Mitdenken, mitmachen
1.000 kleine Schritte, die jeder mitgehen kann
Es waren einmal eine Grille und eine Ameise. Während die Ameise sich den ganzen Sommer abmühte, um Vorräte in ihren Bau zu schleppen, tanzte und fidelte die Grille und machte sich über die Ameise und ihre Schufterei lustig. So erzählt es Jean de La Fontaines Fabel. Doch dann kamen Winter und Schnee, kein Halm war mehr zu finden. "Hast du auch so einen Hunger wie ich?" fragte die Grille frierend die Ameise. "Ja", sagte die Ameise, "deswegen laufe ich jetzt schnell in mein Nest, wo wir genug Vorräte haben. Aber du hast die ganze Zeit gezirpt. Jetzt kannst du leider nur noch tanzen."
Hinter dem Horizont
Nachhaltigkeit heißt, rechtzeitig vorzusorgen und "auf das Ende zu achten" (so rieten es die Römer bei jeglichem Tun) - also die Folgen nicht ganz außer acht zu lassen. Allerdings tun wir heute viele Dinge, deren Auswirkungen sich irgendwo hinter dem Horizont verbergen. Deswegen fällt es so unverschämt leicht, bequem zu sein: Das, was da kommen mag, ist außer Sichtweite und - noch besser - geht zuerst auf Kosten Anderer.
So stürzen wir uns begeistert auf die "E-Scooter" (ohne daran zu denken, wie wir die vielen Akkus nach spätestens 18 Monaten entsorgen), kaufen gerne billige Lebensmittel (ohne einen Gedanken an Massentierhaltung zu verschwenden), bestellen täglich bei Amazon und anderen globalen Kraken (ohne zu verstehen, dass wir damit unsere Viertel ausbluten), halten Uber für eine annehmbare Alternative (ohne sagen zu können, wer "unrentable" Fahrten wie zum Arzt übernehmen wird, wenn es keine Taxis mehr gibt), schlürfen Coffee to go (ist ja nur einer) und posten rasch einen geharnischten Halbsatz in "sozialen" Medien (ohne uns zu wundern, dass der Ton ringsum immer bösartiger wird).
Wir sind Meister
Wir Menschen sind Meister darin, genau zu wissen, was schlecht ist, und es trotzdem mit dem allerbestem Gefühl zu tun. Wie beim Spicken in der Schule: Jeder weiß, dass es unfair ist. Macht man's selber, hat es natürlich einen ebenso triftigen wie entschuldbaren Grund (hätte es auch ohne gewusst / die anderen tun's auch / die Aufgaben waren viel zu schwer).
Nachhaltigkeit heißt, nicht mehr zu verbrauchen als man hat. Wer Getreide erntet, wird einen Teil zurückhalten, um im nächsten Jahr aussäen zu können. Dieser Kreislauf läuft seit Jahrtausenden wie ein Perpetuum mobile. Wer alles zu Mehl verarbeitet und Kuchen backt, bricht diesen Kreislauf ab. Ihn ohne Saatgut wieder in Gang zu setzen, wenn der Kuchen aufgegessen ist, ist unendlich schwer - womit auch?
"Nachhaltigkeit" beschäftigt inzwischen viele Menschen. Aber wie sollen wir als Einzelne die gewaltigen globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Abschmelzen der Gletscher und Artensterben bewältigen? "Es ist besser, wenigstens eine Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen", sagen die Chinesen. Und: Jede lange Reise beginnt mit einem ersten - zwangsläufig kleinen - Schritt. 300 Menschen beschreiben in dieser und den folgenden Ausgaben ihre kleinen Schritte. Wetten, dass darunter einige sind, den Sie mitgehen können?
Und wenn sie nicht gestorben sind?
Natürlich sind Grille und Ameise gestorben (die Grille noch im nämlichen Winter). Die Kinder und Enkel der Ameise lebten jedoch wunderbar. Und deren Kinder und Enkel auch.
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