbeitern ist das bewusst. Jeder ist engagiert dabei. Alle wollen unseren Kunden zur Seite stehen. Sie packen richtig an und suchen nach unkomplizierten Lösungen.

Wie gut eine Organisation funktioniert, lernt man in einer Krise. Wir haben mit es mit der gesamten Belegschaft geschafft, unsere Prozesse neu festzulegen und in der Praxis umzusetzen. Unsere Leute haben sich fit gemacht, Lernbereitschaft und Flexibilität gezeigt und sich in kurzer Zeit angepasst. Das zeigt, wie gut sie sind und wie gut das Jobcenter funktioniert.

"Das freut mich sehr"

Damit ist Ihre Belegschaft ein Teil von dem, was gerade in unserer Stadt passiert: In der Not wächst der Zusammenhalt ...

Anette Farrenkopf: München ist toll, wenn man sieht, wie überall Nachbarschaftsinitiativen und ehrenamtliche Projekte hochgefahren werden. Das freut mich sehr. Auch wir sorgen uns um manche Kunden, denn nicht jeder von ihnen verfügt über ein gutes soziales Netz, sondern ist auf solche Unterstützung angewiesen.


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