Kinder, die morgens ohne Frühstück aus dem Haus gehen, Mädchen und Buben, die kein Pausenbrot in die Schule mitbekommen – das ist keine Szene aus einem fernen Land. Das gibt es mitten in München, in der bayerischen Landeshauptstadt mit ihren sauberen Gehwegen und explodierenden Immobilienpreisen. Und es sind keine Einzelfälle in den so genannten sozialen Brennpunkten. Not ist stadtteilübergreifend.
Das wissen auch Sybille Bayerl und Nori Stöckert. Aus diesem Grund gründeten sie vor über sechs Jahren gemeinsam mit Caroli Dienst den Verein "Kinder ohne Hunger e.V.". Erklärtes Ziel des Vereins ist es, Münchner Kindern aus sozial benachteiligten Familien aktiv zu helfen und ihnen Spaß am gesunden Essen und der Zubereitung zu vermitteln. Und das beginnt eben mit dem Frühstück. "Wir unterstützen Schulen mit Frühstücksprojekten", sagt Sybille Bayerl. "Dafür brauchen wir eine zuverlässige Person in der Schule, die das Frühstück vorbereitet, zum Beispiel einen Schulsozialarbeiter. Idealerweise ist auch noch eine Mutter dabei." Der Verein hilft finanziell. "Aber einkaufen müssen die Personen selbst", betont Bayerl. "Wir legen dabei viel Wert darauf, dass gesunde und hochwertige Lebensmittel auf den Tisch kommen. Das überprüfen wir auch, da wir in regelmäßigem Kontakt mit den Schulen und Einrichtungen stehen, die wir unterstützen."
Meistens zwischen 7 und 7.30 Uhr öffnen die Schulen, die ein Frühstücksprojekt anbieten, ihre Pforten für die Kinder. "Es gibt wirklich Kinder, die ab 7 Uhr vor der Tür stehen und sehnsüchtig warten", weiß Nori Stöckert. Angeboten wird das Frühstück in einem Raum, den die Schule zur Verfügung stellt, zum Beispiel in einer Mittagsbetreuung. "Es ist wichtig, dass sich die Kinder hinsetzen und in Ruhe essen können", sagt Sybille Bayerl. Weitere Voraussetzung sei natürlich eine Küche, in der alles zubereitet werden könne. "Die muss gar nicht groß sein."
Wie wichtig der Start in den Tag mit einem gesunden Frühstück ist, ist bekannt. Kinder, die ohne Frühstück in den Unterricht gehen müssen, leiden häufig an Konzentrationsschwäche. Schlechte Noten und Misserfolge sind die langfristige Konsequenz und damit ein schlechter Start in die Zukunft. "Es gibt Familien, die sich so ein gesundes Frühstück einfach nicht leisten können. Einigen fehlt auch das Bewusstsein dafür", so Bayerl. Im aktuellen Schuljahr 2014/15 unterstützt der Verein sieben Schulen mit einem gesunden Frühstück, darunter das Sonderpädagogische Förderzentrum Unterhaching, die Carl-von-Linde Realschule an der Schwanthaler Höhe und die Mittelschule an der Führichstraße in Ramersdorf. In der Ramersdorfer Einrichtung sucht der Verein noch dringend einen Helfer. "Wir brauchen engagierte Leute vor Ort", sagt Bayerl. "Wichtig ist, dass sie auch konstant dabei bleiben, dass man sich auf sie verlassen kann."
Wer im Verein als Frühstückspate aktiv werden will, ist jederzeit willkommen. "Es sollte auf jeden Fall jemand mit Einfühlungsvermögen sein." Denn: Die Frühstückspaten bereiten nicht nur das Essen zu, sie sind häufig auch Zuhörer und Ansprechpartner für die Kinder, die nicht nur mit leerem Magen in die Schule kommen, sondern oftmals auch mit häuslichen Problemen. "Wir erkennen diesen Einsatz an und vergüten ihn mit zehn Euro pro Stunde", sagt Bayerl. "Wir wissen, dass es ohne diese Helfer gar nicht ginge."
Als Konkurrenz zu anderen Anbietern mit Frühstücksprojekten sieht sich "Kinder ohne Hunger e.V." nicht. Es gebe auf diesem Gebiet so viel zu tun, dass das eine Organisation alleine gar nicht stemmen könne, sind sich Bayerl und Stöckert einig.
In einem weiteren Projekt bietet der Verein Kochkurse für Kinder und Jugendliche an. "Kinder können kochen" nennt sich das Konzept. Dabei lernen die Teilnehmer spielerisch, selber Mahlzeiten zu planen, die richtigen Zutaten einzukaufen und unter Anleitung zuzubereiten. Natürlich geht es dabei ums Essen. Aber nicht nur. "Es wird alles in der Gemeinschaft zubereitet", sagt Bayerl. Dadurch würden die Kinder und Jugendlichen sich besser kennenlernen und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt. Zusammen an einem Tisch zu sitzen und zu essen – für viele Kinder sei das eine ganz neue Erfahrung. Angeboten wird "Kinder können kochen" in Einrichtungen wie Jugendzentren, Schulen, Kindertagesstätten. Dabei stehen dem Verein zumeist Studenten der Sozialpädagogik zur Verfügung. "Die haben einen tollen Draht zu den Kindern und sind mit viel Einsatz dabei", schwärmt Sybille Bayerl.
"Kinder ohne Hunger e.V." finanziert sich über Spenden. Charityveranstaltungen gehören zu den Aktivitäten des Vereins, ein Christbaumverkauf im vergangenen Jahr war ebenfalls erfolgreich und soll in diesem Jahr wieder durchgeführt werden. Außerdem hatten sich 47 sportbegeisterte Unterstützer beim München Marathon bzw. dem Halbmarathon und 10 Kilometer-Lauf angemeldet, der kürzlich ausgetragen wurde. So sammeln sie Cent um Cent, denn eines ist klar: Jede noch so kleine Spende hilft ungemein weiter. "Man braucht gar nicht so viel, um ein gesundes Essen zuzubereiten", sagt Bayerl. Und sie dehnen ihre Aktivitäten gerne aus. "Wir sind dankbar für jeden Hinweis, wo wir helfen können."
"Kinder ohne Hunger e.V." ist ein kleiner, handverlesener Verein von derzeit vier Frauen, die von zwei Frauen in einzelnen Projekten unterstützt werden. Sie alle sind ehrenamtlich im Einsatz. "Wir machen das gerne, auch wenn wir die Welt damit nicht retten können", sagt Sybille Bayerl. Das können sie nicht. Aber sie können sie ein bisschen besser machen. Und satter.
Weitere Informationen gibt es unter www.kinder-ohne-hunger.org im Internet.