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Quo vadis Würmtal?

Round Table mit Bürgermeisterkandidaten zu den Themen Verkehr, Energie und Gewerbe

Das Würmtal gehört zu den schönsten Regionen vor den Toren von München. Jeder Ort hier hat seine Besonderheiten, dennoch gibt es bei vielen Themen eine Zusammenarbeit. Auch in den kommenden Jahren werden sich die Gemeinden immer wieder entscheiden müssen, wo sie sich zum Wohle der Bürger enger vernetzen, welche Projekte sie gemeinsam angehen bzw. fortführen möchten und wo sie sich abgrenzen und eigene Wege gehen wollen. Im Vorfeld der Kommunalwahl am 16. März sprach das SamstagsBlatt unter dem Motto "Quo vadis, Würmtal?" mit den Bürgermeisterkandidaten Christine Borst (CSU, Krailling), Ralf Brandtner (AIG, Gräfelfing), Annemarie Detsch (SPD, Planegg), Werner Engl (Grüne, Krailling), Brigitte Kössinger (CSU, Gauting), Peter Köstler (CSU, Gräfelfing), Stefan Nowicki (FBK, Krailling) und Uta Wüst (IGG, Gräfelfing).

SamstagsBlatt: Jeder von Ihnen hat das Thema Verkehr in seinem Wahlprogramm. Wie kann das Würmtal insgesamt verkehrsverträglich gestaltet werden, ohne dass manche Teile über Gebühr belastet werden?

Werner Engl: In Krailling haben wir flächendeckend Tempo 30. Das ist eine Entlastung. Insgesamt gesehen haben wir Kraillinger es gut. Wir sind am Randschauplatz des Verkehrsproblems im Würmtal. Doch insgesamt sollten wir mit den vorhandenen Verkehrswegen im Würmtal auskommen, bevor wir weitere Entlastungsstraßen planen.

Christine Borst: Ich denke auch, dass Umgehungsstraßen nur noch mehr Verkehr bringen. Unseren eigenen hausgemachten Individualverkehr müssen wir eindämmen. Wir müssen ausreichend Radwege schaffen und die Aufenthaltsqualität in den Orten verbessern, damit die Leute gerne zu Fuß gehen.

Brigitte Kössinger: Für Gauting sind Umgehungsstraßen gar nicht mehr möglich. Dafür möchten wir den öffentlichen Nahverkehr verbessern, Gauting an die günstigere Tarifzone im MVG-Netz anschließen. Dann steigen unsere Bürger schon in Gauting in die S-Bahn ein. Als Zweites brauchen wir gute Busanbindungen zur S- und U-Bahn. Als Drittes müssen wir uns um die Radwege kümmern. Uns fehlt ein schlüssiges Radwegenetz über das gesamte Würmtal.

Peter Köstler: Da sind wir uns doch alle einig: öffentlichen Nahverkehr fördern, Radwege schaffen, unseren hausgemachten Verkehr einbremsen. Aber dennoch haben wir motorisierten Individualverkehr. Für uns Gräfelfinger bedeutet der Autobahnanschluss und dessen Verteilwirkung ins Würmtal hinein eine Belastung. Deswegen sehen wir das Thema Verkehr aus einer etwas anderen Sicht. Das muss man uns zugestehen. Daher ringen wir auch um die solitäre Lösung einer Umgehungsstraße, die uns eine echte Entlastung gebracht hätte, aber nun als solches vom Bürger abgelehnt ist.

Rauf aufs Rad!

Uta Wüst: Verkehrsprobleme sind immer Netzprobleme. Und diese kann man nur gemeinsam lösen. Ohne Kommunikation mit den Nachbargemeinden kommen wir nicht weiter. Ich finde den Ausgang unseres Bürgerentscheids richtig: eine Umgehungsstraße, die nur auf unserer Flur existiert und den Verkehr wieder zurück in den Ort bringt – das hätte keinem etwas gebracht und nur viel Geld gekostet.

Annemarie Detsch: Das ROEK (Raumordnerische Entwicklungskonzept - Anm. d. Red.) spielt eine ganz wesentliche Rolle. Wir müssen das Würmtal als gemeinsamen Lebensraum begreifen, ohne dass wir die eigene Planungshoheit aufgeben. Hier brauchen wir Verständnis füreinander. Im Austausch gibt es sicherlich Kontroversen, weil die Interessenslagen der einzelnen Kommunen unterschiedlich sind. Aber wenn wir in Kontakt bleiben, dann können wir zumindest Entwicklungen befördern.

Lösung: „Mitfahr-willig“-Sticker?

Werner Engl: Mein persönlicher Vorschlag: Warum könnten Autofahrer nicht wartende Bürger an den Bushaltestellen mitnehmen? Zur nächsten S- oder U-Bahnstation? Das bedeutet ein Mitfahr-Sharing, das vielleicht mit einem Sticker „Ich mache mit im Würmtal“ am Auto und am Revers der Leute zu lösen wäre.

Ralf Brandtner: Letztendlich befinden sich aus meiner Sicht U-Bahn, Bus, Rad und so weiter im Gleichgewicht. „Würmtal das Radltal“ – war der erste alternative Anfang. Außerdem machen Umgehungsstraße nur dann Sinn, wenn sie das Würmtal insgesamt umgehen.

Annemarie Detsch: Umgehungsstraßen ja oder nein – das ist eine Glaubensfrage. Trotzdem müssen wir alle zusammen weiter am Tisch sitzen und über diese Themen diskutieren.

Peter Köstler: Auch in Martinsried wird gerade recht heftig über eine Umgehungsstraße diskutiert.

Annemarie Detsch: Ja, natürlich. Das Thema ist von uns aber bewusst ganz kleinräumig gehalten. Wir haben darin eine andere Grundhaltung und achten darauf, sie gut innerörtlich anzuschließen und nicht weiterzuführen.

Hilft ein Verkehrsregionalmanager?

Peter Köstler: Zu uns kommt Verkehr von der Autobahn, der mit uns absolut nichts zu tun hat und nur durchfährt. Und das ist eine enorme Belastung, die keineswegs hausgemacht ist. Hier drückt sich das Sonderproblem von Gräfelfing aus. Das ROEK ist ein guter Schritt als Diskussionsplattform. Ich tendiere zu einem Regionalmanager, wie im ROEK empfohlen.

Brigitte Kössinger: Wir in Gauting sind generell etwas enttäuscht vom ROEK. Das Positive ist tatsächlich, dass wir alle miteinander, mit Starnberg, Germering und München im Gespräch sind. Auch über die wenigen Berührungspunkte hinaus.

Starke Energieregion Würmtal

SamstagsBlatt: Ein weiteres großes Thema ist der Energiesektor. Gauting, Krailling und Planegg haben sich hier als Regionalwerk Würmtal zusammengetan. Die Gemeinde Gräfelfing verfolgt mit dem Gemeindewerk Gräfelfing einen eigenen Weg in der Energieversorgung. Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit sehen Sie dennoch?

Christine Borst: Alle Gemeinden in einem Regionalwerk zusammen – das wäre unser Wunsch gewesen, einfach weil wir räumlich eng beisammen und damit für jeden Energieversorger interessant sind.

Brigitte Kössinger: Nach dem aktuellen Urteil (über ungültige Konzessionsvergaben – Anm. d. Red.) müssen wir das Thema Regionalwerk wieder auf den Prüfstand stellen. Die Frage, wie es weitergeht, ist für mich völlig offen. Da werden die Karten meines Erachtens neu gemischt. Der neue Gemeinderat muss entscheiden, wie es weiter geht.

Stefan Nowicki: Wir müssen abwarten, wie das endgültige Urteil lautet, nach dem wir uns richten können. Auch in Bezug auf alternative Energiegewinnung, wie Windkraft und dergleichen fehlen uns noch rechtsgültige Vorgaben.

Werner Engl: Ich finde es bemerkenswert, dass die Gemeinden ein deutliches Interesse für eine Zusammenarbeit im Regionalwerk gezeigt haben. Das Ziel, nämlich die Übernahme des Stromnetzes, sollte bestehen bleiben, auch in den aktuellen Diskussionen.

Peter Köstler: Auch hier geht es um eine Grundsatzfrage. Wollen wir die Rekommunalisierung der Netze? Oder darüber hinaus Strom verkaufen? Gräfelfing wollte nie als Stromanbieter auftreten. Deswegen haben wir das Gemeindewerk gegründet und stehen mit Erträgen von 300.000 Euro im Jahr gut da. Dieses Geld können wir bereits in erneuerbare Energie stecken.

Christine Borst: Wir hatten einen anderen Ansatz. Das ist richtig. Unsere Chancen, unsere Gestaltungsmöglichkeiten sind allerdings auch größer.

Ein Projekt für viele Schultern: Geothermie

Peter Köstler: Beide Konstrukte sind offen für energiepolitische Themen.

Brigitte Kössinger: Natürlich! Wasser, Wind, Biogas – alles können und sollten wir fördern.

Uta Wüst: Eigentlich möchte jeder seine Gemeinde energieautark führen können. Und es wäre schön, wenn dies auch großräumiger angefasst werden kann. Würmtalweit. Gräfelfing setzt gerade auf Geothermie. Wenn der Claim frei wird, sind wir am Ball. Dann könnten wir auch ein größeres Gebiet versorgen. Schließlich befindet sich der Claim an der Grenze zu Planegg.

Annemarie Detsch: Das Thema Geothermie wirtschaftlich darzustellen, ist extrem schwierig. Das geht nur gemeinsam. Dafür haben wir im Moment als Gemeinde keine Mittel. Aber der Standort ist interessant. Ich möchte allerdings auch hier darauf hinweisen, dass unsere Region dicht besiedelt ist. Viele Entwicklungsmöglichkeiten schließen sich damit aus. Wo könnte bei uns schon ein Redundanzkraftwerk stehen?

Peter Köstler: Wenn wir die Energiewende wollen, müssen wir an solche Themen ran. Wir müssen im Denken gewohnte Pfade verlassen und uns nach Alternativen umschauen.

„Was kann man gemeinsam nutzen und fördern?“

Annemarie Detsch: Ein ganz aktuelles Problem ergibt sich bei uns durch die Eisfläche am Feo, die energetisch überhaupt nicht vertretbar ist. Vielleicht lässt sich im Würmtal feststellen, wer welche Einrichtungen braucht und was man gemeinsam nutzen und fördern kann. Nicht jede Gemeinde braucht alles. Zur Lösung unseres Kostenproblems mit der Eisfläche, streben wir dort eine Quartierslösung an.

Christine Borst: Wir haben in Krailling schon Quartierslösungen für gleichwertige Bebauungen entwickelt. Damit wurde bereits viel angestoßen. Außerdem hat die Gemeinde mit der Grundschule ein wunderbares Projekt vorangebracht, unser fifty-fifty-Projekt. Am Jahresende bekommt die Schule und die Gemeinde das an Geld ausgeschüttet, was eingespart werden konnte. Wir führen damit Kinder ans Energiesparen heran.

Stefan Nowicki: Jede Gemeinde hat sicherlich Projekte, die greifen. Über die müssen wir uns austauschen.

Annemarie Detsch: Dafür ist die Plattform des Regionalwerks gedacht. Hier können wir solche Probleme hervorragend diskutieren. Ich bin sehr froh, dass wir diese Form entwickelt haben, auch wenn wir im Moment noch nicht genau wissen, wohin die Reise geht. Für unsere zukünftige Energieversorgung bietet das Regionalwerk alle Chancen.

Weg frei für interkommunale Gewerbegebiete

SamstagsBlatt: Die Gemeinden sind auf stabile Einnahmen aus der Wirtschaft angewiesen. Eine Abwanderung von Gewerbe aus der Region ist fatal. Sehen Sie Lösungsansätze für eine ortsübergreifende, gewerbefreundliche Lokalpolitik?

Brigitte Kössinger: Im Großraum München ist die Nachfrage nach ansprechenden, gut angebundenen Gewerbeplätzen groß. Leider hat Gauting diese Frage bisher vernachlässigt. Nun müssen wir ganz dringend neues Gewerbe ansiedeln. Das könnte auf Gautinger Flur nahe Oberpfaffenhofen direkt an der Autobahn geschehen.

Christine Borst: Wir hatten sogar Pläne für ein interkommunales Gewerbegebiet mit Gauting. Nur wurde dies leider nicht gewünscht. Doch Krailling ist immer noch offen dafür.

Peter Köstler: Gewerbe- und Wirtschaftspolitik ist die ureigene Aufgabe jeder Gemeinde. Denn auch hier haben wir alle ganz andere Voraussetzungen, Potenziale und Erweiterungswünsche. In Gräfelfing ist Wachstum nicht mehr möglich. Jetzt geht es um die innere Struktur des Gewerbes.

Wie viel Wachstum verkraften wir?

Annemarie Detsch: Wir müssen überlegen, wie viel Wachstum wir noch wollen und verkraften. In Planegg gibt es eine halbe Stelle für Wirtschaftsförderung, die sich qualitativ mit unserem Gewerbe und den Bedürfnissen unserer Gewerbetreibenden auseinandersetzt. Außerdem sind wir glücklich über den Gewerbeverein „Wir in Planegg e.V." Dieser Verein ist für uns erster Ansprechpartner in der Wirtschaft.

Brigitte Kössinger: Auch Gauting braucht einen Wirtschaftsförderer. Mir ist es ein großes Anliegen, den Bürgern die Angst vor Gewerbe zu nehmen. Gewerbe ist nicht immer nur laut, hässlich und stinkt. Gewerbe kann genauso ästhetisch sein. Und wir brauchen den Rückhalt in der Bevölkerung, wenn wir das Gewerbe ansiedeln wollen.

Christine Borst: Bei uns ist die Wirtschaftsförderung noch Chefsache. Doch eine halbe Stelle dafür ist angedacht.

Uta Wüst: Eine gemeindliche Wirtschaftsförderung kann viel leisten. Schon allein die Tatsache, dass es jemanden gibt, der über freie Fläche und den passenden Gewerbemix Bescheid weiß, hilft sehr viel.

Peter Köstler: Unser Gewerbeverein hat im letzten Jahr einen "Tag der Offenen Tür" organisiert. Die Gräfelfinger sollten sehen, welches Gewerbe, welche Nischenfirmen, welche Hightech-Unternehmen bei uns zu Hause sind. Ich sehe dies als Gesprächsplattform. Ein guter Mix an Gewerbe spielt sich nicht nur im Gewerbegebiet sondern im gesamten Ortsgebiet ab.

Bezahlbarer Wohnraum

SamstagsBlatt: Welche Synergien im Würmtal würden Sie gerne weiter ausbauen?

Annemarie Detsch: Die sozialen! Unsere Würmtal-Insel funktioniert hervorragend auch über die Gemeindegrenzen hinaus, wobei Gauting sinnvollerweise seine eigene Sozialinsel hat.

Uta Wüst: Ein weiteres gemeinsames Problem ist sicherlich der teure Wohnraum. Wir alle brauchen Leute aus sozialen Berufen, denen wir gern preiswerten Wohnraum zur Verfügung stellen würden. Hier gäbe es noch viel Gesprächsstoff im Austausch mit unseren Nachbarn im Würmtal.

Ralf Brandtner: Ich finde es außerordentlich bemerkenswert, wie stark sich die Leute mit dem Würmtal identifizieren. Die Leute wollen wissen, was bei ihnen und bei den Nachbarn los ist.

Christine Borst: Und alle wollen nach dem Studium zurück ins Würmtal! Auch hier bedaure ich sehr, dass der Wohnraum begrenzt ist.

Annemarie Detsch: Ich kann nur immer wieder sagen, wie unendlich glücklich ich mich hier im Würmtal fühle. Ich bin jeden Tag dankbar, dass ich hier aufgewachsen bin und hier wohnen kann. Es lohnt sich die Mühe, gemeinsam für diese liebenswerte Region zu ringen.


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