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„Politik betrifft auch Frauen“

Ursula Männle über "Unkraut" und Meilensteine, Mitmachen und Zusammenwirken

Prof. Ursula Männle ist seit dem Jahr 1964 politisch aktiv - damals ist sie in die CSU eingetreten. (Bild: Hanns-Seidel-Stiftung)

Politik war früher reine Männersache. Seit dem 8. November 1918 dürfen Frauen in Bayern wählen (seit dem 12. November 1918 in ganz Deutschland). Aber auch nach der Einführung des Frauenwahlrechts war die Politik im Wesentlichen männlich geprägt. Ursula Männle ist heute Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung. Sie ist 1964 mit gerade einmal 20 Jahren in die CSU eingetreten, 1966 wurde sie Landesvorsitzende des Rings Christlich-Demokratischer Studenten, 1973 stv. Bundesvorsitzende der Jungen Union, 1981 Landesvorsitzende der Frauen Union. Später war sie Staatsministerin, Bundes- und Landtagsabgeordnete. Wie schätzt sie die Möglichkeiten von Frauen in der Politik ein?

"Politik ist weder weiblich noch männlich"

Ist Politik "unweiblich", wie das einmal eine Ihrer Lehrerinnen formulierte?

Ursula Männle: Natürlich nicht! Die Frage ist, wie man Politik definiert: Wenn man Politik nur als Herrschaft begreift, dann ist das Etikett unweiblich durchaus angebracht. Wenn man Politik aber im Sinne Hannah Arendts so begreift, dass man das als richtig und wichtig Erkannte gemeinsam mit anderen durchzusetzen will, dann ist Politik weder männlich noch weiblich, sondern menschlich. In der Politik soll es um Beteiligung, gemeinsame Lösungen und Kompromisse gehen.

Meilensteine für Frauen

Was sind aus Ihrer Sicht die historisch wichtigsten Stationen auf dem Weg der Frauen in die Politik?

Ursula Männle: Ein zentrales Ereignis war im Jahr 1908, als der Vereinsparagraph und das Verbot fiel, dass Frauen politische Veranstaltungen besuchen durften. Erst ab dann war politische Beteiligung auch für Frauen überhaupt möglich. Ein weiterer Meilenstein war im Jahr 1918, als das aktive und passive Wahlrecht für Frauen zuerst in Bayern und dann im Bund eingeführt wurde. 1949 wurden dann durch das Grundgesetz in Art. 3 Männer und Frauen gleichberechtigt. Die aktive Frauenförderung durch den Staat kam aber erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Rahmen der Verfassungsanpassung ins Grundgesetz.

Positiver Wert des "Unkrauts"

Der frühere bayerische Landtagspräsident Michael Horlacher beschrieb circa 1950 die Rolle der Frauen in der Politik so: „Als einzelne wirkt die Frau wie eine Blume im Parlament, aber in der Masse wie Unkraut.“ Wie stehen Frauen heute in der Politik da: Blume oder Unkraut?

Ursula Männle: Nur schmückendes Beiwerk sollen die Frauen nicht sein, sondern sich im Gegenteil aktiv in die Politik einbringen. Im Übrigen ist heute längst der ökologisch positive Wert des Unkrauts erkannt!

"Mitmachen ist die Devise"

Noch immer sind Männer in der Politik deutlich in der Überzahl, auch wenn der Frauenanteil auf derzeit 30,7 Prozent im Bundestag und auf 28,3 Prozent im Bayerischen Landtag gestiegen ist – was wäre aus Ihrer Sicht erforderlich, mehr Frauen für die Politik zu begeistern und in Mandate, aber auch auf wichtige Positionen und Posten in den Parteien zu bringen?

Ursula Männle: Frauen muss klar sein, dass Politik auch sie selbst sehr stark betrifft. Und, dass sie gerade in und mit der Politik viel verändern können. Diese Beteiligung ist wichtig innerhalb der Parteien, denn solange die Frauen auch in den Parteien in der Minderheit sind, ist es schwerer, Frauen in Mandate und Positionen zu bringen bzw. durchzusetzen. Daher ist Mitmachen die Devise. Schon jetzt bestehen Programme, wie das Mentoring-Programm der Frauen Union, die Politik ganz praktisch erlebbar machen. An solchen Maßnahmen muss man eben teilnehmen, wenn man sich in die Politik aktiv einbringen will. Hier wird das erforderliche Handwerkszeug vermittelt.

"Zusammenwirken beider Geschlechter nötig"

Was bringt es der Gesellschaft, wenn mehr Frauen in der Politik aktiv mitmachen?

Ursula Männle: Ganz pauschal: Männer und Frauen gehen Politik anders an. Sie setzen auch oft andere Themenschwerpunkte. Frauen haben grundsätzlich vielfältigere Lebensentwürfe, weil sie sich mit völlig unterschiedlichen Lebensbereichen befassen, wie z. B. Beruf und Kindererziehung, und sich in anderen, eher nach innen gerichteten ehrenamtlichen Tätigkeiten, wie z. B. im Elternbeirat etc. engagieren; anders als Männer, die eher in nach außen gerichteten ehrenamtlichen Tätigkeiten aufgehen. Es ist wichtig, dass auch diese Erfahrungen der Frauen in die Politik eingebracht werden. Politik würde verarmen, wenn dies nicht der Fall wäre. Frauen haben eine andere, mehr gemeinschaftliche, konsensuale Art, Konflikte zu lösen und Herausforderungen zu meistern. Politik bedarf aber des Zusammenwirkens beider Geschlechter, denn sonst würde eine negative Einseitigkeit entstehen.


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