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"Wir brauchen kein geistiges Tempolimit"

Ministerpräsident Markus Söder über Vorreiter und Wirksamkeit, Sonnenland und Vernunft

Markus Söder. (Bild: Bayerische Staatskanzlei)

„Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist, auch eingedenk der Verantwortung für die kommenden Generationen, der besonderen Fürsorge jedes einzelnen und der staatlichen Gemeinschaft anvertraut.“ So legt es die bayerische Verfassung in Artikel 141 fest. Ministerpräsident Markus Söder hat einen Runden Tisch zum Arten- und Naturschutz mit Vereinen und Verbänden einberufen, der inzwischen mehrmals tagte. Söder ist seit März 2018 Ministerpräsident des Freistaates Bayern und seit Januar 2019 Parteivorsitzender der CSU. Er beantwortete die Fragen von Johannes Beetz.

"Klimaschutz ist keine Erfindung der Grünen"

Sie haben u.a. davon gesprochen, Artenschutz und Landwirtschaft miteinander zu versöhnen: Sie sind gefühlt der erste „grüne“ Ministerpräsident Bayerns. Klimaschutz ist wichtig - aber haben wir nicht viele andere Herausforderungen, die zumindest ebenso dringend einer Lösung bedürfen? Ist es nicht fahrlässig, sich so sehr auf diesen einen Trend zu stürzen?

Markus Söder: Klimaschutz ist weder ein vorübergehender Trend noch ein parteipolitisches Thema. Und erst recht ist Klimaschutz keine Erfindung der Grünen. Es ist etwas, das uns alle verbinden sollte. Für mich ist Klimaschutz eine ethische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die jeden angeht. Die Menschen erwarten zurecht, dass wir handeln und das tun wir auch. Deshalb haben wir eine Klimaschutzoffensive beschlossen und bringen das erste Klimaschutzgesetz für Bayern auf den Weg. Mit unserem Zehn-Punkte-Plan und 96 Einzelmaßnahmen sind wir Vorreiter unter den Bundesländern. In den Jahren 2040 plus soll der Freistaat klimaneutral sein, spätestens bis 2050.

"Wir schützen unsere natürlichen CO2-Speicher"

Wir leben in schrägen Zeiten: Menschen verlangen nicht mehr, dass man sie (die Bürger) ernst nimmt, sondern ihre Ängste. „Ich möchte, dass ihr in Panik geratet“, hat Greta Thunberg beim Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt, „ihr sollt die Angst spüren, die ich jeden Tag spüre.“ Meiner Großmutter, die furchtbare Zeiten hautnah und Angst sehr konkret erlebte, meinte dagegen: „Angst ist ein schlechter Ratgeber.“ Wie ängstlich sehen Sie in die Zukunft?

Markus Söder: Ihre Großmutter hat Recht, Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wir brauchen einen vernünftigen Klimaschutz und keine Klimapanik. Die Maßnahmen dürfen nicht ideologisch sein, sondern müssen wirksam den CO2-Ausstoß reduzieren. Der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß soll bis spätestens 2030 pro Kopf in Bayern auf möglichst unter fünf Tonnen pro Jahr sinken. Deshalb schützen wir unsere natürlichen CO2-Speicher wie Wälder, Moore und Auen und fördern Klimaforschung und Clean-Tech. Und bauen Photovoltaik massiv aus – Bayern ist Sonnenland. Insgesamt investieren wir bis 2023 700 Mio. Euro in konkreten Klimaschutz.

"Wir haben Freude am Regieren"

„Nachhaltigkeit ist, wenn ich wiedergewählt werde.“ Für einen Politiker, der (hoffentlich) überzeugt ist, auf dem richtigen Weg zu sein, wäre das eine verlockende Definition. Aber so einfach ist es ja nicht: Die Volksparteien verlieren ihre Basis und damit bricht ein bewährtes demokratisches System ein, das doch recht nachhaltig funktioniert und für zwei Generationen Stabilität gebracht hat. Müssen wir uns von dieser Art der Nachhaltigkeit endgültig verabschieden?

Markus Söder: Bayern ist mit Abstand das erfolgreichste Bundesland in Deutschland und die CSU die letzte verbliebene Volkspartei. In der Bayernkoalition haben wir Freude am Regieren und ziehen zum Wohl des Freistaats an einem Strang. Wir hören den Menschen genau zu und kümmern uns. Das schafft Stabilität und Vertrauen.

"Es geht um Versöhnung"

In der Fridays-For-Future-Bewegung schwingt nicht zu knapp ein Generationenkonflikt mit, wenn „den Alten“ vorgehalten wird, die Zukunft „der Jungen“ verspielt zu haben. Untätig waren „die Alten“ indes nicht: Sie haben ökologische Herausforderungen wie Waldsterben und Ozonloch bewältigt und sie haben ein zuvor nicht gekanntes und höchst nachhaltiges Maß an Sicherheit, Lebensqualität sowie gesundheitlicher und sozialer Versorgung für die gesamte Bevölkerung aufgebaut. Verlieren wir diese Zusammenhänge aus dem Blick?

Markus Söder: Einen Generationenkonflikt sehe ich nicht. Im ganzen Land setzen sich jüngere wie ältere Menschen für den Klimaschutz ein. Richtig ist aber: Die Anstrengungen beim Klimaschutz dürfen die Gesellschaft nicht spalten wir müssen alle mitnehmen. Wir setzen deshalb auf ein Konzept der Vernunft. Es geht um die Versöhnung von Klima und Konjunktur. Beispiel Auto: Da brauchen wir mehr Technologiefreiheit, Investitionen in Clean Tech, in saubere Kraftstoffe und kein geistiges Tempolimit.

"Vorfahrt für erneuerbare Energien"

Zurück zur Nachhaltigkeit: Die drei wichtigsten To-Do-Dinge auf der entsprechenden Agenda des Ministerpräsidenten im erfolgreichsten deutschen Bundesland sind …

Markus Söder: Mehr Forschung an klimaneutraler Mobilität und Technik, Vorfahrt für erneuerbare Energien durch entsprechende Förderung und Erhalt der natürlichen CO2-Speicher vor allem durch den klimabeständigen Umbau des Waldes.

"Ich fahre so ziemlich das kleinste"

Jeder Einzelne kann im Alltag ein bisschen zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Unsere letzte Frage haben wir vielen Menschen gestellt: Haben Sie in Ihrem Alltag etwas geändert, um nachhaltiger zu leben? Welche Änderung können Sie sich fürs neue Jahr vorstellen?

Markus Söder: Als privates Auto habe ich so ziemlich das kleinste, das man nutzen kann. Ich fahre gerne Fahrrad und auch viel mit dem Zug.


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