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"Lehrer sind für mich Helden des Alltags"

BLLV fordert für Schulen solide Personalplanung statt kurzfristigem Nachbessern und Leugnen

Simone Fleischmann ist Präsidentin des BLLV. (Bild: BLLV)

Wer schulpflichtige Kinder hat, kann ein Lied davon singen: Ständig fällt Unterricht aus, Lehrer fehlen - schon bei den Allerkleinsten: "Nach unseren Berechnungen gehen bis zum Jahr 2030 rund 10.600 Grundschullehrkräfte in Pension, das sind 40 Prozent", sagt Simone Fleischmann. Sie ist die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). "Gleichzeitig steigen die Schülerzahlen an den bayerischen Grundschulen im selben Zeitraum um 12 Prozent. Um diese Lücke zu schließen, wären weitere 3.200 Lehrerinnen und Lehrer nötig." Im Gespräch mit Johannes Beetz von den Wochenanzeigern forderte Simone Fleischmann, die seit Jahren bekannte Not vieler Schulen nicht länger zu leugnen, sondern die Rahmenbedingungen für Lehrer endlich zu verbessern.

"Lehrer kommen an die Grenzen der Belastbarkeit"

Der Fachkräftemangel ist auch an vielen Schulen zu spüren: Lehrer fehlen oder unterrichten in "fremden" Fächern, Unterricht entfällt. Wie bewerten Sie den Mangel?

Simone Fleischmann: Der BLLV hat bereits zu Schuljahresbeginn im September 2017 klargestellt: Ohne Einbußen an der geforderten und gewünschten Bildungsqualität geht es nicht mehr. Die Herausforderungen an unseren Schulen sind zu groß angesichts der mangelnden Lehrerversorgung. Diese sind: Inklusion, Integration, Digitale Schule, Ganztagsschule und Individuelle Förderung. Das alles gibt es nicht zum Nulltarif und nicht länger on top.

Unsere Lehrerinnen und Lehrer tun alles Menschenmögliche, damit die Unter(richts)versorgung nicht zu Lasten der Kinder geht. Die Lehrerinnen und Lehrer sind für mich Helden des Alltags, die trotz schwierigster Rahmenbedingungen Großartiges leisten. Aber sie kommen dabei immer mehr an die Grenzen der Belastbarkeit.

 

"Die Situation spitzt sich seit vielen Jahren zu"

Was muss die Politik tun, um Nachwuchs zu gewinnen - und ihn auch in "Zuzugsregionen" wie München und seinem Umland zu halten?

Simone Fleischmann: Die Politik muss aufhören, auf die Not an den Schulen immer nur mit kurzfristigen Maßnahmen zu reagieren. Wir erleben in Bayern stark regionale Unterschiede, was die Unterrichtsversorgung betrifft. Es gibt viele Schulen, die händeringend nach Lehrkräften oder auch Schulleitungen suchen, diese aber nicht finden. Hier ist die Politik gefragt, Angebote zu schaffen, um die Attraktivität der Standorte zu erhöhen.

Zudem brauchen wir Lösungen, die dauerhaft tragen. Dazu gehört insbesondere eine längerfristige und solide Personalplanung. Es kann nicht sein, dass immer nur kurzfristig nachgebessert wird, und das dann zu Lasten der Schulen und damit zu Lasten der Kinder und Jugendlichen geht. Die Situation spitzt sich seit vielen Jahren zu und wird sich aufgrund der vielen Pensionierungen und des Schülerzuwachses in den nächsten zehn Jahren auch langfristig nicht ändern, wenn nichts getan wird. Diese Entwicklung wurde vom Kultusministerium vielfach schön geredet und geleugnet.

 

"Das derzeit praktizierte Konzept ist zu starr"

Welche Forderungen diesbezüglich vertritt der BLLV?

Simone Fleischmann: Neben einer soliden Personalplanung muss die Attraktivität des Lehrberufs gesteigert werden. Dazu gehören mehr Aufstiegsmöglichkeiten, eine bessere Bezahlung und eine qualifizierte Vorbereitung auf Leitungsaufgaben. Schulleiter müssen die Zeit, die für diese anspruchsvolle Aufgabe nötig ist, neben ihrer Lehrtätigkeit auch zur Verfügung haben. Hier sehe ich dringenden Nachholbedarf.

Vor allem aber müssen endlich die Weichen in der Lehrerbildung sinnvoll gestellt werden. Es gilt, die Qualität der Lehrerbildung zu steigern, die Flexibilität zu erhöhen und die Mobilität zwischen den Schularten zu gewährleisten. Das derzeit praktizierte Konzept ist zu starr und wird den veränderten Anforderungen und Bedarfen nicht mehr gerecht.

 

"Alle müssen mitwirken"

Was können die Kommunen vor Ort tun, um die Situation für die Schulen zu verbessern?

Simone Fleischmann: Sie haben auf die regionalen Unterschiede je nach Bezirk, Kreis oder Gemeinde hingewiesen. Diese Differenzen bestehen auch bei den Investitionen im schulischen Bereich wie dem Schulbau. Um diese zu stemmen und den Bau bzw. die Infrastruktur im Bildungsbereich dauerhaft zu verbessern, müssen alle föderalen Ebenen mitwirken und politische Spielräume genutzt werden. Nur so können die bayerischen Schulen zukunftsfest gemacht werden. Es geht also mehr denn je darum, dass die an Bildung beteiligten Menschen und Institutionen zusammenarbeiten, wenn sie den Herausforderungen jetzt und in Zukunft gerecht werden wollen.


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