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U-Bahnen und Trams an US-Investoren vermietet

SWM kassierten für einen Leasing-Deal 38 Millionen Mark

In kommunalen Geldgeschäften geht’s zu wie in Mozarts Oper „Cosi fan tutte”. Das heißt auf Deutsch: „So machen’s alle”: Ulm, Nürnberg und Würzburg; Essen, Berlin und Bochum. Auch die Stadtwerke München (SWM) widerstanden den Lockrufen des schnell gemachten Geldes nicht. Die Zauberformel hieß „Bargeldvorteil“ und funktionierte so: Deutsche Städte und Gemeinden – rund 160 sollen sich auf solche Deals eingelassen haben – vermieteten Mitte der 90er Jahre des verflossenen Jahrhunderts ihre Kanalnetze, Abwasserkanäle, Messehallen, Kläranlagen- und Müllverbrennungswerke sowie ihre Stromleitungsnetze an US-Investoren, um sie unmittelbar danach zurückzumieten. Dafür kassierten die Städte und Gemeinden den sogenannten Bargeldvorteil. Millionen von Euro flossen bei diesen Deals – Cross-Border-Leasing-Geschäfte genannt – in die Haushalte deutscher Kommunen. Auf Kosten amerikanischer Steuerzahler!

Wie viele andere deutsche Verkehrsbetriebe hatten auch die Stadtwerke München (SWM) „amerikanische Finanzierungsvorteile“ für ihre U- und Trambahnen genutzt. Im März 1999 vermieteten die SWM 19 U- und 70 Straßenbahnen für einen Zeitraum von bis zu 23 Jahren, um sie, sobald die Tinte unter den Verträgen getrocknet war, zur weiteren Nutzung in München zurückzumieten. Das Geschäft brachte den SWM den „beachtlichen finanziellen Vorteil von circa 38 Millionen Mark“, wie es in einer Pressemitteilung vom März 1999 hieß.

Weiterhin Eigentümerin der Fahrzeuge

„Der besondere Charme der Transaktion liegt darin, dass die Stadtwerke München weiterhin rechtliche und wirtschaftliche Eigentümerin der Fahrzeuge bleiben“, teilte die SWM damals dem staunenden Publikum mit. Das US-Steuerrecht machte diese Art von US-Leasing-Verträgen möglich. Das betrachtet langfristige Leasingverträge als einen Eigentumsübergang, bei dem Steuern gespart werden können. Die US-Investoren – in der Regel Banken – nutzten diese Steuerlücke. So konnten sie zum Beispiel beim "Scheinkauf" deutscher Kläranlagen Steuervorteile geltend machen, an denen die Kommunen in der Bundesrepublik kräftig mitverdienten.

Die globale Finanzkrise setzte dem Goldrausch ein Ende. Die Cross-Border-Deals können die deutschen Kommunen jetzt teuer zu stehen kommen. Denn sie machten solche Geschäfte mit dem weltgrößten Versicherungskonzern „American International Group“ (AIG). Und der konnte nur durch eine Geldspritze in Höhe von über 180 Milliarden Dollar, die ihm die US-Regierung verpasste, vor der Pleite bewahrt werden. Grund für das grausame Erwachen: Eine Klausel in den Leasing-Verträgen verpflichtet die Städte und Gemeinden zusätzliche Sicherheiten, sprich mehr Geld, aufzubringen, für den Fall, dass die Bonität von AIG heruntergestuft werden sollte. Nun wollen immer mehr Kommunen ihre Leasing-Verträge abstoßen. Das könnte, den einst als „pfiffig” empfundenen Deal zu einem teuren Verlustgeschäft machen.

"Karten auf den Tisch legen"

Weil München in den Medien mit Milliardenausfällen dieser Art in Zusammenhang gebracht worden ist, hat der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion, Hans Podiuk, im Stadtparlament eine Anfrage gestellt. Er will wissen: „Gibt es neue Erkenntnisse in Sachen Cross-Border-Leasing, insbesondere bei den Stadtwerken?“ Noch im November des vergangenen Jahres habe der Stadtkämmerer für den Hoheitsbereich der Landeshauptstadt in dieser Angelegenheit Entwarnung gegeben, schreibt Podiuk. Doch: „Die Stadtwerke München weigern sich beharrlich, den Stadtrat zumindest über Rahmendaten zu informieren.“

Kämmerer Ernst Wolowicz hatte im Oktober 2008 auf eine entsprechende Anfrage der Linken zu städtischen Cross-Border-Leasing-Verträgen die Transaktion der SWM bestätigt. Gleichzeitig berief er sich jedoch auf „die bei solchen Vertragsverhältnissen übliche Vertraulichkeitsvereinbarung über die Veröffentlichung von Einzelheiten des Geschäfts“. Allerdings erklärte er überdies ebenfalls: „Die weltweite Finanzkrise hat keine negativen Auswirkungen auf das 1999 abgeschlossene Leasinggeschäft der SWM/MVG.“ Das will die Stadtratsfrakion der CSU jetzt genau wissen. Podiuk: „Wir wollen, dass die Stadtwerke die Karten auf den Tisch legen.“ Das Unternehmen dürfe sich angesichts der Lage nicht weiter auf Geschäftsgeheimnisse berufen. Das richte sich gegen die Interessen der Kunden der SWM.

"Es sind keine Zahlungen mehr fällig"

Christian Miehling, Pressesprecher der SWM, versichert erneut, die Finanzkrise habe sich nicht negativ auf das SWM-Leasinggeschäft ausgewirkt. „An diesem Sachstand hat sich nichts geändert.“ Selbst die aktuellen Probleme amerikanischer Versicherer, wie etwa die der AIG, beträfen das Geschäft nicht, weil die SWM es gut abgesichert hätten. Miehling: „Außerdem haben die Stadtwerke den Bargeldvorteil längst ausbezahlt bekommen. Es sind keine Zahlungen mehr fällig.“ Die Stadtwerke hatten bei der Vermittlung des Geschäftes vor zehn Jahren auf die Deutsche Bank gesetzt. Die profitierte jetzt auch von der Rettung des US-Versicherers AIG. Aus dem amerikanischen Rettungspaket seien sechs Milliarden Dollar an die Deutsche Bank geflossen, berichtete jedenfalls die Zeitung „Wall Street Journal”. Woraufhin US-Abgeordnete kritisierten, „Europa” sei mit dem Geld amerikanischer Steuerzahler „gerettet worden”. 

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