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"Google weiß mehr von einem als man selbst"

Tatjana Halm: Welchen Preis hat das Hergeben von Daten im Internet?

Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale empfiehlt für den Einstieg in die Datenschutzproblematik die Websites klicksafe.de und surfer-haben-rechte.de. (Bild: pi)

Im Internet lauern tausende Gefahren. Auf der einen Seiten stehen die üblichen Verdächtigen, über die seit Jahren aufgeklärt wird, seien es nun Phishing Mails, Trojaner, Inkasso-Forderungen oder ähnliches. Da diese Themen unmittelbare Folgen haben, wenden sich die Bürger oftmals an die Verbraucherzentrale.

Schlechtere Bedingungen sind oft nicht bewusst

Auf der anderen Seite stehen die "versteckten Probleme, diese befinden sich hauptsächlich im Datenschutzbereich", wie Tatjana Halm, Leiterin des Rechtsreferats der Verbraucherzentrale Bayern, im Gespräch erzählt. Es geht um Apps, die Daten abgreifen, Informationen, die der Schufa zukommen, und anderes: "Oft ist den Verbrauchern gar nicht bewusst, dass sie schlechtere Vertragsbedingungen kriegen, einen schlechten Score-Wert haben, im E-Commerce nicht auf Rechnung zahlen können, andere Kreditzinsen oder Gebühren zahlen müssen, oder einen Mietvertrag nicht bekommen." Die Auskunft, dass der Verbraucher schlechtere Konditionen erhält, wird nicht erteilt. "Damit kommen die Verbraucher natürlich nicht zu uns, da sie die Hintergründe nicht kennen", erläutert Halm. "Es ist schwierig zu erkennen; man spürt es, aber man hat selten einen konkreten Fall." Oftmals werden diese Probleme auch gar nicht dem Datenschutz untergeordnet, daher muss an dieser Stelle Aufklärungsarbeit folgen.

Eltern wissen zu wenig - aber sind gefragt

Aber nicht nur die Verbraucherzentrale sieht an dieser Stelle eine gefährliche Entwicklung. Vor allem Eltern sind oftmals besorgt und unwissend, wie sie ihr Kind vor möglichen Folgen datenschutzrechtlicher Lücken schützen können. "Das Problem ist, dass den Eltern vieles beigebracht werden muss", erklärt Tatjana Halm.

Laut der Juristin besteht momentan eine Generationenproblematik: Auf der einen Seite stehen die "digital natives", also die Jugendlichen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, denen aber oftmals die Weitsicht fehlt, die Folgen ihres Handelns abzuschätzen.

"Auf der anderen Seite haben wir die Eltern, die sich mit der Technik nicht auskennen, aber die Gefahren erkennen sollten." Aufgrund dessen sollten die Eltern geschult und informiert werden, bevor sie ihren Kindern die richtigen Werte im Umgang mit dem Internet vermitteln können. Tatjana Halm meint, es sei nicht alles Aufgabe der Schulen, die zwar auch gezielt lehren sollen, darüber hinaus müsse aber Erwachsenenbildung stattfinden. "Die Frage der sogenannten Medienkompetenz ist nicht nur eine Frage der Jugendlichen, sondern auch eine Frage der Erwachsenen", betont sie.

Verbote führen nicht zum Ziel

Laut Tatjana Halm sind Verbote aber eher bedenklich: "Ich glaube, dass viele Jugendliche ein großes Problem haben werden, wenn sie an bestimmten Netzwerken nicht teilhaben dürfen. Das geht zum Teil auch damit los, dass Lehrer Whats-App- oder Facebook-Gruppen bilden, um beispielsweise über Hausaufgaben zu informieren."

Daraus folgend steht die Aufklärung an vorderster Stelle. Sie sollte über die Hintergründe informieren, die Abläufe sowie das Geschäftsmodell ansprechen und allem voran die Frage beantworten, warum im Internet vermeintlich alles kostenlos ist. Es ist vernünftiger und zielführender, dem Kind zu verdeutlichen, welchen Preis die Datenhergabe hat.

"Es ist ja auch nicht alles schlecht", betont Frau Halm. "Der Messenger-Dienst an sich ist ja nichts Schlimmes, es geht hier eher um die Verwertung der Daten." Deswegen ist es ratsam, sich zu überlegen, ob man nicht zu einem datenschutzrechltich unbedenklichen Dienst wechselt und versucht Familie, Freunde und Bekannte zu überreden, es einem gleichzutun.

"Wenigstens die Cookies regelmäßig löschen"

Beim Surfen sollte man diese Problematik im Hinterkopf haben. "Ziel von solchen Netzwerkbetreibern ist es, die Algorithmen mit genügend Informationen zu füttern", erklärt Halm. Mithilfe dieser Daten kann gezielt personalisierte Werbung geschaltet werden. "Es heißt ja immer, 'Google weiß mehr von einem als man selbst', und das glaube ich auch", gibt Halm zu bedenken.

"Es gibt einen einfachen Weg, sich zumindest ein wenig anonymer zu bewegen, und zwar indem man Cookies regelmäßig löscht." Cookies dokumentieren und verfolgen das Surfverhalten des Nutzers. Über den Datenschutzreiter im Browser ist es möglich, einzustellen, dass diese regelmäßig gelöscht werden. "Das hat natürlich den Nachteil, dass die Passwörter nicht voreingestellt sind, aber das ist meines Erachtens kein erheblich großer Preis, den man zahlen muss. Man gibt ein wenig Bequemlichkeit auf, ist dafür aber anonymer unterwegs", betont Halm.

Selbstverständlich kann man sich bei Problemen oder Fragen an die Verbraucherzentrale wenden. Um einen leichten Einstieg in die Materie zu erhalten, ist es empfehlenswert sich, vorweg auf den verbraucherfreundlich formulierten Internetseiten klicksafe.de (Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz, Infos dort auch auf Englisch, Türkisch, Arabisch, Russisch) und surfer-haben-rechte.de (Verbraucherzentrale Bundesverband) zu informieren.


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