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Wenn Eltern zu früh sterben

"Nicolaidis YoungWings Stiftung": Wie junge Halb- und Vollwaisen in Ausbildung unterstützt werden

Wichtiger Austausch: Zweimal im Jahr treffen sich Stipendiaten und Paten des Sebastian Bildungsstipendiums. Die Nicolaidis YoungWings Stiftung hat das Projekt, das auf Annemarie und Günter Sebastian zurückgeht, ins Leben gerufen. (Bild: Nicolaidis YoungWings Stiftung)

Mal den Papa um Hilfe bitten, wenn es ein Problem in der Berufsschule gibt, mit der Mama reden, wenn eine Prüfung ansteht – für die meisten jungen Menschen in Ausbildung ist das wahrscheinlich eine Selbstverständlichkeit. Doch es gibt auch Auszubildende oder Studenten, die das nicht so einfach können. Weil ein Elternteil gestorben ist. Oder beide.

Ein besonderes Projekt

Wenn eine Mutter oder ein Vater stirbt, hat man in der Regel ein bestimmtes Bild vor Augen: einen alten Menschen, der – idealerweise – im Kreis seiner Familie diese Welt verlässt, die Kinder selbst schon jenseits der 50, die Enkel erwachsen und mitten im Leben. Dass es auch junge Menschen gibt, die früh zu Halb- oder Vollwaisen werden, ist oft nicht so im Bewusstsein der Öffentlichkeit. Gerade am Anfang einer Ausbildung oder eines Studiums bricht mit dem Tod eines Elternteils eine wichtige Stütze für diese jungen Menschen weg. An sie richtet sich ein besonderes Projekt: das Sebastian-Bildungsstipendium, ins Leben gerufen von der "Nicolaidis YoungWings Stiftung".

Die "Nicolaidis YoungWings Stiftung" wurde vor über 20 Jahren von Martina Münch-Nicolaidis aus eigener Betroffenheit gegründet und bietet verwitweten Trauernden bis zum Alter von 49 Jahren sowie Kindern bis 27 Jahre eine langfristige Begleitung in der Trauer an. Zu den Angeboten zählen unter anderem Trauergruppen und Einzelbegleitungen sowie telefonische und schriftliche Begleitung.

Noch sehr jung ist das Sebastian-Bildungsstipendium, eine Säule der "Nicolaidis YoungWings Stiftung", das auf das Münchner Ehepaar Annemarie und Günter Sebastian zurückgeht. Im Herbst 2015 kam Günter Sebastian, der kurz zuvor Witwer geworden war, auf die "Nicolaidis YoungWings Stiftung" zu. "Er hatte im Internet recherchiert und war so auf die Stiftung gestoßen", sagt Lana Reb, Leiterin der Angebote für Trauernde nach dem Tod eines Elternteils. Da das Paar keine Kinder hatte, hatte es sich darauf geeinigt, mit seinem Erbe junge Halb- und Vollwaisen zu unterstützen. Gemeinsam mit dem pädagogischen Team der Stiftung wurde ein Konzept erarbeitet, Rahmenbedingungen festgelegt und mit Juristen formuliert. "Leider starb Herr Sebastian bereits im Jahr 2016", so Lana Reb, approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.

Nicht von Noten abhängig

Seitdem unterstützt das Sebastian-Bildungsstipendium Halb- und Vollwaisen innerhalb des gesamten Bundesgebiets – ideell und finanziell. "Voraussetzung ist, dass sie zwischen 17 und 27 Jahre alt sind, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und eine Unterstützung für eine Ausbildung benötigen", fasst Lana Reb zusammen. "Die Nachfrage ist riesig." Wer sich für ein Stipendium interessiert, durchläuft mehrere Schritte in einem Bewerbungsverfahren, das übrigens nicht abhängig von Noten ist. "Zunächst wird ein Bewerbungsformular ausgefüllt, zu dem der Bewerber ein Motivationsschreiben mitschickt, in dem er seine Situation schildert und seinen Bedarf angibt", sagt sie. "Meistens fallen diese Anfragen sehr bescheiden aus." Nach Prüfung der Onlinebewerbung stehe ein telefonisches Vorgespräch an. In einem nächsten Schritt erfolge, falls das Vorhaben im Rahmen des Angebots förderfähig sei, eine Einladung zu einem persönlichen Auswahlgespräch, so Lana Reb. "Diese persönlichen Gespräche sind oft sehr emotional. Da erfährt man von jungen Menschen, die drei Jobs annehmen, um ihre Ausbildung finanzieren zu können", sagt Lana Reb. Oft müssten sie zudem Verantwortung für kleinere Geschwister übernehmen. "Und natürlich ist die Situation auch schwierig, wenn ein trauernder Elternteil da ist. Wir haben Stipendiaten, die sich teilweise in großer Erschöpfung befinden." Nach diesem Auswahlgespräch tagt ein unabhängiges Auswahlgremium und entscheidet schließlich, wer ein Stipendium bekommt. "Jeder Fall wird dabei sehr individuell betrachtet", weiß Lana Reb.

Bei der Förderung gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen ist eine einmalige Förderung möglich, beispielsweise für Sach- und Reisekosten. Zum anderen greift das Sebastian-Bildungsstipendium auch bei einer dauerhaften Unterstützung, etwa für Studiengebühren oder Schulgelder.

Paten als Begleiter

Die Stipendiaten erhalten aber nicht nur eine finanzielle Förderung, sondern auch eine ideelle. "Unsere Überlegung war, die Stipendiaten gut zu begleiten. Deshalb bekommt jeder Stipendiat einen Paten zur Seite gestellt. Wir wählen diese ehrenamtlichen Paten aus und schauen, wer sich menschlich gut ergänzt. Die Paten sind Ansprechpartner, die die jungen Menschen aufgrund ihrer Lebens- und Berufserfahrung gut begleiten können", sagt Lana Reb. "Sie stehen telefonisch und per Mail in regelmäßigen Kontakt und treffen sich zweimal im Jahr bei unseren Stipendiatentreffen. Dabei lernen sie auch andere junge Menschen kennen, die ähnliche Erfahrungen wie sie gemacht haben."

"Leider Bewerbungsstopp"

29 Stipendiaten zählt das Sebastian-Bildungsstipendium bereits. Bis Ende vergangenen Jahres konnten sich Interessenten bewerben. "Doch im Moment herrscht leider Bewerbungsstopp", bedauert Lana Reb. "Das Geld ist erschöpft. Wir benötigen dringend finanzielle Mittel, um dieses wichtige Projekt weiterführen und die Idee von Annemarie und Günter Sebastian weitertragen zu können." Die Nachfrage junger Halb- und Vollwaisen sei nach wie vor riesig. "Der Bedarf ist auf jeden Fall da. Bereits in der ersten Bewerbungsphase hatten wir rund 50 Bewerber", erinnert sie sich.

Spendenkonto

Wer für das Sebastian-Bildungsstipendium spenden möchte, kann dies auf folgendes Konto tun:

Nicolaidis YoungWings Stiftung

Stadtsparkasse München

IBAN: DE26 7015 0000 0000 5009 00

"Man wächst als Pate"

Kilian Full engagiert sich als ehrenamtlicher Pate beim Sebastian-Bildungsstipendium. "Mit meiner Patenschaft im Rahmen des Sebastian-Bildungsstipendiums möchte ich jungen Erwachsenen bei ihren Sorgen und Herausforderungen des Alltags und insbesondere im Kontext des Berufseinstiegs zur Seite stehen. Diese Unterstützung zu leisten, die ihre Eltern leider nicht mehr geben können, ist eine Aufgabe, die große Freude bereitet und an der man auch als Pate wächst."

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