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Leben auf dem Grab

Drei Auszubildende legen praktische Prüfung zum Friedhofsgärtner ab

Geschafft! Stefanie Sertoglu ist auf der Zielgeraden zur Friedhofsgärtnerin. (Bild: tab)

Rotweißes Absperrband bewegt sich sanft im Wind, Paletten mit Pflanzen, Gießkannen und Erdsäcke liegen auf der Wiese und an Bierbänken sitzen Männer und warten: Irgendetwas ist anders an diesem Julivormittag im Westfriedhof. Es ist ein wichtiger Tag für Stefanie Sertoglu und Florian Marb, denn sie stecken mitten in der praktischen Abschlussprüfung zum Friedhofsgärtner.

Florian Marb, Auszubildender der Gärtnerei Strobel, entfernt sich einige Schritte von der Grabstelle, wirft einen kritischen Blick darauf, wie ein Maler auf sein Bild. Dann pflanzt er weiter, drückt fest, schneidet zurecht. Gleich daneben kniet Stefanie Sertoglu von der Gärtnerei Wagner an "ihrem" Grab und arbeitet hochkonzentriert.

Erst einmal rechnen

Insgesamt treten an diesem Tag drei Auszubildende – eine wird am Nachmittag kommen – zur Prüfung an. Schon einige Tage vorher wurden die Grabstellen, die sich unweit des Eingangs Sadelerstraße befinden, ausgelost. "Das sind natürlich keine echten Gräber", sagt Andreas Müller, Prüfer und Gärtnermeister. "Die Auszubildenden hatten dann Zeit, sich mit der Grabstelle zu befassen und sich die Bepflanzung zu überlegen." Eine umfangreiche Aufgabe. Denn nur mit "einfach pflanzen" ist es hier nicht getan. Zunächst galt es, die Grabgestaltung auf Papier zu bringen. Und zwar gemäß den Richtlinien des Bundes deutscher Friedhofsgärtner (BdF). Doch damit nicht genug der Vorarbeit. "Dazu gehört natürlich auch die Kalkulation", sagt Andreas Müller. "Die Prüflinge müssen berechnen, wie viel Erde und Pflanzen sie benötigen und wieviel das Ganze zum Schluss kostet."

Die richtigen Pflanzen aussuchen

Dann folgt die praktische Umsetzung. "Hier geht es um sauberes und genaues Arbeiten. Die Prüflinge müssen zeigen, dass sie die richtigen Pflanzen für den Standort aussuchen können", weiß Andreas Müller. Zudem sei die Abstimmung der Farben ebenso wichtig wie die Gliederung der Fläche: welche Bodendecker, welche Rahmenbepflanzung, welche Wechselbepflanzung wird gewählt? Mit einbezogen werde schließlich auch die Gestaltung des Raumes. Will heißen: wird der Gedenkstein oder das Kreuz bei der Gestaltung berücksichtigt?

Stefanie Sertoglus Grabgestaltung geht dem Ende zu. Nochmal prüfen, nochmal nachschneiden. Schließlich greift sie zur roten Gießkanne und wässert das Grab. Fertig. Zufrieden steckt sie die Hände in die Hosentaschen und gönnt sich eine kurze Pause. Im Gespräch mit den Prüfern muss sie ihre Gestaltung nun begründen und Fragen beantworten. Doch nicht nur das Grab wird begutachtet. Zur Prüfung gehört zudem eine Schalenbepflanzung. Auch hier wird erklärt und Fragen beantwortet.

Die schriftliche Prüfung haben die Auszubildenden bereits hinter sich. Sie befinden sich nun direkt auf der Zielgeraden zum Friedhofsgärtner.

Die Ausbildung

In der Regel dauert die Ausbildung zum Friedhofsgärtner drei Jahre. Friedhofsgartenbau ist eine von sieben Fachsparten des Gartenbaus und schon seit 1950 eine Fachrichtung der Ausbildung zum Gärtner. Friedhofsgärtner sind Spezialisten für die Gestaltung, Anlage und Pflege von Grabstätten. Sie bringen Leben auf das Grab. Häufig befindet sich ihr Arbeitsplatz unter  Bäumen, neben alten Gemäuern, umgeben von Vogelgezwitscher und Natur. Wahre Oasen des Lebens. "Wer sich für diesen Beruf interessiert, sollte natürlich die Liebe zu Pflanzen mitbringen und die Bereitschaft, draußen zu arbeiten. Außerdem sind Kreativität und handwerkliches Geschick wichtig", sagt Andreas Müller. Man sei jeden Tag in einer anderen Situation. Das erfordere Flexibilität. "Und man sollte Empathie haben. Schließlich hat man es oft mit Menschen zu tun, die sich durch den Tod eines Angehörigen in einer Ausnahmesituation befinden." Zu den Inhalten der Ausbildung gehören unter anderem die Themen Ökologie, Natur- und Umweltschutz, das Arbeiten an und mit der Pflanze, der Einsatz, die Bedienung und die Wartung von Maschinen, das Herstellen von Trauerbinderei sowie die Beratung und der Verkauf.

Weitere Infos unter www.beruf-gaertner.de auf der Seite des Zentralverbands Gartenbau.


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