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"Jeder, der zupacken will, ist willkommen!"

400 Langzeitarbeitslose sollen über ein neues Projekt wieder einen Job finden

Wir gehören zusammen: Im März zählte das Jobcenter 10.881 Langzeitarbeitslose in München. 400 davon sollen mit Hilfe des neuen Förderprogramms wieder einen Job finden. (Bild: sko)

Wer länger als ein Jahr ohne Job ist, zählt zu den Langzeitarbeitslosen. Deren Zahl war in München von 2008 bis 2012 Schritt für Schritt zurückgegangen. Dann aber brach dieser erfreuliche Trend ab: Seit zwei Jahren stagniert jetzt die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 11.000 (im März waren es 10.881 Menschen). Damit ist jeder vierte Arbeitslose in der Landeshauptstadt (26,7 %) bereits seit mehr als einem Jahr ohne Job. Die Langzeitarbeitslosen profitieren vom Stellenzuwachs seit 2012 "eher wenig", bedauert Martina Musati (Geschäftsführerin Jobcenter München). Der harte Kern nehme sogar wieder zu: Die Hälfte der Münchner Langzeitarbeitslosen ist bereits länger als zwei Jahre ohne Arbeit.

11 Millionen Euro für neue Perspektiven

Für 400 Langzeitsarbeitslose will das Jobcenter in den kommenden beiden Jahren sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse finden. Zusammen mit der Handwerkskammer und der IHK für München und Oberbayern sowie den freien Wohlfahrtsverbänden hofft das Jobcenter, damit einen nachhaltigen Beitrag zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit in München leisten zu können. Mit seinem Projekt "PlanB" beteiligt es sich am "Bundesprogramm zur Integration langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter" (dieses wird durch den Europäischen Sozialfonds gefördert). Voraussichtlich 11 Millionen Euro stehen dem Jobcenter München dadurch zur Verfügung, um die neuen Beschäftigungsverhältnisse zu fördern. Unterstützt werden Arbeitgeber, die Langzeitarbeitslose einstellen, aber auch die Arbeitnehmer.

Drei Risiken erkennbar

Den "typischen" Langzeitarbeitslosen gebe es nicht, so Musati. Allerdings fallen immer wieder drei Risiken auf: Fehlende Berufsausbildung, Alter über 50 Jahre, schlechte Deutschkenntnisse - und oft die Kombination dieser Merkmale. Wer keine abgeschlossene Berufsausbildung hat, gerät eher in Gefahr, arbeitslos zu werden und für längere Zeit zu bleiben.

Das Münchner Programm richtet sich vor allem an Menschen, die keinen "verwertbaren" Berufsabschluss haben, älter als 35 Jahre sind und schon länger als zwei Jahre keine Arbeit finden. In München, so Musati, erfüllen rund 2.700 Arbeitslosengeld-II-Empfänger diese Kriterien.

Musati gab im Rathaus den Startschuss für das Münchner Projekt. Mit dabei waren u.a. Dieter Vierlbeck (Geschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern), Dr. Josef Amann (Leiter Bereich Berufsbildung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern), Norbert Huber (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege und Geschäftsführer der Caritas-Zentren München) und Harald Neubauer (Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit München).

Neue Wege gehen

"Wir müssen bei den Arbeitgebern neue Wege gehen", so Martina Musati, "wir müssen sie überzeugen, dass es sich lohnt, einen Langzeitarbeitslosen einzustellen." Das Förderprogramm richtet sich zum einen an Arbeitgeber: Betriebsakquisiteure im Jobcenter beraten und unterstützen Arbeitgeber, die zudem Lohnkostenzuschüsse erhalten. Zum anderen werden Langzeitarbeitslose, wenn sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen haben, durch Coaching und Lohnkostenzuschüsse unterstützt. Auch Weiterqualifizierung (wie den Erwerb eines Gabelstaplerführerschein etc.) gehört dazu. Das soll dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu verbessern und das neue Beschäftigungsverhältnis zu stabilisieren, also auf Dauer anzulegen.

Handwerk geht neue Wege mit

"Das Coaching ist wichtig", unterstrich Dieter Vierlbeck (Geschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern), auch die Qualifizierung sei ein wichtiger Baustein des Programms. Die Handwerksbetriebe seien bereit, die neuen Wege mitzugehen, versicherte er.  Die Kammer sehe gute Chancen, dass das Projekt langfristig viele Arbeitslose in eine Beschäftigung führe. "Jeder, der zupacken will, ist uns willkommen", betonte er. "Unsere Aufgabe wird es sein, Langzeitarbeitslose und Betriebe zusammenzubringen." Vierlbeck sieht bei diesen Aufgaben  Parallelen zu den Aktionen der Handwerkskammer bei der Integration junger Flüchtlinge.

Das stabile, positive Bild des oberbayerischen Handwerks werde getrübt durch das Freibleiben offener Stellen, fasste Vierlbeck zusammen: Allein 1.700 Lehrstellen - 16,6 % des Gesamtbestandes - wurden im letzten Jahr im oberbayerischen Handwerk nicht mehr besetzt. "Auch deshalb suchen wir nach weiterern Möglichkeiten der Mitarbeitergewinnung!" erklärte Vierlbeck.

"Abzuwarten wäre fahrlässig"

"Viele Betriebe wissen nicht, wie sie sich Fachkräfte sichern sollen", ergänzte Dr. Josef Amann (Leiter Bereich Berufsbildung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern). Das neue Programm gebe "einen schönen Anstoß, neue Wege zu gehen". Auch für die IHK ist die Begleitung der Unternehmen wichtig. Das Projekt ermögliche es Betrieben, "Mitarbeiter einzustellen, die noch nicht ihren Idealvorstellungen entsprechen". Die richtige Weichenstellung sei aber jetzt wichtig, da die Fachkräfte knapper werden: "Hier abzuwarten wäre fahrlässig und für den Unternehmenserfolg gefährlich!"

"Faire Chance geben!"

Die Gesellschaft müsse alle Chancen nutzen, Beschäftigungspotentiale zu heben, mahnte Harald Neubauer (Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit München). Mit Langzeitarbeitslosen haben viele Betriebe gute Erfahrungen gemacht: "Etwa die Hälfte aller Betriebe, die Langzeitarbeitslose bei der Personalsuche berücksichtigen, bewerten deren Motivation und Zuverlässigkeit als 'sehr gut' oder 'gut'", so Neubauer. "Das sollte uns allen Mut machen, diesen Menschen eine faire Chance zu geben!"

"Wesentlicher Schritt" nach vorne

Als "wesentlichen Schritt nach vorne"  bewertet Norbert Huber (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege und Geschäftsführer der Caritas-Zentren München) das neue Programm. Auch wer lange arbeitslos ist, wolle an der Gesellschaft teilhaben - das sei nur über sozialversicherungspflichtige Arbeit uneingeschränkt möglich, nicht über "Maßnahmen". Er hofft auf eine ergänzende Finanzierung des Programms durch sie Stadt.

"Auf jeden Fall 400 realisieren"

Die 400 über das Bundesprogramm geförderten Münchner Stellen will Musati "auf jeden Fall realisieren". Mit dieser Zahl gehöre München (auch wenn es mit 2.700 Arbeitslosen, auf die das Programm passt, ein Vielfaches an  Betroffenen gibt) zu den Städten, die bundesweit am meisten profitieren. 2016 werde es einen Zwischenbericht geben. Das Jobcenter werde alles daran setzen, dass dieser günstig ausfällt - auch damit eventuell zusätzliche Mittel verwendet werden können. Das neue Programm, sagte Musati, sei indes nicht die einzige Fördermöglichkeit, mit der das Jobcenter Langzeitarbeitslosen zur Seite stehe.


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