Weil Essen der beste Gesprächsstoff ist...
Junge Geflüchtete kochen das "Dritte Abendmahl"
13.30 Uhr: In der Küche ist es noch still – die Ruhe vor dem Sturm. Ich bin etwas früher hier, um einiges vorzubereiten bevor die Köche kommen. Ich verteile massive Schneidebretter, krame die größten Töpfe aus den hintersten Winkeln der Schubfächer, lege Messer an die Arbeitsplätze. Obst, Gemüse, Öl, Gewürze, Fleisch und Fisch warten auf den Ablageflächen; die Kochlöffel herausgesucht – und fertig. Ich sehe mich um, drehe mich einmal um die eigene Achse, um sicherzugehen, dass ich nichts vergessen habe. Die Lernküche der Kermess Schule wirkt riesig, sechs Kochplätze mit je vier Herdplatten, eine riesige Arbeitsinsel in der Mitte, mehrere Waschbecken, modernste Geräte. Ich muss grinsen, freue mich, dass wir wieder diese großartige Küche nutzen dürfen.
Austausch und Kennenlernen
Wir, das sind die Münchner Wochenanzeiger. Bereits zum dritten Mal kochen wir mit Geflüchteten. Unsere ersten beiden "Abendmahle" im letzten Jahr waren tolle Erfolge. Im Juli 2016 war der Verlag auf Geli Feigenbutz und ihre Initiative "Ein Teller Heimat" gestoßen. Feigenbutz kocht regelmäßig mit Geflüchteten aus der Unterkunft an der Hellabrunner Straße und lädt im Anschluss Freunde, Nachbarn und andere Interessierte zum gemeinsamen Essen ein – Austausch und Kennenlernen stehen im Vordergrund, das Essen ist der Eisbrecher. Schließlich hat über eine gute Mahlzeit jeder etwas zu sagen, egal auf welcher Sprache. Als Verlag waren wir so begeistert von dieser Idee, dass wir sie kurzerhand adaptiert haben – natürlich mit sehr viel Hilfe von Feigenbutz, die ihr Know-How und ihre Kontakte gerne mit uns teilte. Wir haben mit Geflüchteten gekocht und zum Essen Vertreter aus Wirtschaft, Politik und sozialen Initiativen geladen, aus Kirchen und Verbänden. Für das "Erste Abendmahl" überließ uns die Kermess Schule ihre Lernküche und den angrenzenden Speisesaal. Trotz des ein oder anderen angebrannten Topfes durften wir auch für das "Zweite Abendmahl" wiederkommen und nun sind wir zurück – aller guten Dinge sind schließlich drei.
Gute Laune für Zwei
14 Uhr: Meine Köche trudeln ein. Zuerst kommen Qasem und Sadek, Mortaza und Emal. Die vier Jungs aus Afghanistan murren kurzzeitig über die "Ein Teller Heimat" Schürzen, die ich ihnen umhänge. Das Quartett ist zwischen 15 und 17 Jahre alt, Kochschürzen stehen auf der Liste cooler Klamotten nicht ganz oben. Ich wische Einwände beiseite. Vier Stunden werden die Jungs in der Küche stehen, sie brauchen die Schürzen. Princess ist die Nächste. Die kleine Lady aus Sierra Leone ist ein echtes Energiebündel. Sie bindet sich ihre Schürze um, wechselt in bequeme Schuhe und will sofort loslegen. Ich zeige den Jungs und Princess, wo sie die Zutaten ihrer Gerichte finden und wie der Herd funktioniert. Kurzes Nicken, dann ist Machen die Devise. Erste Paprika werden geschnitten, Öl fließt in die Pfannen, Fleisch wird gehackt. Zuletzt kommen Omar und Osman. Omar kenne ich seit dem "Ersten Abendmahl". Immer wieder habe ich ihn gerne dabei, weil ich weiß, dass der Gambier nicht nur super kocht, sondern auch gute Laune für zwei mitbringt. Osman aus Sierra Leone hat ebenfalls schon mit uns gekocht, beim "Zweiten Abendmahl".
Kontakte knüpfen
Ich nutze die erste ruhige Schnibbel-Phase in der Küche und sehe mir den angrenzenden Speisesaal an. Die Kermess hat mehrere lange Tische für uns gedeckt, vorne im Raum steht das Buffet. Hier werden später unsere Gäste ihr Essen genießen – ihr Essen und gute Gespräche. Beim "Ersten" und "Zweiten Abendmahl" haben wir mit Geflüchteten gekocht, die bereits Gastronomieerfahrung hatten. Wir wollten den jungen Menschen zu einem Job in der Hotellerie oder einer Gaststätte verhelfen. Der Verlag hat sich nicht getäuscht: Über unsere "Abendmahle" haben die Köche Kontakte geknüpft. Gut die Hälfte arbeitet inzwischen in einem Restaurant oder Hotel – auch Omar, der für uns einen Tag Urlaub nimmt, um das "Dritte Abendmahl" kochen zu können.
Menschen, die viel weitergeben können
Jetzt möchten wir mit dem Essen ein anderes Thema ansprechen. Die Münchner Wochenanzeiger haben das ganze Jahr 2017 unter das Motto "Generationen füreinander" gestellt. Das haben wir kurzerhand auf unser Abendmahl übertragen. In der Landeshauptstadt leben viele Senioren – ältere Menschen, die einiges weitergeben können: Erfahrung, Sicherheit, Weisheit. Inzwischen wohnen in München außerdem zahlreiche Geflüchtete, manche noch sehr jung, ohne Familie oder direkten Ansprechpartner. Diese Gruppen wollten wir zusammenbringen. Wir haben deshalb mit Christiane Zubel aus dem Alten- und Service-Zentrum Neuhausen gearbeitet, außerdem mit Jutta Metzenauer, Betreuerin einer Gruppe minderjähriger Geflüchteter im Münchner Waisenhaus. Im Ergebnis durfte ich mich über junge Köche freuen, die Lust hatten, neue Leute kennen zu lernen, zudem über zirka 20 Senioren als zusätzliche Ehrengäste, die aufgeregt ungewöhnliche Gerichte und andere Kulturen erwarteten.
Frittiert und gerührt
16 Uhr: Die Ruhe ist passé. Es spritzt und bruzelt in den Pfannen, Zwiebeln werden von A nach B balanciert, Kochbananen frittiert und Saucen gerührt. Ich habe Unterstützung bekommen: Die Kollegen aus dem Verlag tragen die ersten Schüsseln in den Speisesaal, bauen Tellertürme am Buffet und richten fertige Speisen an. Ich bin zufrieden. In den Töpfen blubbert es beruhigend, auf Nachfrage bestätigen mir alle Köche, dass sie wunderbar im Zeitplan liegen – na dann kann ich ja unsere Gäste entspannt erwarten.
Großer Andrang, tolle Gäste
18 Uhr: Ich bringe meine Köche in den Speisesaal. In den letzten vier Stunden haben sie Unglaubliches geleistet. Unser Buffet ist gut gefüllt, es duftet nach exotischen Gewürzen. Wir sind rechtzeitig fertig, hatten sogar noch Gelegenheit, ein wenig von Princess Nachspeise zu naschen, einer kleinen frittierten Teig-Köstlichkeit. Im Saal ist es voll. Einige Gäste stehen, weil uns die Stühle nicht reichen – wir organisieren schnell weitere. Dann ist das Buffet eröffnet. Ich schaue mir an, wie Omar und Osman Petra Reiter, Vorsitzende der Stiftung Münchner Kindl, erklären, wie Sauce und Reis zusammengehören. Ich beobachte, wie Norbert Huber, Geschäftsführer der Caritas-Zentren München Stadt und Land, mit Mortaza über etwas lacht. Ingrid Appel vom Haderner Seniorenbeirat holt sich klammheimlich einen Nachschlag und die Bundestagskandidaten Berhard Goodwin, Christian Winklmeier und Sebastian Roloff von der SPD stehen einträchtig für eine zweite Portion Schlange. Anselm Bilgri beäugt schon vorsichtig das Dessertbuffet. Und was machen unsere Senioren? Sie sitzen mit Sadek und Qasem zusammen – ich habe die Befürchtung, das Essen könnte kalt werden, weil plötzlich die Unterhaltung wichtiger ist; es gibt Schlimmeres.
Aller guten Dinge sind drei – oder?
21.00: Ich verabschiede mich von den Senioren. Eine ältere Dame beugt sich vertraulich zu mir: "Das war ein ganz toller Abend – so gutes Essen und so nette Köche. Wenn Sie das einmal wieder machen, dann denken Sie doch bitte an uns." Meine Köche machen sich auch auf den Weg: "Wenn du wieder kochst, rufst du uns okay?" Als Gäste und Geflüchtete weg sind, ertappe ich mich wieder bei einem Grinsen: Wenn alle eine Wiederholung wünschen, dann heißt es wohl doch nicht nur "aller guten Dinge sind drei"...
So geht's:
Ghormeh Sabzi aus Afghanistan für vier Personen:
Zutaten: vier getrocknete Limonen, vier EL getrocknetes Tareh (alternativ: ein bis zwei Bund Schnittlauch), 100 g Petersilie, 100 g junger Spinat, 50 g Dill, 50 g Estragon, eine Zwiebel, 300g Rindergulasch, ein TL Kurkuma, 1/2 TL gemahlener Safran, ein bis zwei EL unreifer Traubensaft (alternativ: frischer Zitronensaft), Salz und Pfeffer, eine Tasse Wasser, eine kleine Dose Kidneybohnen
Zubereitung: Getrocknete Kräuter in einem Schälchen mit Wasser einweichen. In einem zweiten Schälchen getrocknete Limonen einweichen. Spinat und frische Kräuter waschen und klein hacken. Zwiebel schälen und grob würfeln. Fleisch ebenfalls waschen und in Würfel schneiden. Eingeweichte Kräuter abgießen und ausdrücken, um sie gemeinsam mit den frischen Kräutern kurz in einer ungefetteten Pfanne anzurösten. Eingeweichte Limonen mit einer Gabel mehrmals einstechen. So saugen sie sich später mit der Kochflüssigkeit voll und geben Aroma ab. Alle Zutaten – bis auf die Kidneybohnen – zusammen mit dem Einweichwasser der Limonen in einen Topf geben und köcheln lassen. Kidneybohnen in ein Sieb gießen und gut abwaschen. An Ghorme Sabzi geben. Das Ghorme Sabzi wird mit Reis serviert.
Benanchin aus Gambia für vier bis sechs Personen:
Zutaten: 250 g Hühnchen oder Rindfleich, 500 g Reis, drei EL Tomatenmark, drei Fleischtomaten, sechs Zwiebeln, vier Knoblauchzehen, ein Liter Brühe, ein Brühwürfel, vier Lorbeerblätter, sechs Karotten, ein Weißkohl, zwei Auberginen, Salz und schwarzer Pfeffer, frische Peperoni, Olivenöl
Zubereitung: Fleisch schneiden, Zwiebeln schälen und schneiden, Knoblauch fein hacken. Tomaten kochen, abziehen, entkernen und kleinschneiden. Möhren putzen, halbieren und schneiden. Auberginen in Stücke schneiden. Weißkohl achteln. Brühe zum Kochen bringen. Öl erhitzen, darin Fleisch scharf anbraten. Unter Wenden zirka zehn Minuten braten. Zwiebeln dazugeben und anbraten. Tomatenmark unterrühren. Schmoren lassen. Tomaten, schwarzen Pfeffer, Knoblauch und die restlichen Gemüse dazugeben. Mit kochender Brühe löschen und aufkochen lassen. Gewürze und Peperoni dazugeben. Weißkohl dazugeben und köcheln lassen. Reis einrühren und aufkochen. Reis bei reduzierter Hitzen garen. Das Benanchin ist servierfertig.
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