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INSM-Bildungsmonitor 2020

Corona-Krise deckt Schwächen der Bildungssysteme auf

Wo steht welches Bundesland im INSM-Bildungsmonitor 2020? (Bild: obs/Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)/Grafik)

Mangelnde Teilhabechancen, Knappheiten an Lehrkräften, fehlende digitale Ressourcen – das sind die offensichtlichsten Probleme des deutschen Bildungssystems. Die Corona-Pandemie verschärft diese Schwierigkeiten. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse des vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erstellten INSM-Bildungsmonitors 2020. „Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das Bildungssystem in Deutschland besonders im Bereich der digitalen Ausstattung massive Defizite aufweist. Jahrelange Versäumnisse der Politik und träges Handeln der zuständigen Bildungsbehörden müssen jetzt von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern ausgebadet werden. Bildungsferne Familien sind dabei besonders betroffen“, betont INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr.

"Digitale Lehr- und Lernmethoden"

Die neue INSM-Botschafterin Kristina Schröder (CDU) fordert die Verantwortlichen in Bund und Ländern auf, sich mit aller Kraft für einen möglichst vollständigen Präsenzunterricht einzusetzen. Schröder: „Kurzfristig brauchen wir endlich wieder verlässlich geöffnete Kitas, Kindergärten, Schulen und Berufsschulen. Je kleiner die Kinder sind, umso mehr sind sie auf den direkten und realen Kontakt mit ihren Betreuern und Lehrern angewiesen“, erklärt die ehemalige Bundesfamilienministerin. „Sollten in Deutschland wirklich wieder Schließungen notwendig werden, darf es diesmal nicht mehr heißen: 'Kitas und Schulen zuerst', sondern es muss gelten: 'Kitas und Schulen zuletzt'. Mittelfristig besteht die wichtigste Aufgabe in der schnellen Implementierung digitaler Lehr- und Lernmethoden. Nicht statt Präsenzunterricht, sondern zur zeitgemäßen Ergänzung des Bildungsangebots.“

"Schulen brauchen professionelle Unterstützung"

Eine verpflichtende, regelmäßige Weiterbildung in digitaler Didaktik der Lehrer ist nach Ansicht von Hubertus Pellengahr dringend notwendig. Dabei darf die Digitalisierung der Bildung nicht allein den Lehrkräften aufgebürdet werden. Schulen benötigen zusätzliches Personal für die IT-Administration. „Für die rund 40.000 Schulen in Deutschland sollten mindestens 20.000 IT-Kräfte zusätzlich eingestellt werden – die Schulen brauchen hier professionelle Unterstützung", fordert der INSM-Geschäftsführer. „Insgesamt werden dafür jährlich rund zwei Milliarden Euro zusätzlich benötigt. Die Mittel des Konjunkturpaketes stellen einen ersten kleinen Schritt dar. Bund, Länder und Kommunen sind dauerhaft gefordert, eine professionelle IT-Infrastruktur zu schaffen.“

Bayern und Sachsen auf Platz 1

Der INSM-Bildungsmonitor zeigt insgesamt: Die leistungsfähigsten Bildungssysteme haben Sachsen und Bayern, gefolgt von Thüringen, Hamburg, Baden-Württemberg und dem Saarland. Bemerkenswert sind die Fortschritte auch in Hessen, das einen Sprung auf Platz 7 schafft. Die rote Laterne geht in diesem Jahr nach Sachsen-Anhalt. Hier sind die Schulabbrecherquoten erschreckend hoch und die Sicherung der Lehrkräfteversorgung besonders schwierig. Insgesamt ergibt sich über alle Handlungsfelder der Studie seit 2013 eine Stagnation der Ergebnisse.

Fehlende Chancengleichheit

Verbesserungen gibt es bei der Internationalisierung der Bildungssysteme und beim Ausbau der Förderinfrastruktur durch Ganztagsschulen. Der Bildungsmonitor 2020 zeigt aber deutlich, dass in den Handlungsfeldern Schulqualität, Integration und Bildungsarmut die größten Verschlechterungen bereits vor der Corona-Krise festzustellen sind. Empirische Studien zeigen deutlich: Die Bildungsarmut und fehlende Chancengleichheit drohen sich durch die Schulschließungen während der Corona-Krise noch weiter zu verschärfen. Der Kaltstart beim digitalen Fernunterricht konnte die negativen Effekte nicht voll kompensieren. Für das Schuljahr 2020/2021 müssen daher alle Szenarien besser vorbereitet werden.

"Transparent kommunizieren"

„Von den Ländern sollten Konzepte entwickelt und transparent kommuniziert werden, ab welcher Infektionsschwelle auf Kreisebene vom Regelbetrieb auf gesteigerte Vorsichtsmaßnahmen, auf ein kombiniertes Modell mit Präsenz- und Fernunterricht oder digitale Fernbeschulung übergegangen werden soll. Bayern und Sachsen haben entsprechende Pläne schon früh veröffentlicht", erklärt Studienleiter Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Mit den Plänen muss der Anspruch verbunden sein, hochwertige digitale Lernangebote begleitend einzusetzen und wenn nötig auch sofort voll auf hochwertigen Fernunterricht umstellen zu können.“

Lehrkräfte-Engpass

Eine besondere Herausforderung stellen dabei die bereits heute in vielen Bundesländern bestehenden Engpässe an Lehrkräften dar. Dazu sind rund 85.000 Lehrkräfte an allgemein bildenden Schulen 60 und älter. „Es sollten dringend Konzepte entwickelt werden, wie Lehrkräfte, die zur Risikogruppe zählen und nicht im Präsenzunterricht tätig sind, intensiv weitergebildet werden, Inhalte für digitalen Unterricht entwickeln und im Fernunterricht eingesetzt werden können. Im kommenden Schuljahr werden alle Lehrkräfte gebraucht", so Axel Plünnecke weiter.

Der INSM-Bildungsmonitor wird vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellt und untersucht, inwieweit die Bundesländer Bildungsarmut reduzieren, zur Fachkräftesicherung beitragen und Wachstum fördern. Der Bildungsmonitor wird in diesem Jahr zum 17. Mal veröffentlicht.

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