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"Morphium bringt nicht den Tod"

Letzte Hilfe Kurs will Angehörige im Umgang mit Sterbenden stärken

"Tod, Sterben und Trauer geht jeden an", sagte Katarina Theißing, die den Letzte Hilfe Kurs leitete. (Bild: tab)

Das Wetter, der Urlaub, der Hausbau – das sind die perfekten Themen für das kleine Gespräch zwischendurch. Der Tod gehört sicher nicht dazu. Obwohl er doch mitten unter den Lebenden ist. Jeden Tag. Im Fernsehen, in der Zeitung und manchmal auch im Bekanntenkreis. Und plötzlich ist er dann da. In der eigenen Familie. Was jetzt? Was tun gegen Angst, Hilflosigkeit, Verzweiflung? Wie geht man richtig mit einem sterbenden Angehörigen um?

Einander beistehen

In einem Letzte Hilfe Kurs wurde nun genau das thematisiert: das Umsorgen von schwer erkrankten und sterbenden Menschen am Lebensende. "Einander beistehen am Ende des Lebens" lautet der Untertitel des Kurses, der vom Christophorus Hospiz Institut für Bildung und Begegnung (IBB) und dem Münchner Bildungswerk angeboten wird. Im vergangenen Jahr wurde er an vier verschiedenen Orten im Stadtgebiet durchgeführt. In diesem Jahr folgen weitere Kurse.

Rund 15 Interessierte hatten sich im Dominikuszentrum im Münchner Norden eingefunden, um sich ganz bewusst mit einem unbequemen Thema auseinanderzusetzen: dem Sterben, dem Tod, dem Abschied. "Das ist ein Thema, dem viele Menschen gerne aus dem Weg gehen", sagte Katarina Theißing, ausgebildete Altenpflegerin und Master in Palliative Care. Seit rund elf Jahren ist sie beim Christophorus Hospiz Verein im stationären Hospiz tätig. Katarina Theißing weiß, wie der Tod aussieht.

"Das geht jeden an"

"Die Letzte Hilfe Kurse liegen mir besonders am Herzen", betonte sie. Mit dem Konzept wolle man mehr Menschen "an dieses Thema locken". Mittlerweile gebe es rund 200 Kursleiter in Deutschland, auch in Österreich und den skandinavischen Ländern würden die Letzte Hilfe Kurse angeboten. Die Idee, die sich dahinter verberge, sei, die Kurse überall anzubieten, etwa in Sportvereinen und Unternehmen. Denn: "Tod, Sterben und Trauer geht jeden an. Es ist gut, grundlegendes Wissen darüber zu haben. Nichtwissen macht die Tür auf für so viele Phantasien über Tod, Sterben und Trauer, die mit der Realität nicht mehr viel zu tun haben", ist Katarina Theißing überzeugt.

Wann beginnt der Sterbeprozess? Mit dieser Eingangsfrage regte Katarina Theißing die Teilnehmer zur Reflexion an. Und schnell wurde klar: Auf das Sterben lässt sich durch verschiedene Brillen schauen. Genaugenommen beginne das Sterben ab dem Tag der Geburt, so eine Teilnehmerin. Schließlich laufe ab da die Zeit rückwärts. Für andere Besucher beginnt das Sterben beispielsweise mit der Diagnose einer unheilbaren Krankheit. "Es kommt auf den Blickwinkel an", stimmte Katarina Theißing zu. Während die Medizin von einem relativ kurzen Zeitraum ausgehe, "beginnt für die Psychologie das Sterben, wenn jemand objektiv vom Tod bedroht ist".

Wenn das Interesse nachlässt

Ausführlich erklärte die Kursleiterin den Teilnehmern, woran man erkennt, dass ein Mensch stirbt. Zu den frühen Anzeichen gehöre unter anderem das abnehmende Interesse an essen und trinken, extreme Schwäche und Müdigkeit. "Auch das Interesse an den Mitmenschen und der Umwelt lässt nach. Man spricht dabei vom ,sozialen Tod'", so Katarina Theißing. Späte Anzeichen des bevorstehenden Todes seien zum Beispiel zunehmende Verwirrung sowie eine veränderte Bewusstseinslage. "Die Atem- und Kreislauftätigkeit verändert sich, die Atmung wird unregelmäßig", sagte sie. Ein typisches Anzeichen sei zudem die rasselnde Atmung.

Mundpflege kann Durstgefühl lindern

Ein wichtiges Thema sprach Katarina Theißing mit Blick auf die Bereiche Essen und Trinken an. "In der Regel hören Sterbende auf zu essen und zu trinken, die Körperfunktionen werden schwächer", sagte sie. "Ein sterbender Mensch kann mit einer geringen Menge an Flüssigkeit leben, denn der Köprer braucht weniger Energie. Wenn Patienten sagen, dass sie durstig sind, ist oft der Mund trocken", so die Kursleiterin. Mundpflege helfe, das Durstgefühl zu lindern. Dabei empfahl sie den Teilnehmern hohe Achtsamkeit, da es sich um einen sehr intimen Körperbereich handele. Es sei ratsam, vorsichtig über die Lippen einen angenehmen Geschmack anzubieten. "Dies kann zum Beispiel mit einer Pipette oder einem Watteträger geschehen. Oder Sie wickeln sich eine getränkte Kompresse um den Finger." Werde dies vom Patienten angenommen, könne so weiterverfahren werden bis in den Mund hinter die Lippen. Das Angebot solle regelmäßig wiederholt und die Lippen eingefettet werden. Gut sei auch, für eine hohe Luftfeuchtigkeit im Raum zu sorgen und gut zu lüften.

Katarina Theißing appellierte an die Kursteilnehmer und alle Angehörigen sich klarzumachen, dass der Patient nicht verdurstet. "Man stirbt nicht, weil man aufhört zu essen und zu trinken, sondern man hört auf zu essen und zu trinken, weil man stirbt", brachte sie es auf den Punkt.

Medikamente am Lebensende

Zu einer Symptomlinderung gehöre es auch, einfach da zu sein, die Situation mit auszuhalten und für eine angenehme Atmosphäre zu sorgen, etwa durch beruhigende Musik oder Aromatherapie. Katarina Theißing zählte schließlich noch die vier wichtigsten Medikamente am Lebensende auf. Dazu gehöre Midazolam, das gegen Angst und Unruhe wirke, Haloperidol gegen Übelkeit, Erbrechen, Verwirrtheit und Halluzinationen, Butylscopolamin gegen rasselnde Atmung und Darmverschluss und Morphium gegen Schmerzen und Atemnot. "Haben Sie keine Angst vor Morphium. Es bringt nicht den Tod, sondern hilft Schmerzen und Atemnot zu lindern", machte sie den Anwesenden klar.

Rituale helfen

Kurz angeschnitten wurden in dem Kurs zudem Themen wie Vorsorgevollmacht und Bestattungsmöglichkeiten. Auch Rituale während des Sterbeprozesses sowie Abschiedsrituale wurden von Katarina Theißing angesprochen. So könnten individuelle Familienrituale aber auch gemeinsames Singen oder Beten nicht nur den Sterbenden helfen, sondern auch den Angehörigen. Nach dem Tod sei es wichtig, sich Zeit für den Abschied zu nehmen, eventuell Kleidung für den Verstorbenen herauszusuchen oder auch bei der Waschung dabei zu sein. "Rituale machen Situationen handhabbar und helfen, mit Grenzerfahrungen umzugehen", schloss Katarina Theißing.

Der Initiator

Die Idee der Letzten Hilfe Kurse stammt von Dr. Georg Bollig aus Schleswig. Er ist Palliativmediziner, Notfallmediziner und Forscher und arbeitet als Oberarzt im Bereich Palliativmedizin und Schmerztherapie des Helios Klinikums Schleswig sowie am Institut für klinische Medizin der Universität Bergen, Norwegen.

Die nächsten Termine

Montag, 12. März: 17.30 bis 21 Uhr im Münchner Bildungswerk (Dachauer Str. 5)

Donnerstag, 26. April: 18 bis 21.30 Uhr in der katholischen Pfarrgemeinde St. Franz Xaver, (Sonnenspitzstr. 2)

Freitag, 4. Mai: 14 bis 17.30 Uhr in St. Bonifaz (Karlstr. 34)

Eine Anmeldung für alle Termine ist möglich unter Tel.(089) 545805-0 beim Münchner Bildungswerk.


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