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Wie geht es eigentlich Fletcher?

Die Entwicklung eines schwierigen Tierheim-Hundes

Katharina Hohmann mit Mister Fletcher im Englischen Garten. (Bild: priv.)

Anfang Dezember 2014 hielt der äußerst scheue Terrier-Beagle-Mischling Mister Fletcher ganz München auf Trab: Der damals bereits vermittelte Tierheim-Hund entwischte beim Spaziergang mit einer professionellen Gassigeherin und streunte eine Woche lang durch die Landeshauptstadt. Mit der Unterstützung vieler Tierfreunde gelang es, Mister Fletcher einzufangen. Wie ergeht es dem Vierbeiner, der im Tierheim als äußerst schwieriger Fall und unvermittelbar galt, heute? Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit seiner Besitzerin Katharina Hohmann.

Schritt für Schritt

Das Begrüßungskomitee an Frauchens Wohnungstür fällt heftig aus - verständlich, schließlich hat Fletcher sein Revier zu verteidigen. Gut, dass Katharina Hohmann ihn an der Leine hat. "Er ist nur in der Wohnung so", versichert diese und bittet herein. Anschließend heißt es, dem bellenden Vierbeiner gemeinsam zu zeigen, dass der Besuch nichts Böses vorhat. Das bedeutet: Frauchen führt ihn in der Wohnung an der Leine spazieren, während der Neuling den Hund nicht anschaut und immer wieder ein Leckerli fallen lässt, sobald dieser vorbeigeht. Nach wenigen Minuten ist das Misstrauen größtenteils überwunden, man kann sich setzen. Wichtig jedoch ist, weiterhin Hohmanns Anweisungen zu befolgen. Allmählich verstummt das Bellen, es kommt nur noch ab und an ein leises Knurren.

Für Fletcher ist dieses Verhalten ein riesiger Fortschritt. Seit dem 22. August 2014 ist er nun bei Katharina Hohmann, zuvor verbrachte er acht Monate im Tierheim. Seine Vorgeschichte ist nur lückenhaft bekannt: "Er war angeblich Jahre lang in Keller und Badezimmer eingesperrt. Zudem hat er ein Problem mit Gürteln und Alkoholfahnen. Das sagt schon vieles aus", bedauert Hohmann. "Anfangs hat er alles und jeden angefallen. Daher hatte er Maulkorbzwang. Inzwischen braucht er den nicht mehr. Das haben wir vor allem Steffen Welzel zu verdanken, der Mr. Fletcher schon im Tierheim unterstützte und trainierte. Im Englischen Garten sind wir sogar ohne Leine unterwegs." Um an diesen Punkt zu kommen, waren intensive Übungsstunden mit Hundetrainer Hans Brings nötig. Gemeinsam mit Werner Maier, einem Freund der Familie, unterstützt dieser die Hundeliebhaberin tatkräftig. "Ohne die drei wäre es nicht möglich gewesen, Fletcher bei mir aufzunehmen", gibt Hohmann dankbar zu.

"Es war Bauchgefühl"

Der Alltag mit einem schwierigen Hund ist nicht immer einfach. Wieso aber entschied sich die 51-Jährige den damals äußerst aggressiven Mischling ein neues Leben zu schenken? Der Entschluss sei spontan gewesen, meint Hohmann und schildert den Moment, als sie Fletcher das erste mal sah: "Ich habe immer alte Meerschweinchen aus dem Tierheim genommen. Aber deren Ableben war jedes Mal schmerzhaft, sodass ich mich schließlich entschloss, keine Tiere mehr zu halten. Die Ausrüstung wollte ich im Tierheim abgeben, war jedoch zu früh dran und musste warten. Dabei spazierte ich zu den Gruppen-Hundezwingern und sah Fletcher. Er kläffte und sah dabei angsteinflößend aus. Es war einfach ein Bauchgefühl. Alle rieten mir davon ab, aber ich wusste: Diesen Hund will ich." Anfangs habe sie beim Gassigehen sogar Angst vor ihm gehabt, doch ihr Entschluss stand fest. Fünf Wochen musste sich Katharina Hohmann im Tierheim beweisen, ehe sie Fletcher mit nach Hause nehmen durfte. Doch wie man sieht, ging es für beide positiv aus: "Fletcher gibt mir mehr, als er mir abverlangt", versichert sie.

Die Aufnahme eines Tierheim-Hundes mit schwieriger Vergangenheit sollte ihrer Meinung nach niemals kategorisch abgelehnt, jedoch gut durchdacht sein: "Man sollte angstfrei und ein Idealist sein und sich zuvor ausgiebig über die jeweilige Rasse informieren", rät Hohmann. "Natürlich ist auch die Wohnsituation samt tierlieber Nachbarn sowie die finanzielle Lage entscheidend. Nicht, dass schwierige Hunde teurer wären, aber jedem Hund sollte man etwas bieten können. Auch die Bereitschaft, sich von anderen Menschen, z.B. vom Hundetrainer etwas sagen zu lassen ist notwendig. Vor allem braucht man aber Zeit, die ich ja habe, da ich selbstständig bin und mir meine Zeit frei einteilen kann."

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