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Theodor Ganzenmüller, ein TH-Pionier der modernen Brauerei

Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet über „Dampf-Theo"

71 (gezählt) unserer ca. 240 Straßen, Plätze und Wege im Stadtbezirk Allach-Untermenzing sind nach Professoren der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) benannt. Es würde zu weit führen, alle aufzuzählen, aber als Beispiele seien hier nur genannt: Anton-Fehr-Str., August-Föppl-Str., Aurel-Voß-Str. usf. Wir sind hier erst beim Buchstaben A! Alle Namen sind jedoch in meinem Straßenverzeichnis in Kurzform zusammengestellt. Zu Ganzenmüller schreibt Hans Dollinger in seinem Buch „Die Münchner Straßennamen": "Theodor Ganzenmüller (1864-1937), Brautechniker, war 1906 Mitbegründer des Büros für Brauerei- und Mälzereibau in Weihenstephan (bei Freising), wo er von 1889 bis 1933 lehrte; der Weltruf Weihenstephans als Ausbildungsstätte für Brauereiingenieure geht auf ihn zurück."

Ein Bewohner der Ganzenmüllerstraße machte mich auf diesen interessanten Professor aufmerksam. Nach einem Anruf beim von Ganzenmüller gegründeten und noch bestehenden „Büro für Brauerei- und Mälzereibau" in Weihenstephan nannte man mir einen Artikel in der Zeitschrift „Brauwelt". Bei den anschließenden eigenen Recherchen in den Geschichtsbüchern der TU München stieß ich auf mehrere Beiträge über Prof. Ganzenmüller. Der Präsident der TUM, Prof. Dr. Wolfgang A. Herrmann, ermunterte mich, über den heute fast vergessenen Brauereipionier der damaligen TH München für eine breitere Öffentlichkeit zu schreiben. Weihenstephaner Bier, auch bei den Studenten sehr beliebt, wird bei fast allen festlichen Veranstaltungen der TUM ausgeschenkt.

Wie oben zu sehen ist (Bild 1) befindet sich die Ganzenmüllerstraße in Untermenzing westlich der Bahnlinie, führt beginnend an der Allacher Straße parallel zur Bahnlinie durch die sog. Flaksiedlung (Werbe-Spiegel v. 16.05.2012, S. 30) und nach ca. 400 m im rechten Winkel zur Willi-Wien-Straße (auch Professor).

Wenden wir uns zunächst kurz seiner Biografie zu. Ganzenmüller (Bild 2) ist in Augsburg geboren und in Freising, wo ihm auch 1936 die Ehrenbürgerwürde verliehen und eine Straße nach ihm benannt wurde, gestorben. Allerdings wurden am 8. März 1946 alle Verleihungen von Ehrenbürgerwürden aus der Zeit des Nationalsozialismus für nichtig erklärt, der Straßenname blieb.

Ganzenmüller besuchte in München die Volks-, Real- und Königliche Industrieschule. Diese Schule bot ihm eine mechanisch-technische Abteilung an, forderte die obersten Kurse der Kgl. Realschule und war Bildungsanstalt für eine höhere theoretische Ausbildung an der Technischen Hochschule in München. Dort studierte Ganzenmüller als 19-Jähriger, wie die TUM bestätigt, von 1883-1887 an der maschinentechnischen Abteilung. Für unseren Stadtteil ist besonders interessant, dass er anschließend beim Vorgänger von Krauss-Maffei, nämlich bei Krauß & Co. auf dem Marsfeld, als Konstrukteur und Ingenieur arbeitete. Danach wurde er Assistent für Brauereikurse in Weihenstephan, 1894 erfolgte die Ernennung zum Professor und 1904 zum Vorstand der Kgl. Akademie für Landwirtschaft und Brauwesen. Im Zuge des zunehmenden Einsatzes von Maschinen im Braugewerbe kam es 1889 zur Einführung des Lehrfaches der Maschinenkunde. Theodor Ganzenmüller übernahm zuerst in der Funktion eines Assistenten und seit 1894 als Professor die Vorlesungen auf diesem Gebiet und wurde zur dominierenden Persönlichkeit der später an die THM angegliederten Brautechnischen Abteilung. Für ihre Entwicklung waren vor allem die Jahre von 1895 bis 1906 wichtig, wobei vor allem die Schaffung des Ingenieur-Laboratoriums zu nennen ist (Bild 3, T.G. angekreuzt).

Die früher mittels Kohle und oder Holz beheizten „Feuerpfannen" wurden durch ihn von dampfbeheizten Braupfannen abgelöst. Sein Engagement für den Dampfbetrieb brachte ihm den Spitznamen „Dampf-Theo" ein. Aus der „Brauwelt sei zitiert: „Aber der Spitzname ‚Dampf-Theo' spiegelte seinen Charakter wider, seine Neigung, bei Auseinandersetzungen heftig ‚Dampf abzulassen', den eigenen Standpunkt sehr energisch zu verteidigen und auch selber ein wenig ‚unter Dampf zu stehen'."

1911–1912 ersetzte ein Neubau an der Freisinger Mainburger Straße das alte Brauhaus auf dem Domberg. Dabei wurde eine Brauereianlage nach der technischen Konzeption Professor Ganzenmüllers errichtet, die damals technisch auf dem modernsten Stand war. Die Gebäude wurden von dem Münchner Architekturbüro Gebrüder Rank, die z.B. auch unsere Diamaltgebäude gebaut haben, in einer vom Neobarock und vom Jugendstil beeinflussten Formensprache ausgeführt und stehen heute unter Denkmalschutz. Entsprechende technische Anlagen wurden in der Brauerei Leicht in Vaihingen, in der Pschorr-Brauerei in München, im Brauhaus Schweinfurt, in der Brauerei Altenburg in Thüringen u.a. gebaut.

Viel gibt es zu seinem Wirken zu sagen. Die „Brauwelt" geht auch 2006 noch so weit zu schreiben, dass „der Ruhm Weihenstephans und seine weltweite Ausstrahlung" auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse und deren praktische Umsetzung Prof. Ganzenmüllers zurückgeht.

In diesem Zusammenhang soll nochmals auf das „Dampfbier" und das „Feuerbier" eingegangen werden, weil so ähnlich Jahrzehnte später über Bier aus Holzfässern oder aus Aluminiumbehältern diskutiert wurde. Zur Feststellung feinerer Unterschiede im Geschmack wurden die beiden Biere in verschiedenen Ausschanklokalen einer Brauerei verzapft. Äußerungen über abweichenden Geschmack kamen aus dem gesamten konsumierenden Publikum nicht auf. Ferner wurden einer größeren Gesellschaft von Brauereidirektoren, Braumeistern, Fabrikanten und sonstigen Interessenten die verzapften Biere zwecks Geschmacksprüfung ohne spezielle Bezeichnung, jedoch durch Zeichen unterschieden, vorgesetzt. Die Kostprobe ergab deutlich, dass tatsächlich kein Unterschied im Geschmack des Dampfbieres und des Feuerbieres bestand, entgegen dem damals weit verbreiteten Vorurteil, wonach Dampfbiere weniger vollmundig sein sollten. Heute sind, was Ganzenmüller bereits in den 20er Jahren voraussah, an die Stelle von Dampfkraftanlagen Blockheizkraftwerke mit kostengünstigeren Verbrennungsmotoren getreten.

Im Jahre 725 wurde das Kloster gegründet, um 768 gab es dort den ersten Hopfen und nach einer angeblich aus dem Jahre 1040 stammenden Urkunde ist Weihenstephan die älteste noch bestehende Brauerei der Welt, ein Anspruch, den auch die Klosterbrauerei Weltenburg stellt. Schwerpunkt der Produktion ist das Weihenstephaner Hefeweißbier, das durch Nachgärung im Drucktank, nicht durch Flaschengärung endvergoren wird. Das Sortiment der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan umfasst aber auch weitere klassische bayerische Biersorten, die man bei einem Ausflug zum Biergarten des Bräustüberls genießen und von dort aus auch einen wunderbaren Blick auf die Stadt Freising und ihr Umland lenken kann: „Durst auf Leben am Ursprung des Bieres" (Bild 4). Abschließend nochmals der Präsident der Technischen Universität München: „Als einzige Universität der Welt mit eigener Bierbrauerei ist es höchste Zeit, dass ein Professor an der Spitze der Staatsbrauerei Weihenstephan steht," sagte TU-Präsident Prof. Wolfgang A. Herrmann anlässlich der Verleihung der Urkunde an den neuen Honorarprofessor Dr. Josef Schrädler, den Direktor der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan. In der Geschichte dieser Brauerei ist unser „Untermenzinger" Ganzenmüller einer der bedeutendsten Entwicklungspioniere.

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