Wochenanzeiger München Wir sind Ihr Wochenblatt für München und Umland

Haltet den Dieb!

Wer stiehlt uns so viel von unserer Zeit?

Jeder hat gleich viel Zeit - 24 Stunden jeden Tag. Wer "zu wenig Zeit" hat, setze nur seine Prioritäten falsch, sagt man. Das stimmt. Es ist aber gar nicht so leicht zu ändern, wenn man Teil einer fein aufeinander abgestimmten Mechanik ist, in der ein Rädchen permanent in mindestens ein oder zwei weitere greift. Das ist bei diesem Uhrwerk einer uralten Standuhr nicht anders als in Beruf und Familie. (Bild: job)

Stellen Sie sich vor, Sie bekommen jeden Morgen 1.440 Euro. Sie dürfen frei über sie verfügen, sie müssen nichts dafür tun. Einzige Einschränkung: Was Sie am Abend nicht ausgegeben haben, verfällt. Aber Sie erhalten am nächsten Morgen wieder die gleiche Summe. Immerzu. Ein Traum? Keineswegs, denn Sie bekommen dieses Geschenk tatsächlich. Es sind allerdings keine Euro, sondern etwas noch Wertvolleres: Minuten.

Jeder unserer Tage (bis auf zwei) hat 1.440 Minuten, die uns gehören. Trotzdem fühlen wir uns gehetzt, von Aufgaben und To-do-Listen getrieben. Wer stiehlt uns unsere Zeit? Haltet den Dieb!

Wir erleben eine Veränderung

Oft ist es gerade die "staade" Zeit, in der sich das Hamsterrad besonders schnell dreht. Unser Verhältnis zur Zeit scheint sich aber gerade grundlegend zu wandeln: Smartphone & Co. machen uns ständig verfügbar. Die Trennung von Arbeits- und Freizeit ist an vielen Stellen aufgeweicht. "Soziale" Netze fressen einen großen Teil unseres Zeitkontingents auf. Längst sind die "grauen Herren", von denen Michael Ende vor über 40 Jahren in "Momo" erzählte, ständig an unserer Seite. In unserer Zeit des „www" können wir via Internet und Web-Cams in jeden noch so weit entfernten Winkel der Erde hineinspähen. Wir können in „Echtzeit“ (in welcher denn sonst?) verfolgen, wie sich der Berufsverkehr durch die Straßenschluchten von New York quält und kommentieren, was sich gerade vor den Pyramiden von Gizeh tut. Da verliert man leicht den Halt in der eigenen Zeit - und ein Netz, das unser aller Leben sichert, reißt auf: Nur noch einen Klick braucht es, um ein Gerücht, eine Behauptung, eine Lüge weltweit zu verbreiten. "Wahrheit braucht Zeit", hat ZDF-Moderatorin Dunja Hayali einmal dagegengehalten - viele Menschen verzichten längst darauf.

Dabei sind die Schlüsselfragen unserer Gesellschaft wie in unseren Familien fast immer Fragen nach Zeit: "Wie lassen sich Familie und Beruf miteinander vereinbaren?" fragt nach der Zeit, die wir beidem einräumen können. Der Zukunftschancen unserer Kinder legt nicht die Schulart fest, die sie besuchen - es kommt darauf an, wieviel Zeit Lehrern gelassen wird, auf ihre Klassen einzugehen. Manchmal findet man die Antwort in Statistiken zum Unterrichtsausfall.

Mehr als 200 Menschen befragt

In dieser Weihnachtsausgabe finden Sie viele Beiträge zur "Zeit". Damit beginnen wir unseren redaktionellen Schwerpunkt für 2018, "Zeit geben, Zeit nehmen, Zeit lassen".

Wir haben dazu mehr als 200 Menschen aus unseren Vierteln und Gemeinden nach der für sie schönsten Stunde (oder dem schönsten Tag) im zu Ende gehenden Jahr gefragt. Und wir haben sie gebeten, über eine im kommenden Jahr geschenkte Stunde (oder Tag) nachzudenken: Was würden sie mit dieser Zeit gerne tun?

Mit den kleinen Textschnipseln über jeder Seite dieser Zeitung laden wir Sie ein, Zeitspannen anders als gewohnt wahrzunehmen und den Wert von Zeit auf sich wirken zu lassen.

Zeit für die Familie

Die bevorstehende Zeit der Feiertage und des Jahreswechsels ist für die meisten von uns eine Zeit, in der wir etwas zur Ruhe kommen können. Weihnachten ist ein Fest besonders für Familien. Man kommt zusammen, auch wenn man sonst längst an ganz verschiedenen und oft zu weit voneinander entfernten Orten lebt und arbeitet. In Familie und Gesellschaft leben wir von dieser Zeit, die wir füreinander finden. Haben wir sie und lassen wir sie uns nicht von Unnützem stehlen, gelingt das Zusammenleben.

Haltet den Dieb? Sehen Sie in den Spiegel: Da ist er ...  Halten Sie zwischendurch einfach mal inne. Dass Ihnen das möglichst oft gelingt, wünscht Ihnen das Team der Wochenanzeiger.

 

Zeit: Unser Schwerpunkt in den folgenden Monaten

Zeit geben, Zeit nehmen, Zeit lassen

Die Grundfragen unserer Gesellschaft sind letztlich Fragen nach Zeit: Welche Aufgaben sind uns so wichtig, das wir uns Zeit für sie nehmen? Lassen wir unseren Kindern in Schule und Freizeit genug Zeit? Wer schenkt anderen Zeit, indem er ehrenamtlich tätig ist? Mit unserem neuen Logo "Zeit geben, Zeit nehmen, Zeit lassen" zeigen wir Ihnen unseren redaktionellen Schwerpunkt im kommenden Jahr.

Taktgefühl

Fast alle Menschen folgen einem Takt, der ihre Zeit bestimmt. Und für jeden ist dieser anders: Eine Lehrerin denkt in "Unterrichtsstunden", eine Sprinterin in "Hundertstelsekunden", eine Statistikerin in "Vorjahresmonaten". In unserer neuen Reihe "Taktgefühl" erklären Menschen aus verschiedenen Bereichen die Zeiteinheit, die ihren Takt prägt.

Zeit(k)reise

Niemand muss die Dinge, die sein Leben bestimmen, ständig neu erfinden. Wir alle stehen auf dem Fundament, dass die Generationen vor uns gelegt haben. Wie sie greifen wir Dinge auf - und verändern sie und unser Umfeld. In unserer neuen Reihe "Zeit(k)reise" nehmen wir Sie mit auf die Reise in die Vergangenheit und zeigen, dass sich der Kreis, den die Menschen vor uns begonnen haben, in unserer Zeit oft schließt.

Unsere Zeit-Logos hat Jasmin Knauer entworfen.


Verwandte Artikel

Startseite Anzeige aufgeben Zeitung online lesen Jobs Kontakt Facebook Anfahrt