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Skandal um den Lindengarten

Bäume sollen fallen: Kommunalreferat will „wirtschaftliche Lösung“

Eine Welle der Entrüstung lösten die Vorschläge des städtischen Kommunalreferates auf der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe (BA 8) aus: „Die ganze Sache ist unglaublich“, erzürnte sich BA-Mitglied Wilhelm Mundigl (SPD) und Anja Kaiser (Grüne), ebenfalls BA-Mitglied, sprach von einem „bodenlosen Vorgehen“. „Wir fühlen uns total veräppelt“, fasste schließlich auch der BA-Vorsitzende Ludwig Wörner (SPD) die Stimmung des Gremiums und der anwesenden Bürger zusammen. Auslöser der emotional geführten Debatte waren die neuen Pläne der Stadt für das Grundstück an der Kazmairstraße 23 bis 25, den so genannten Lindengarten.

Biotop mit Fledermäusen

Seit über sechs Jahren kämpfen die Bürger der Initiative Lindengarten und der BA für eine „grüne Nutzung“ des rund 1.000 Quadratmeter großen Grundstücks, auf dem nicht nur viele alte Bäume stehen, sondern das auch vom Bund Naturschutz als Biotop klassifiziert wurde. „Auf dem Gelände haben wir eine Fledermauspopulation sowie seltene andere Vogel- und Tierarten“, berichtet Stephan Reichel von der Bürgerinitiative. Diese hatte sich unter anderem deshalb bereits im Jahr 2006 erfolgreich gegen eine Bebauung des Grundstücks im Rahmen des Kommunalen Wohnungsbauprogramms (kurz: KomPro) zur Wehr gesetzt.

„Wir haben wirklich nichts gegen das KomPro selbst“, erklärt Reichel. „Für uns ist das eine gute Sache und deshalb haben wir damals auch in einem sehr konstruktiven Verfahren zusammen mit dem Kommunal- und Sozialreferat ein Ersatzgrundstück für das Wohnhaus gefunden.“ Und tatsächlich wird derzeit auch an der Ecke Heimeranstraße und Ligsalzstraße ein so genanntes KomPro/B-Haus gebaut, in dem am Wohnungsmarkt benachteiligte Familien untergebracht werden sollen. „Uns ging es nicht darum, das Projekt zu verhindern, sondern wir wollten die Bäume schützen“, betont Reichel noch einmal. Der Neubau befindet sich ja dann auch in unmittelbarer Nachbarschaft zum Lindengarten.

Keine Sicherheit

Umso verwunderter waren alle Beteiligten als die Vertreter des Kommunalreferates auf der jüngsten BA-Sitzung ihre Pläne darlegten: Nun soll ebenfalls das Grundstück des Lindengartens für das Kommunale Wohnungsbauprogramm genutzt werden. „Mit einer Bauvoranfrage wollen wir klären, ob Baurecht auf dem Grundstück vorhanden ist“, so Magdalena Nebauer vom Kommunalreferat. Zwei verschiedene Varianten zur Bebauung stellte das von der Stadt beauftragte Architekturbüro  auf der BA-Sitzung vor. „Bei beiden Varianten müssen Bäume fallen“, erklärte der anwesende Architekt. Zudem habe ein von der Stadt beauftragtes Gutachten ergeben, dass die Bäume längst nicht alle gesund seien. Hier gebe es hohen Investitionsbedarf, damit die Verkehrssicherheit nicht gefährdet werde. Auch seien von Fledermäusen keine Spuren gefunden worden. Ein Blick auf die Pläne macht indes deutlich, dass ein Großteil des bestehenden Baumbestands für das neue Wohnhaus abgeholzt werden müsste.

„Es kann eigentlich nicht sein, dass man Planungsprozesse immer wieder neu aufrollt und gefällte Entscheidungen wieder rückgängig macht“, ärgerte sich Reichel auf der BA-Sitzung. So könne es für alle Beteiligten keine Sicherheit geben. Auch der BA-Vorsitzende zeigte sich erstaunt über das Vorgehen des Kommunalreferates: „Wir hatten damals eine stabile Vereinbarung, dass wir ein neues Grundstück suchen und dafür der Lindengarten erhalten bleibt. Da können Sie doch nicht jetzt einfach trotzdem dort bauen“, so Wörner. Er kritisierte auch, dass das Gutachten zum Zustand der Bäume dem BA als Entscheidungsgrundlage nicht vorliege.

Kinderkrippe nicht wirtschaftlich

Unverständlich für die Lokalpolitiker war auch, warum der Bau einer Kinderkrippe, der von allen Seiten befürwortet worden war, aufgrund einer Kontamination des Bodens abgelehnt wurde, aber nun trotzdem ein Wohnhaus errichtet werden soll, in das Familien mit Kindern einziehen. Im April hatte den BA nämlich ein Schreiben des Sozialreferates erreicht, in dem erklärt wurde, dass das Grundstück bis zu einer Tiefe von acht Metern mit Altlasten und Kampfmitteln verunreinigt sei. „Die Entsorgung und Beseitigung der kontaminierten Böden hätte zusätzliche Kosten in Höhe von 400.000 Euro verursacht“, so das Sozialreferat. Deshalb sei der Bau einer Kinderkrippe, wie vom BA gewünscht, an diesem Standort nicht mehr wirtschaftlich.

Natürlich müssten auch beim Bau eines Wohnhauses die kontaminierten Böden abgetragen werden, erklärte Nebauer auf der BA-Sitzung. „Allerdings ist es ja auch wesentlich wirtschaftlicher Wohnungen zu bauen als eine Kinderkrippe“, so die Vertreterin des Kommunalreferates. Der BA bemängelte indessen, dass er ebenfalls das Gutachten des Referates für Gesundheit und Umwelt, das die Kontamination festgestellt hatte, bislang noch nicht zu Gesicht bekommen habe.

Grünfläche mit Stadtteilmuseum

Bereits im April nach Ablehnung der Kinderkrippe hatte sich der BA dafür ausgesprochen, das Grundstück eigentumsrechtlich an das Baureferat Gartenbau zu übertragen und als Grünfläche umwidmen zu lassen. „Das ist auch unsere bevorzugte Lösung, auch wenn das Grundstück dafür natürlich noch hergerichtet werden müsste“, erklärt Reichel. Insbesondere die drei großen Plakatwände an der Seite zur Kazmairstraße müssten entfernt werden.

„Wir könnten uns zudem auch vorstellen, dass wir in Zusammenhang mit der Gestaltung als Grünfläche ein Stadtteilmuseum in dem kleinen Gebäude auf dem Grundstück realisieren“, so Reichel. „Draußen könnten wir in Kooperation mit einem Lokal Kaffee ausschenken und die Bürger würden sich bestimmt freuen, Zugang zu dieser grünen Oase zu bekommen.“ Eines aber ist für zukünftige Planungen sicher: „Auf Zusagen und Vereinbarungen mit dem Kommunalreferat verlasse ich mich nicht mehr“, sagt Reichel.

 


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