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Wers glaubt ...

"Für jeden lohnt es sich!"

Walter Riester (ehem. Bundessozialminister, SPD) 2011 in einem Interview mit "rentenfernsehen.de" auf die Frage, ob es irgendjemand gibt, für den sich "riestern" nicht lohnt.

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Nicht alles, was Politiker versprechen, erfüllen sie. Manches lässt sich nicht durchsetzen, manchmal verändern sich Umstände - und mitunter wird gelogen, dass sich die stärksten Balken biegen. Kann man glauben, was Politiker sagen? Unser Pinocchio-Test verrät es!

Worum gehts überhaupt?

Die "Riester-Rente" ist eine private Altersvorsorge. Die Schröder-Regierung hielt das gesetzliche Rentensystem nicht für die Zukunft gerüstet, wenn immer weniger Beitragszahlende für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Daher wurde die gesetzliche Rente gekürzt. Diese Lücke sollen die Menschen selbst schließen - z.B. indem sie Beiträge für eine private Riester-Rente bezahlen. Riestern lohnt sich für jeden, behauptet Walter Riester. Volkswirtschaftler und Mathematiker widersprechen: Nur 20 Prozent der Riester-Kunden werden im Alter profitieren - alle anderen verlieren Geld.

Und was stimmt jetzt?

Walter Riester wirbt für sein Modell: Mit dem "Wohn-Riester" etwa können sich "nahezu alle Bevölkerungsgruppen ihren Traum vom Eigenheim erfüllen", gibt er über eine Postbank-Erklärung vor. Die Rechnung dazu breitet er in einem Video auf seiner Internetseite aus: Eine junge Familie (zwei Kinder, 30.000 Euro Jahreseinkommen) müsse jährlich nur 407 Euro zur Seite legen, um bei Renteneintritt (dank staatlicher Zulagen) 250.000 Euro für ein eigenes Häuschen angespart zu haben.

Vergessen hat Riester bei seiner Traum-Berechnung, dass schon die Kinderzulage nicht bis zur Pensionierung gewährt wird: "Die Kinderzulage wird solange gezahlt, wie Sie Kindergeld gezahlt bekommen", stellt (allerdings nur auf ausdrückliche Nachfrage) ein vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragtes "Kommunikationscenter" kleinlaut klar. Das heißt: Die Zulage endet, sobald Sohn oder Tochter volljährig sind - lange bevor ihre Eltern das Rentenalter erreichen (die von Riester angenommene alljährliche Rendite von 7,8 % ist ohnehin Fantasterei). Die Milchriesterrechnung geht nicht auf.

Lohnt sich Riestern wenigstens für Kinder, die heute geboren werden? Wie alt müsste ein Baby werden, damit es als Rentner mit einer Riesterrente der Allianz einen guten Schnitt macht? "Wir rechnen mit einer mittleren Lebenserwartung von 102 Jahren", antwortete Allianz-Vorstandsmitglied Alf Neumann im Handelsblatt. Dumm nur, dass von den in diesem Jahr geborenen Kindern nicht allzu viele das lukrative Heesters-Alter erreichen werden: Ihre Lebenserwartung liegt bei knapp 77 (Jungs) bzw. knapp 83 Jahren (Mädels). Die Milchriesterrechnung geht nicht auf.

Unsere Pinocchio-Wertung für Walter Riester: 10 (Leute-Verarscher-Lüge).

"Schwupps! wuchs die Nase so lang, dass Pinocchio sich nicht mehr im Zimmer umdrehen konnte. Die Fee aber setzte sich in einen goldenen Sessel und lachte laut und lustig. 'Warum lachst du?' fragte Pinocchio ängstlich. 'Über deine vielen Lügen!' 'Woher weißt du, dass ich gelogen haben?' 'Deine lange Nase hat es mir angezeigt.' Pinocchio wollte davonlaufen, aber seine Lügennase versperrte ihm den Weg. Da fing er bitterlich zu weinen an." (Carlo Collodi, Die Abenteuer des Pinocchio, 1883)


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