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"Man wächst an diesen Herausforderungen"

Die Heilpädagogische Tagesstätte der Aktion Sonnenschein lässt sich von der Corona-Pandemie nicht kleinkrie

Im Februar schaute Maria Bernlochner (l.) als Wahrsagerin in eine rosige Zukunft. Leider wollte das Corona-Virus dabei nicht mitspielen. (Bild: Aktion Sonnenschein)

"Wir sind wieder im Ausnahmezustand angekommen", stellt Maria Bernlochner fest. Seit September leitet die Erzieherin und Puppenspielerin die Heilpädagogische Tagesstätte (HpT) der Aktion Sonnenschein und eigentlich hatte sie gedacht, dass die Einrichtung nach den Sommerferien langsam wieder zur Normalität zurückkehren könne. Doch inzwischen herrscht wieder Maskenpflicht für alle, es wird oft gelüftet und die Pandemie ist so gegenwärtig wie eh und je.

Aus der Hand gelesen

Im Februar hatte Maria Bernlochner den Kindern der HpT noch weisgesagt, dass die Zukunft rosig sei und ein unbeschwerter Sommer bevorstünde. Damals – die zweite Welle war gerade am Abklingen – konnte kein gemeinsames Faschingsfest in der Tagesstätte stattfinden und so wurden kleine, Corona-konforme Feiern in den einzelnen Gruppen organisiert. Maria Bernlochner war als Wahrsagerin verkleidet unter Beachtung der Hygieneregeln unterwegs von Gruppe zu Gruppe, las den Kindern und Jugendlichen aus der Hand, blickte in die Kristallkugel und suchte im Kaffeesatz nach der Zukunft. Schon da war eigentlich klar, welches der größte Wunsch der Mädchen und Jungen war: sich wieder unbeschwert treffen zu können.

Dass dann bereits im März die dritte Corona-Welle begann, machte sämtliche angedachte Lockerungen zunichte: Das Highlight des Jahres, die HpT-Übernachtung musste ausfallen und auch das Sommerfest wurde gestrichen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern wurde zwar durch Eltern-Einzelgespräche aufrechterhalten, doch die sonst gute Vernetzung der Eltern untereinander lag ziemlich brach.

"Das Team ist großartig"

Das Team der HpT habe alles darangesetzt, den Gruppenalltag normal weiterzuleben, berichtet Maria Bernlochner. Man habe viele Aktivitäten nach draußen verlagert, Ausflüge ins Umland und an den See unternommen, eine Märchenstunde im Wald gemacht. "Wir Pädagogen müssen erahnen, was die Kinder brauchen", sagt sie. Insgesamt sei man relativ unbeschadet durch dieses Jahr gekommen.

"Man wächst an diesen Herausforderungen", konstatiert die HpT-Leiterin. Inzwischen sei man schon vorbereitet und könne besser ausloten, was machbar ist. Immer noch werde viel draußen unternommen, eine Fackelwanderung zum Beispiel. "Selbst im Chaos liegt Routine", fügt sie schmunzelnd hinzu. "Das Team ist großartig, es lässt sich immer etwas einfallen, um mit den Kindern die Situation unaufgeregt zu durchleben." Was weggefallen ist, ist die Sponanität. So mussten beim Besuch einer Keramikwerkstatt alle getestet sein, inklusive der Keramikerin. Es müsse alles genau vorgeplant werden, das sei natürlich erhöhter Aufwand fürs Team, erklärt Maria Bernlochner.

Die Kinder am Bedarf abholen

"Unsere Kinder haben viel Sozialkompetenz", betont die HpT-Leiterin. Die Fürsorge und das Interesse füreinander hätten während der ganzen Corona-Zeit nie abgenommen. Als Beispiel nennt sie die Situation in einer Gruppe, deren Struktur sich nach den Sommerferien stark verändert hatte. Vier Kinder seien weggegangen und unter den verbliebenen Kindern hätte sich eine diffuse Traurigkeit ausgebreitet. Nachdem sich die Gruppenleiterin deswegen mit Maria Bernlochner ausgetauscht hatte, war diese mit einer ihrer Handpuppen, einer Eule, in die Gruppe gekommen. Die Eule hatte den Kindern dann erzählt, dass es immer wieder Abschiede im Leben gibt, dass man seine Erinnerungen an die Menschen aber behalten und sie hervorholen kann, um an gemeinsame Erlebnisse zu denken. Die Eule schenkte den Kindern dann noch kleine Beutel, in die sie Fotos und andere Erinnerungen stecken konnten. "Es ist die Puppe, die präsent war, nicht unbedingt Maria", erläutert die Theaterpädagogin und fügt hinzu: "Man muss die Kinder am Bedarf abholen. Das ist meine Aufgabe als Pädagogin." Geholfen hat der Rat der weisen Eule augenscheinlich. Die Gefühle in der Gruppe hätten sich beruhigt.

Schnittstelle

Als HpT-Leitung sieht sich Maria Bernlochner als Schnittstelle zwischen den Kindern, den Eltern, dem Team und der Aktion Sonnenschein. Man müsse von Kopf bis Fuß für die Sache da sein und sich immer wieder fragen, was brauchen die Kinder, was braucht das Team, aber auch wie kann man die Eltern unterstützen. Das Team kenne sie als Kollegin, jetzt gelte es, sich neu kennenzulernen. Maria Bernlochner hat ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deshalb ins Stadtmuseum eingeladen und sie durch die Puppenabteilung geführt, denn solche Führungen bietet sie als Puppenspielerin seit langem an. "Das schafft neue Perspektiven", meint sie. Ihr Büro wiederum steht nicht nur dem Team, sondern auch den Kindern offen. Sie sind hier herzlich willkommen. Neben Schreibtisch, Ordnern und PC findet man Spielsachen und Bücher. Denn eines ist für Maria Bernlochner, ihre Stellvertreterinnen Christina Hutter und Magdalena Anghi und für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HpT klar: "Etwas Wichtigeres als die Kinder gibt es nicht."

 

 


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