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„Wir sind alle mit Herzblut dabei“

Trauma Hilfe Zentrum München e.V. bietet Hilfe bei Trauma-Folgestörungen

Schon bei Betreten des Hinterhofes der Horemansstraße 8, nachdem man dem Lärm der Nymphenburger Straße entkommen ist, empfängt den Besucher Ruhe. Einen kurzen Augenblick braucht das Gehör, um das Vogelgezwitscher zu vernehmen, man atmet tief durch. Diesen Weg nehmen Menschen, die Hilfe brauchen – und ein offenes Ohr. Ein langer Leidensweg liegt hinter den meisten von ihnen, bis sie gemerkt haben, dass es so nicht mehr weitergeht. Da ist etwas passiert im Leben, ein traumatisches Erlebnis, und das veränderte alles. Den Betroffenen eine erste Anlaufstelle zu geben, ist das Ziel des Trauma Hilfe Zentrums München e.V., kurz THZM.

Die Tür zur Beratungsstelle öffnet Gabriele Heyers, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Die zierliche Ärztin strahlt Ruhe und Kompetenz aus, und man fühlt sich bei ihr sofort wohl. Ebenso in den Räumlichkeiten des Zentrums: warme Farben dominieren, hell und freundlich ist die Atmosphäre. Dem Hilfesuchenden kann so die erste Aufregung genommen werden, das Signal „man ist angekommen“ stellt sich ein. Gabriele Heyers weiß, wie wichtig das für die Betroffenen ist. „Den ersten Schritt zu tun, ist schwer. Viele denken zuerst, da ist was falsch an ihnen, an ihrer Person. Wieso ist gerade mir das passiert? Wichtig ist da die Botschaft, nicht der Betroffene ist „falsch“, sondern das, was ihm passiert ist, ist „falsch“. Ein traumatisches Ereignis kann jedem passieren.“ Die ständig wachsende Zahl der Hilfesuchenden, die beim THZM beraten werden, zeigt dies deutlich. So hat das Zentrum zur Zeit im Schnitt 200 Orientierungsberatungen pro Jahr und etwa 60 Teilnehmer in den Stabilisierungsgruppen.

Die Beratungsstelle wurde im November 2005 gegründet. Fast alle Vereinsmitglieder kommen aus dem psychotherapeutischen oder sozialpädagogischen Beratungsumfeld und bringen ihr Fachwissen mit ein. Gabriele Heyers: „Die Erforschung von Traumata ist ja noch eine relativ junge Wissenschaft, in Deutschland gerade mal ca. 20 Jahre alt. Die Idee, eine Anlaufstelle für Betroffene zu gründen, basiert auch darauf, sich unter Kollegen und weiteren Beratungsstellen besser vernetzen zu können und eine Lücke in der Versorgungslandschaft zu schließen.“ So bietet das THZM in erster Linie Unterstützung und Orientierung für die Betroffenen, um gemeinsam im behutsamen Gespräch herauszufinden, welche Hilfestellung und Behandlungsmöglichkeiten möglich wäre oder zu welchem Facharzt oder an welche Beratungsstelle überwiesen werden sollte. „Wir führen keine Therapie oder Krankenbehandlung durch, sondern haben unseren Schwerpunkt in den Orientierungsberatungen zu den vorhandenen Symptomen und vermitteln den Hilfesuchenden dann an den Spezialisten“, so Gabriele Heyers.

Trauma – was tun?

Doch was ist eigentlich unter dem Begriff Trauma zu verstehen? „Wir unterscheiden zwischen akuten und chronischen Traumatisierungen“, erklärt die Ärztin. Ein Akut-Trauma kann auftreten, wenn man Zeuge einer Katastrophe war, wie das Attentat auf der Wiesn 1980 oder jüngst die Loveparade in Duisburg. Auch Unfälle, Kriege, physische und sexuelle Gewalt hinterlassen Spuren, die eine Trauma-Folgestörung hervorrufen können. Chronisch traumatisierend sind oft Ereignisse wie Missbrauch, Gewaltanwendungen physischer und emotionaler Natur sowie Erfahrungen, die Gefühle von Ausgeliefertsein, Ohnmacht oder Schock beinhalten. Für die Betroffenen ist das Erlebte immer elementar, werden sie doch in ihrem Grundgefühl von Sicherheit erschüttert.

Nicht jeder braucht zwangsläufig Hilfe nach traumatischen Erlebnissen, denn die Selbstheilungskräfte helfen bei einem Akuttrauma in einem Drittel der Fälle, das Erlebte innerhalb einiger Monate ohne anhaltende Folgen zu verarbeiten. Oft glauben Betroffene jedoch zuerst, sie hätten alles im Griff. Das Erlebte holt sie dann immer wieder ein; Symptome wie Konzentrations- und Schlafstörungen, Reizbarkeit, aber auch Panikattacken, Depressionen oder seelisch ausgelöste körperliche Reaktionen können auf Traumafolgestörungen hindeuten. Man kann sich selbst schlecht beruhigen, hat ein niedriges Selbstwertgefühl, wenig Vertrauen in sich und sieht sich außerstande, selbst etwas zu bewirken. Licht ins Dunkel bringt da ein klärendes Gespräch mit den Mitarbeitern der Beratungsstelle. „Der Betroffene findet bei uns Unterstützung und ein offenes Ohr, und das im schützenden Rahmen“, bekräftigt Gabriele Heyers. Weitere Leistungen des Zentrums sind sogenannte Stabilisierungsangebote. In kleinen Gruppen mit ca. acht Personen lernen die Teilnehmer, unter fachlicher Anleitung, wie sie zum Beispiel die Belastung der stetigen Wiederkehr des Erlebten besser kontrollieren können. Solche Gruppenangebote umfassen acht Termine und vermitteln viele Übungen für den Alltag, etwa wie unangenehme Gefühle besser reguliert werden können. Auf der Internetseite des Vereins (www.thzm.de) kann das momentane Angebot abgerufen werden.

Unterstützung für das Zentrum

Die Beratungen und der Umgang mit den Trauma-Betroffenen kostet enorm viel Kraft – für alle Beteiligten. Da ist es unglaublich wichtig, den Rücken frei zu haben und gezielt und konzentriert schnelle Hilfe für die Hilfesuchenden zur Verfügung stellen zu können. Leider hält die Realität jedoch einige Hürden bereit. Gabriele Heyers: „Wir sind alle mit Herzblut dabei! Unser aller Bestreben ist das Fortbestehen dieser Einrichtung, um den vielen Anfragen der Betroffenen gerecht zu werden. Doch es ist immer noch Mangelwirtschaft, gegen die wir ankämpfen.“ Es gibt unendlich viel zu tun, nicht nur aufgrund der vielen Verwaltungsarbeit. Da müssen potentielle Sponsoren gefunden, Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden - und immer ist es ein Kampf gegen die Zeit. Finanzielle Unterstützung für das Zentrum zu erhalten, erweist sich tatsächlich als die schwierigste Aufgabe. Gabriele Heyers: „Letztes Jahr sind wir mit einem Betrag von der Stadt München gesponsert worden. Aber es gibt einfach viele Institutionen, die auch Bedarf haben – und die Stadt München muss sparen. Deshalb sind wir dringend auf Spenden, Sponsoren und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Der Bedarf für Trauma-Beratung ist da, wir wollen ihn auch erfüllen können.“ Die halbstündigen Beratungszeiten, die allen Betroffenen zur Verfügung stehen, werden durch den Unkostenbeitrag von 30 Euro finanziert, kostendeckend ist diese Summe nicht. Auch die Fortbildungsangebote für Fachkollegen, die ebenfalls im Angebot des Trauma-Zentrums beinhaltet sind, und ebenso mit „Herzblut“ betrieben werden, müssen manchmal noch durch eigene Mittel abgedeckt werden.

Das große Engagement und die Hingabe, die Gabriele Heyers und ihre Kollegen in das Projekt stecken, berühren. Zu wünschen wäre dem Verein für die Zukunft, dass dies alles nicht umsonst gewesen sein soll. Eines hat sich für Gabriele Heyers schon erfüllt: Die Unterstützung von Menschen wird für sie niemals umsonst gewesen sein.

Abend der offenen Tür

Die Möglichkeit, einen Blick in die Räumlichkeiten des Trauma Zentrums zu werfen, bietet der „Abend der offenen Tür“ am Montag, 11. Oktober, von 17 bis 22 Uhr. Unter dem Motto „Wie soll ich das verkraften? - Hilfen zur Lebensgestaltung nach traumatischen Erfahrungen“ – beinhaltet dieser Abend Informationen, Übungen, Austausch und Gespräche mit Gabriele Heyers und ihren Kollegen und Kolleginnen des THZM. Die Ärztin selbst hält einen kurzen Fachvortrag (17.30 Uhr) zum Thema „Besonderheiten bei der Traumaverarbeitung: Was bedeuten sie für Betroffene und für professionelle HelferInnen?“. Als Höhepunkt, und darüber freut sich Gabriele Heyers besonders, konnte mit der Band „Cosmodrom“ der bekannte Münchner Jazzmusiker Harald Rüschenbaum (und die Bandmitglieder Andrea Hermenau, Daniel Klingl und Peter Cudek) für ein Benefiz-Konzert gewonnen werden. Das Trauma Hilfe Zentrum München freut sich auf regen Besuch!

Kontaktdaten und Spendenkonto

Traumahilfezentrum München e.V., Horemansstr. 8 Rgb., 80636 München, Tel. 12027900, www.thzm.de.

Ein Spendenkonto gibt es bei der Apotheker- und Ärztebank München, Kto-Nr. 6745520, BLZ 30060601.


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