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"Im Sterben liegt viel Leben!"

Hospizhelferin Stefanie Rall über absehbare Zeit und Freude, über das Wegducken und das Zuhören

Gemeinsam Freude teilen: Stefanie Rall und "Charlie". (Bild: pr)

Zwei bis vier Stunden in der Woche widmet Stefanie Rall ihre Zeit "Charlie". Die Organisationsentwicklerin ist ehrenamtliche Hospizhelferin beim Christophorus Hospiz Verein (CHV) und begleitet den über 80-Jährigen in seinem letzten Lebensabschnitt. Über ihre Tätigkeit sprach sie mit Johannes Beetz.

"Ist das wirklich etwas für mich?"

Seit wann sind Sie beim Hospizverein ehrenamtlich tätig?

Stefanie Rall: 2016 gab es den ersten Kontakt: Ich wollte eines der Einführungsseminare besuchen, die aber ausgebucht waren. Der Verein suchte damals auch jemanden für eine konkretes Projekt. Hier konnte ich mit meiner Expertise aus der Wirtschaft unterstützen und bin so eingestiegen.

Ende 2017 nahm ich dann am eineinhalbtägigen  Einführungsseminar teil und vertiefte im letzten Jahr meine Ausbildung als ehrenamtliche Hospizhelferin. Dabei nimmt man über zweieinhalb Monate einmal jede Woche an einen Nachmittagsseminar teil, ergänzt durch ein Praktikum. Man lernt dabei, die eigene Motivation zu verstehen und findet heraus, ob die Tätigkeit wirklich etwas für einen ist.

"Ich bin einfach nur da"

Welche Aufgaben übernehmen Sie im Hospizdienst?

Stefanie Rall: Man begleitet immer eine Person, entweder bei dieser zuhause oder im Hospiz oder Pflegeheim. Für mich ist die häusliche Begleitung sinnvoll, weil ich so flexibel bin und meine Tätigkeit mit meinem Beruf gut abstimmen kann. Ich begleite einen älteren Herrn, der über 80 Jahre alt ist, und habe einen konkreten Auftrag: zuhören und da sein. Wir sprechen über das Leben, über den Tod. Es ist uns ja klar, dass seine Zeit absehbar ist. Als Außenstehende kann man über diese Themen oft anders sprechen als das innerhalb der Familie geht. Ich bin einfach nur da, ohne etwas zu wollen, ohne etwas machen zu müssen. Das ist für uns beide eine Freude.

"Das ist etwas ganz Wertvolles"

Warum haben Sie dieses Ehrenamt übernommen und was motiviert Sie heute?

Stefanie Rall: 2016 habe ich mir eine Auszeit genommen und mich in einem buddhistischen Kloster mit Meditation beschäftigt.  Buddhisten sehen im Tod das wichtigste Ereignis im Leben. Da gibt es viel zu lernen, denn bei uns wird der Gedanke an das Sterben oft weggeschoben. Ich wollte das Thema auch nach meiner Auszeit nicht verlieren, sondern in mein Leben einbinden.

Heute sehe ich den Tod als Anlass, aus dem sich zwei Fremde getroffen haben, die sich sonst nie begegnet wären. Wir haben eine Verbindung aufgebaut und sind Freunde geworden. Das ist etwas ganz Wertvolles: Ich kann etwas mitnehmen, was ein erfahrener Mensch im Leben erlebt hat. Ich lerne, was im Sterbeprozess passiert. Aber bei unseren Treffen geht es ja nicht nur um den Tod, sondern vor allem um das Leben. Ich empfinde das als sehr bereichernd.

"Im Sterben liegt viel Leben"

Erleben Sie dabei nicht auch sehr schwierige Momente?

Stefanie Rall: Wir sprechen über Dinge, vor denen man sich sonst wegduckt. Eine Situation wird aber meist erst dadurch schwierig, dass man vor ihr wegläuft. Also sollte man Dinge sofort ansprechen. In den letzten Tagen zählt alles: Der Mensch bekommt viel mehr mit. Es ist unglaublich, wie viel Leben im Sterben ist: Da geschieht so viel, da ist so viel Lebendigkeit. Das Leben verändert sich, aber im Sterben liegt viel Leben!

Ich bekomme in unseren Gesprächen auch einen Spiegel vorgehalten: Jeder hat ein endliches Leben. Da wird ein Punkt gesetzt.

"Da wird kein Unterschied gemacht"

Wie unterstützen die Hauptamtlichen im Verein Ehrenamtliche wie Sie?

Stefanie Rall: Ich war erstaunt über die Professionalität des Vereins. Ich habe dort einen konkreten Ansprechpartner, der jederzeit da ist und mir zur Seite steht. Einmal im Monat tauschen sich die Ehrenamtlichen bei einem Supervisionsgespräch aus. Ehrenamtliche und Hauptamtliche agieren auf Augenhöhe, da wird beim CHV kein Unterschied gemacht.

 

„Wir suchen Ehrenamtliche“

Der Christophorus Hospiz Verein e.V. stellt sich auf der Münchner Freiwilligen-Messe am Sonntag, 27. Januar, im Gasteig vor. Dort können Besucher mit Ehren- und Hauptamtlichen ins Gespräch kommen und sich über die Vorbereitung und die Tätigkeit als Hospizhelfer informieren. Informationen zum Ehrenamt erhalten Interessierte auch beim Info-Abend im Christophorus-Haus (Effnerstraße 93) am Montag, 28. Januar, von 17 bis 18.30 Uhr. Weitere Termine unter www.chv.org. Bei Fragen steht Birgit Reindl (Leitung Ehrenamtliche Begleitung und Soziale Arbeit) gern zur Verfügung: Tel. 089 / 130787-28 oder Mail reindl@chv.org.


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