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Wenn Bio plötzlich lecker schmeckt

Vier weitere KJR-Freizeitstätten "natürlich²" zertifiziert

Mit Brief und Siegel: Der Abenteuerspielplatz Neuhausen verwendet nur noch Lebensmittel, die nachhaltig hergestellt sind. Das haben die Leiterin Susanne Kußmaul (2.v.l.) und ihre Kollegin Nicki Endrich (3.v.l.) nun schriftlich. Im Bild auch KJR-Nachhaltigkeitsbeauftragte Asya Unger (li.), KJR-Vorstandsmitglied Anna Drozkowski (2.v.r.) und natürlich²- Beauftragter Artur Bürgel (re.). (Bild: KJR)

„Bio schmeckt scheiße!“, das bekam Miloš Srdić von Jugendlichen oft zu hören. Der Sozialpädagoge leitet den Jugendtreffpunkt Harthof in der Wegenerstraße 9. Er und sein Team hatten sich 2016 vorgenommen, nur noch gesunde und regionale Lebensmittel, am besten aus Bio-Anbau zu verwenden. Also meldete er den Jugendtreff beim Programm „natürlich² - verantwortungsvoll und lecker“ an. Dahinter stehen die Standards, die der Kreisjugendring München-Stadt (KJR) für ein dauerhaft nachhaltiges Essens- und Getränkeangebot in seinen Freizeitstätten entwickelt hat.

An der Theke gibt’s jetzt keine Cola mehr und dafür Bio-Spezi, auch alle anderen Getränke und Knabbereien tragen ein Bio-Siegel. Die Begeisterung der Jugendlichen hielt sich zunächst in Grenzen. „Aber wir haben zusammen mit ihnen ganz viele Getränke ausprobiert und sie haben letztlich entschieden“, sagt Srdić. „Die Cola gibt es einfach deshalb nicht mehr, weil den Jugendlichen keine Bio-Cola geschmeckt hat.“ Auch Srdićs Kolleginnen und Kollegen aus dem Riva Nord in der Ingolstädter Str. 243, dem Abenteuerspielplatz Neuhausen in der Hanebergstr. 14 und aus der Musisch-kreativen Werkstatt (Walliser Str. 5) haben ihre Häuser im vergangenen Jahr auf nachhaltige Getränke und Nahrungsmittel umgestellt und damit die KJR-Nachhaltigkeitsstrategie in Sachen Ernährung erfolgreich umgesetzt. Jetzt wurden die vier Freizeitstätten mit dem KJR-eigenen natürlich²-Zertifikat ausgezeichnet. Ab sofort dürfen sie ihr kulinarisches Angebot als „verantwortungsvoll und lecker“ bezeichnen.

Regional und saisonal

Neben den Getränken und Snacks im Thekenverkauf kommen jetzt nur noch tierische Produkte (Eier, Milchprodukte, Fleisch, Wurst), Trockenwaren (Nudeln, Reis, Mehl, sonstiges Getreide, Konserven) sowie Öle und Fette zum Einsatz, die zu 100 Prozent biologisch hergestellt sind. Außerdem achten die natürlich²-Freizeitstätten darauf, dass sie ausschließlich fair gehandelten Kaffee, MSC-zertifizierten Fisch sowie regionales und saisonales Obst und Gemüse verwenden, das nach Möglichkeit auch ein anerkanntes Bio-Siegel trägt.

So eine Umstellung geht nicht gegen die Kinder und Jugendlichen, sondern nur mit ihnen. Denn sie betrifft nicht nur das Snack- und Thekenangebot in den Freizeitstätten, sondern alle Nahrungsmittel, die dort auf den Tisch kommen. Also auch, wenn Kinder und Jugendliche gemeinsam kochen. „Bei uns gilt das sogar für mitgebrachtes Essen“, berichtet Srdić. „Wer seine Fertigpizza oder den Energy-Drink mitbringt, kann sie auch wieder mit nach Hause nehmen.“ Die Jugendlichen zu überzeugen, braucht viel Energie und langen Atem. Doch als einige von ihnen neulich asiatisch gekocht haben, viel Gemüse, ein wenig Fleisch und Curry-Kokos-Sauce, natürlich alles aus Bio-Zutaten, da waren alle begeistert. „Auch mir hat es super geschmeckt“, berichtet Srdić mit einem Lä- cheln. „Oder die Chips, die wir nach langem Probieren gefunden haben, die schmecken sensationell. Da denkt niemand mehr dran, dass die Bio sind“. Und plötzlich schmeckt Bio lecker.

"Wir pflanzen selbst an"

Bei Susanne Kußmaul vom Abenteuerspielplatz Neuhausen ging die Umstellung ganz einfach. „Wir achten schon seit Jahren darauf, regional und saisonal einzukaufen, außerdem pflanzen wir vieles selbst an“, sagt sie. Der Hit war letztes Jahr das „Nudelsaucenbeet“, mit Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Oregano und Petersilie. Daneben gab es ein „Bratkartoffelbeet“ und ein „Kürbissuppenbeet“. „Viele Kinder wissen wegen den ganzen 'Packerlsuppen' gar nicht mehr, woraus eine Suppe besteht“, erklärt ihre Kollegin Nicki Endrich. „Also haben wir alle Zutaten selbst angebaut.“ Aus den Kirschpflaumen nebenan pressen sie selbst Saft und letztes Jahr hatten sie sogar Hühner und Bienen auf dem Abenteuerspielplatz. Dass es kein Fleisch mehr in den Gerichten gibt, sei eigentlich gar nicht aufgefallen, berichtet Endrich „Im ganzen letzten Jahr hat niemand nach Schinken auf der Pizza gefragt. Selbst die Passata dafür zu machen, ist für die Kinder viel spannender!“

Nachhaltigkeit als Verpflichtung

Mit den vier neu ausgezeichneten Freizeitstätten sind nun bereits 17 Kinder- und Jugendtreffs natürlich²-zertifiziert, auch derzeit durchlaufen wieder neue Einrichtungen den Zertifizierungsprozess. Jedes Jahr sollen vier bis acht Häuser dazukommen und ihr Angebot umstellen. Dieses Engagement des KJR in Sachen Nachhaltigkeit wird auch in Fachkreisen anerkannt. So hat der deutsche Nachhaltigkeitsrat das Projekt „natürlich² - verantwortungsvoll und lecker“ 2015 mit dem Qualitätssiegel „Werkstatt N-Projekt 2015“ ausgezeichnet. „Mit ‚natürlich²’ wollen wir den Kindern und Jugendlichen unserer Einrichtungen ein gesundes Essensangebot anbieten“, sagt Asya Unger, Nachhaltigkeitsbeauftragte des KJR. „Als großer Träger von Kinder- und Jugendeinrichtungen sehen wir es als unsere Verpflichtung, einen zukunftsfähigen und nachhaltigen Lebensstil vorzuleben.“

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