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"In einer anderen Dimension existieren"

Leben nach dem Tod: Jenseitsvorstellung in Christentum und Islam

Hans-Martin Köbler. (Bild: Köbler)

Der Tod ist jedem Menschen sicher. Doch was kommt danach? Ewige Verdammnis in der Hölle? Oder Erfüllung im Paradies und ewiges Leben? Begegnet man gar seinen verstorbenen Angehörigen wieder? Oder kommt da einfach gar nichts? Wir wollten wissen, wie die Jenseitsvorstellung im Glauben verankert ist und haben deshalb nachgefragt: "Welche Jenseitsvorstellung gibt es in Ihrem Glauben"?

"Grundmotiv des christlichen Glaubens"

Hans-Martin-Köbler, Pfarrer evangelische Himmelfahrtskirche Pasing

Für die ersten Christen war das Jenseits kein großes Thema. Sie rechneten damit: Jesus kommt noch zu unseren Lebzeiten wieder, um sein Reich zu errichten. Mit Christus verbunden zu sein – das war und ist das Grundmotiv des christlichen Glaubens. Als die Wiederkunft Christi auf sich warten ließ, drängte sich die Frage auf: Was passiert mit denen, die in der Zwischenzeit verstorben sind? Der Apostel Paulus brachte es auf den Punkt: Jesus ist auferweckt worden von den Toten. Als erster. So werden auch wir auferstehen: Am jüngsten Tag, wenn Christus kommt, die Welt zu richten. Oder im Augenblick unseres Todes. Beide Auffassungen stehen im Neuen Testament problemlos nebeneinander. Von dort ist es nur ein kleiner Schritt zu der Vorstellung, dass wir einander jenseits des Todes wiedersehen. Ein Gedanke, der tröstet und in traurigen Zeiten Halt gibt. Schon im Diesseits reden wir ja davon, dass die, die uns zu Lebzeiten nahe gewesen sind, in unseren Herzen und Erinnerungen weiterleben. Was allerdings nicht jede irdische Differenz in pures Wohlgefallen auflöst. So soll der berühmte Theologe Karl Barth einmal von einer Dame gefragt worden sein: "Herr Professor, werden wir droben unsere Lieben wiedersehen?" Seine Antwort: "Gewiss, gnädige Frau. Die anderen aber auch."

"Das Diesseits als Prüfung"

Sümeyye Ugur, Master-Studentin

Das Diesseits als Prüfung einer der sechs Glaubenspfeiler im Islam ist der Glaube an ein jenseitiges Leben. Dabei sollen die unzähligen Darstellungen von Paradiesgärten und einem sorgenfreien, ewigen Leben als Motivation für ein tugendhaftes Leben im Diesseits dienen. Zudem gibt es den Glauben, dass Lobpreisungen Gottes auf der Erde die paradiesische Natur üppiger und fruchtbarer werden lassen. Für mich persönlich ist der Gedanke an ein jenseitiges Leben, in dem geliebte Menschen eine Ewigkeit miteinander sind, eine Inspirationsquelle für mein Leben auf der Erde. Das Jenseits ist dabei die Belohnung für ein Erdenleben in Geduld, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber jedem Menschen auf der Erde, während das Diesseits als Prüfungssituation für das Wesen eines jeden Menschen verstanden wird.

"Es gibt ein Leben nach dem Tod"

Annemarie Scholz, Pfarrgemeinderätin St. Nikolaus Neuried

Mein katholischer Glaube fußt in erster Linie auf der Botschaft von der Auferstehung Jesu. Als Christ orientiere ich mich daran, was die Evangelisten über Jesu Tod und Auferstehung berichten. Im Wesentlichen ergeben sich daraus zwei Erkenntnisse für mich: Es gibt ein Leben nach dem Tod und unser physischer Leib wird verwandelt werden. Über die drei Tage, in denen nach der Überlieferung Jesus im Grab lag, wissen wir so gut wie nichts. Wir wissen aber, dass der schwere Grabesstein weggewälzt war und den Frauen, die am Ostermorgen zum Grab gingen, ein Engel erschien. Also eine physische Dimension ist transzendiert worden; wie, wissen wir nicht. Dennoch sind uns einige Beispiele von Jesu Erscheinung nach seinem Kreuzestod überliefert, wie: Er begleitet sie, zunächst unerkannt, auf einem Spaziergang in den Nachbarort Emmaus. Meine Vorstellung vom Jenseits ist wesentlich geprägt durch biblische Schilderungen: Ich werde nicht ins Nichts versinken, untergehen, sondern in einer verwandelten Gestalt, ohne diesen physischen Leib in einer anderen Dimension existieren. Vielleicht ist dies für mich am leichtesten vorstellbar, wenn wir an Engel denken, die uns in vielen Situationen als Begleiter und göttliche Boten in der Bibel geschildert werden. Erfahren können wir es erst, wenn wir durch die Pforte des Todes gegangen sind.

"Ein ewiges Rockkonzert"

Bernd Dürholt, Dipl.-Religionspädagoge / Dipl.-Sozialpädagoge

In der Schule führe ich die Kinder mit einem Bilderbuch an das Thema heran: Der Tod sei ein großes Geheimnis. Jeder müsse es für sich selbst erleben. Das mache das Besondere daran aus. Mit diesen Gedanken verabschiedet sich Opa Elefant von seinen Enkelkindern. In der anschließenden Diskussion fallen Begriffe wie Wiedergeburt oder Geisterwelt. Das Brandner'sche Paradies fehlt auch nicht. Einige Bilder sind eher abstrakt, zeigen Farben, Licht. Vielfältig sind die Vorstellungen. Einig sind wir uns meist nur in einem Punkt. Nach dem Tod wird irgendetwas kommen. Die Kinder fragen mich dann auch nach meiner Lieblingsvorstellung. Ein ewiges Rockkonzert, gebe ich augenzwinkernd zur Antwort. Dann erzähle ich von meiner Hoffnung. Am Ostersonntag feiern wir die Auferstehung Jesu. Darin darf ich Jesus nachfolgen. Wohin genau? Keine Ahnung. Aber am Ende wird Gott "abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein..." (Offenbarung 21,4) und: Eine neue Diskussion beginnt.

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