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Gewaltiger Kraftakt

Sozialverbände fordern soziale Gerechtigkeit

Soziale Gerechtigkeit - gegen Armut (von links): Bernhard Stiedl (Vorsitzender DGB Bayern), Ulrike Mascher (Landesvorsitzende Sozialverband VdK Bayern) und Stefan Wolfshörndl (Co-Landesvorsitzender der AWO Bayern) stellten das gemeinsame Positionspapier des Sozialen Netzes Bayern vor.<br> (Bild: lsc)

Das Bündnis Soziales Netz Bayern, ein Zusammenschluss aus 16 Verbänden, Organisationen und Institutionen aus dem Sozialbereich, fordert gegen die soziale Ungerechtigkeit in Bayern vorzugehen. Gerade durch die Pandemie seien auch im Freistaat mehr soziale Ungleichheiten zutage getreten - verschärft werde die Situation durch den "Angriffskrieg auf die Ukraine mit all seinen Folgen – explodierende Preise, eine Inflation von mittlerweile elf Prozent und große Energieunsicherheit" spitzten die Lage zu, wie das Bündnis nun in einem Positionspapier warnt.

Zusammenhalt stärken

Vor allem Arbeitslose, Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Frauen über 65 Jahren sind laut dem aktuellen Sozialbericht von Armut betroffen - auch wenn Bayern ein vergleichsweise reiches Land mit hoher Lebensqualität sei. Das Soziale Netz Bayern (SNB) fordert deshalb, den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Freistaat zu stärken, Chancengerechtigkeit herzustellen und den Menschen die notwendige Sicherheit zu geben. Eine erneute Energiepreispauschale von 500 Euro, ein bayerischer Härtefallfonds für Bürger und soziale Einrichtungen in existenzieller Not sowie politische Initiativen zur Zurückdrängung prekärer Beschäftigung und Niedriglöhnen seien dazu notwendig.

Kritik an Staatsregierung

"In der Staatskanzlei ist man ja gerade sehr damit beschäftigt, mit dem Finger nach Berlin zu zeigen", so Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern. Beim Thema „Bürgergeld“ sei die aktuelle Stimmungsmache in keiner Weise nachvollziehbar. "Alle, die Angst haben, dass sich Arbeit durch das Bürgergeld nicht mehr lohnt, übersehen dabei offenbar, dass zu viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land zu wenig verdienen." Neben Kritik gab es aber auch Zuspruch: Den von der Staatsregierung kürzlich beschlossenen Bürger-Härtefallfond begrüße das Bündnis, auch wenn bei der Ausgestaltung "noch viele Fragen offen" seien.

"Pflege ist kein Geschäft"

Fehlende Angebote und Unterstützung für pflegende Angehörige kritisiert Ulrike Mascher, die Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern. Ende 2021 waren insgesamt 578.000 Personen pflegebedürftig. Davon wurden, so Mascher, 81 Prozent zu Hause versorgt. "900.000 Menschen pflegen in Bayern ihre Angehörigen. Familien, in denen Pflegebedürftige versorgt werden, werden aber von der Politik vergessen." Es fehle an Unterstützungsangeboten wie Pflegestützpunkten, Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflegeplätzen, deren Ausbau Mascher fordert. Die strukturellen Versäumnisse der Pflegepolitik, die auf Privatisierung statt auf öffentliche Verantwortung setzte, räche sich nun, so Mascher und betont: "Pflege ist kein Geschäft."

"Barriereland" Bayern überwinden

Für Menschen mit Behinderungen sei Bayern ein Barriereland." Barrierefreiheit müsse nicht als Kostenfaktor, sondern als Investition in ein zukunftsgerichtetes, modernes Bayern gesehen werden. Das selbstgesteckte Ziel der Staatsregierung im Jahr 2013 „Bayern barrierefrei 2023“, sei laut Mascher gescheitert. Im Namen des Bündnisses fordert Mascher von der Staatsregierung das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG) endlich an die Vorgaben der verbindlichen UN-BRK anzupassen.

Kinderbetreuung sichern

Stefan Wolfshörndl, Co-Landesvorsitzender der AWO Bayern, kritisiert die "jahrzehntelange rückwärtsgewandte Politik der Bayerischen Staatsregierung" in Bezug auf Kitas und Ganztagseinrichtungen bei denen insgesamt 55.300 Fachkräfte und 169.900 Plätze in Bayern fehlen würden. Laut Wolfshörndl habe Bayern viel zu spät mit dem Kita- und Ganztagsausbau angefangen. Das SNB fordert daher von der Staatsregierung eine Fachkräfteoffensive für Kitas und die Ganztagsbetreuung. Darüber hinaus sollen Bedarfe gedeckt werden, ohne Qualitätsstandards abzusenken sowie die finanzielle Unterstützung der Kommunen beim Ganztagsausbau gewährleistet werden.

Ökologische Wende sozial gestalten

Zudem warnt das Bündnis vor einer weiteren sozialen Spaltung der Gesellschaft durch nötige Klimaschutzmaßnahmen. Dies müsse verhindert werden. "Der sozialökologische Wandel wird nur dann gelingen, wenn er von der Bevölkerung mitgetragen wird, wenn er sozial gerecht gestaltet wird und alle Menschen mitgenommen werden." Das SNB fordert daher, u.a. Einkommensschwache Haushalte bei Energiesparmaßnahmen zu unterstützen und den öffentlichen Personennahverkehr in Stadt und Land auf- und auszubauen und die Preisgestaltung attraktiv zu halten.
Weitere Informationen zum Positionspapier und den Forderungen gibt es unter www.vdk.de im Internet.

Soziales Netz Bayern

Das Soziale Netz Bayern wurde 2004 gegründet und ist in seiner Art einzigartig. Von der Selbsthilfe über Familien- und Jugendorganisationen bis hin zu den großen Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Sozialverbänden wie VdK und Gewerkschaftsbund sind alle miteinander an einer Sache interessiert: sich für gute soziale Rahmenbedingungen der Menschen in Bayern einzusetzen. 16 Verbände, Organisationen und Initiativen sehen sich zum gemeinsamen Engagement verpflichtet, um der Ökonomisierung aller Lebensbereiche und dem Verlust an sozialer Gerechtigkeit entgegenzuwirken.

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