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"In jedem Augenblick ist das Gute möglich"

Reinhard Kardinal Marx schätzt die Macht des Augenblicks

Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising. (Bild: Erzbischöfliches Ordinariat München / Pressestelle)

„Mein sind die Jahre nicht / die mir die Zeit genommen.

Mein sind die Jahre nicht / die etwa möchten kommen.

Der Augenblick ist mein / und nehm‘ ich den in acht

So ist der mein / der Jahr und Ewigkeit gemacht.“

Das Fenster zur Ewigkeit

Diese „Betrachtung der Zeit“ von Andreas Gryphius bringt so einfach wie weise auf den Punkt, dass wir nicht über die Zeit bestimmen können. Dieser Gedanke kann auch melancholisch machen, denn manchmal wollen wir Augenblicke festhalten, die Zeit zurückdrehen oder die Zukunft kennen. Das alles können wir nicht. Einzig über den Augenblick können wir irgendwie verfügen. Und zwar Augenblick für Augenblick je neu.

Die Achtsamkeit für den Augenblick öffnet bei Gryphius auch den Raum für den ewigen Gott. Das ist besonders erstaunlich, weil Gryphius geprägt ist durch die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, das Entsetzen über die Gewalt, den Tod und die große Not der Menschen. Gryphius will dem Zeitenlauf nicht das letzte Wort überlassen. In jedem Augenblick ist das Gute möglich und damit das Fenster zur Ewigkeit da. Öffnen wir dieses Fenster!

Überwinden, was uns am Leben hindert

Als Christen glauben wir, dass Gott die Grenzen von Raum und Zeit durchbricht, dass eine endgültige Öffnung auf den Raum der Freiheit und des unzerstörbaren Lebens geschenkt wird. In der Osternacht werden auf die Osterkerze ein Kreuz und die Jahreszahl gezeichnet. Währenddessen betet der Priester: „Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit. Sein ist die Macht und die Herrlichkeit in alle Ewigkeit.“ Hier wird ganz knapp und zugleich umfassend deutlich, dass der Glaube an den auferstandenen Jesus Christus die Mächte überwinden kann, die uns am Leben hindern. Gott hebt nicht die irdische Zeit auf, aber wir können täglich das Fenster öffnen für die zeitlose Ewigkeit Gottes, für das Leben, das nicht eingegrenzt ist durch den Tod. Das ist Ostern!

 

Ich wünsche Ihnen und allen, die zu Ihnen gehören, ein frohes und gesegnetes Fest der Auferstehung des Herrn.

Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising


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