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"Kinder mit Handicaps haben auch das Recht, Fußball zu spielen"

Im Inklusionsteam des TSV Forstenried leben Kinder und Jugendliche ihren Fußballtraum

Michaela Ammers Augen strahlen, wenn "ihre" zehn Kinder freitags von 17.30 bis 19 Uhr zum Training in die Graubündener Straße 100 kommen. Florian (9), Felix (10), Lukas (11), Alex (12), Daniel (12), Lorenzo (13), Markus (13), Bünjamin (15), Fabian (16) und Nina (14) bilden unter Trainer Nunzio Baglieri ein Fußballteam der besonderen Art: Sie sind Mitglieder der Inklusionsmannschaft des TSV Forstenried. Inklusion bedeutet hier, dass jede und jeder von 6 bis 16 Jahren kommen und mitkicken kann - Ergebnisse sind nebensächlich, Druck in Form von Spieltabellen gibt es nicht. Es handelt sich um nicht-leistungsorientierten Sport, wodurch Kindern und Jugendlichen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen die Möglichkeit gegeben wird, ihren Fußballtraum in einer Mannschaft auszuleben.

Nina entfachte den Funken

Dass es seit 2012 ein Inklusionsteam, kurz I-Team, beim TSV gibt, ist der aufmerksamen Abteilungsleiterin Michaela Ammer zu verdanken. Sie beobachtete Andreas Gumbel dabei, wie er mit seiner geistig und körperlich beeinträchtigten Tochter Nina regelmäßig auf der Bezirkssportanlage des TSV zum Fußballspielen kam. "Die beiden waren immer sonntags da. Zu zweit haben sie sich Bälle zugespielt und ich fand es so schade, dass Nina nicht die Möglichkeit hatte, einer Mannschaft beizutreten und mit anderen Kindern im Team zu spielen", erinnert sich Michaela Ammer. "Nach einigen Gesprächen mit ihrem Vater habe ich mich gefragt, ob Nina nicht doch irgendwo aktiv spielen könnte. Sie hatte schon damals das Talent dazu, aber viel bewegender war ihre Freude am Fußball."

Ammers erster Rechercheweg führte sie ins Internet, wo sie herausfand, dass es beim TV Glaishammer Nürnberg zu dieser Zeit bereits ein I-Team gab. "Also habe ich mich mit Jugendspielgruppenleiter Johann Mini und Kreisjugendleiter Florian Weißmann vom Bayerischen Fußball-Verband in Verbindung gesetzt und nach den Voraussetzungen für die Gründung einer Inklusionsmannschaft gefragt. Es gibt praktisch keine, man braucht lediglich einen Sportplatz und einen engagierten Trainer, der gerne mit Kindern zusammenarbeitet."

Also wurde gemeinsam mit den Planungen losgelegt: TSV-Geschäftsführerin Christa Sieber entwarf den Flyer und Ninas Vater Andreas Gumbel half begeistert, diese zu verteilen. Nach nur wenigen Wochen fanden sich genug interessierte Eltern und Kinder, damit das Inklusionsteam im Sommer 2012 mit dem regelmäßigen Training starten konnte. Einen aufopferungsvollen Trainer fand Michaela Ammer kurze Zeit später in Nunzio Baglieri. Der heute 19-Jährige trainiert auch andere Mannschaften, hat sich das I-Team jedoch zur Herzenangelegenheit Nummer eins gemacht: "Kinder mit Handicaps haben auch das Recht, Fußball zu spielen", sagt er mit Nachdruck. "Beim TSV werden sie als ganz normale Spieler eingesetzt, aber ohne Leistungsdruck. Es macht ihnen Spaß, sie blühen beim Fußball richtig auf."

Von der Richtigkeit überzeugt

Aktuell gibt es in München und Umgebung sechs Vereine mit acht Inklusionsmannschaften. Über den Zeitraum von zehn Monaten tragen sie untereinander einmal monatlich ein Turnier aus.  Weitere Inklusionsturniere werden vom Fußball-Verband und der Handwerkskammer ausgerichtet. Dabei wird jedoch "darauf geachtet, nicht eine Leistungssport-Orientierung im Hinblick auf die Ausrichtung der I-Teams anzustreben", heißt es im Leitgedanken. "Sport, Spiel, Spaß und Therapie, durchaus leistungsmotiviert und leistungsmotivierend, sind gemäß der einvernehmlichen Festlegung Grundlage der gemeinsamen Spiele."

Erfolge werden auch ohne Druck sichtbar, wie Michaela Ammer voller stolz berichtet: "Das erste Hallenturnier im Januar 2013 in Neubiberg werde ich nie in meinem Leben vergessen. Die Eltern der Kinder dachten nicht, dass wir so gut abschneiden werden - zumal andere Mannschaften die Teams mit Spielern aus leistungsorientierten Mannschaften aufgefüllt hatten. Unser Team machte den dritten Platz und die Eltern hatten vor Freude Tränen in den Augen! Ab diesem Moment war ich absolut überzeugt, dass die Entscheidung zur Gründung eines Inklusionsteams die Richtige gewesen war."

Austausch untereinander

In der Tat ist den Kids die Freude beim Fußballspielen anzusehen. Sie unterhalten sich angeregt über die WM-Spiele und trainieren voller Elan. Komische Blicke oder spöttische Bemerkungen anderer Trainierender fallen dabei nicht, der Umgang miteinander ist freundlich und respektvoll. "Ich lege großen Wert darauf, dass alle Spieler, ob mit oder ohne Beeinträchtigung, einen ungezwungenen Umgang miteinander lernen", betont die Abteilungsleiterin. Sie scheint damit Erfolg zu haben, denn alle Kinder fühlen sich beim TSV regelrecht daheim.

Während des Trainings sitzen die Eltern in gemütlicher Runde auf der Terrasse, schauen dem Nachwuchs zu und tauschen sich untereinander aus. Inzwischen haben sich schon gute Freundschaften gebildet, so dass auch privat einiges unternommen wird: "Wir waren schon gemeinsam bein Bowling, manchmal grillen wir auch", sagt Andreas Gumbel. Er ist froh, dass durch Michaela Ammers Initiative nicht nur Nina, sondern auch andere Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen den Mannschaftssport gemeinsam ausüben und voneinander lernen können. "Es ist schön, dass unsere Kinder mit ihren Handcaps hier so genommen werden, wie sie sind", pflichtet ein anderer Vater bei und eine Mutter fügt hinzu: "Alle Kinder haben die Chance zu spielen. Sie entwickeln mit Gleichaltrigen wichtigen Teamgeist. Und auch wir als Eltern sind eine nette Gruppe geworden." Die Runde ist sich einig: Inklusion muss groß geschrieben und in der Öffentlichkeit bekannter gemacht werden.

Michaela Ammer freut sich über die glücklichen Gesichter: "Ich hoffe, ich kann andere Vereine, Trainer und Funktionäre dazu ermuntern, auch bei sich ein Inklusionsteam zu gründen. Es ist so einfach und auch der Bayerische Fußball-Verband unterstützt diese Initiative."

Weitere Informationen zur Inklusionsmannschaft des TSV Forstenried gibt es bei Michaela Ammer, Tel. 0173 7232863, E-Mail ammermichaela@web.de oder bei Trainer Nunzio Baglieri, Tel. 0173 2489575, E-Mail nunzio-1995@live.de. Fragen an den Bayerischen Fußball-Verband können per Mail an handicap-fussball@bfv.de geschickt werden.

 

 

Turniere beim TSV

Der TSV Forstenried lädt am Samstag, 5. Juli, von 9 bis 17 Uhr zum großen Hammerschmid-Turnier. Austragungsort ist die Bezirkssportanlage (BSA) an der Graubündener Str. 100. Neben einem bunten Rahmenprogramm für Groß und Klein mit Luftballonsteigen, Dosenschießen, Tombola und einer Wasserbombenschlacht bei gutem Wetter werden auch Kaffee und Kuchen sowie kleine Leckerein geboten. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, der Veranstaltung beizuwohnen und den Verein kennenzulernen.

Am Sonntag, 6. Juli, findet ebefalls auf der BSA von 11 bis 17 Uhr das Horst-Schneider-Gedächtnisturnier statt, bei dem die Jahrgänge 2001 und 2002 sowie das Inklusionsteam ihr Können zeigen werden. Auch hierzu sind alle Interessierten herzlich willkommen!


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