"Gesundheit ist keine Ware"
Krankenhausbetriebsräte fordern grundsätzliche Änderungen auch über Corona hinaus
Ingrid Greif ist Krankenpflegerin und Betriebsrätin an der München Klinik. Aktuell weiß sie nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Eigentlich bräuchte man übermenschliche Kräfte, um mit der unzureichenden Ausstattung, die es in Deutschland gibt, dem aktuellen Patientenstrom gerecht zu werden. Deswegen fordert sie eine deutliche finanzielle Aufwertung – und eine Rückführung aller Kliniken in die öffentliche Hand.
„Aktuell werden wir ja als Heldinnen und Helden gefeiert“, sagt Ingrid Greif. „Wenn ich mir aber unser tägliche Arbeit anschaue, bekomme ich den Eindruck, dass wir Pflegekräfte eigentlich Superhelden mit Superkräften sein müssen.“ Für sie wäre es sonst nicht erklärbar, warum davon auszugehen ist, dass sie in Zeiten der Corona-Krise ohne ausreichende Schutzkleidung arbeiten kann. Oder wie sie es schaffen soll, die vielen, jetzt hoch gefeierten, Beatmungsgeräte zu bedienen, obwohl immer noch zu wenig Personal da sein muss. Ebene wie eine Superheldin: Zeitgleich an zwei Orten sein, nicht krank werden können und hierbei stets motiviert bleiben.
Anderen Berufsgruppen gehe es ähnlich, so etwa den Reinigungskräfte. Darüber hinaus ist Ingrid aber auch Gewerkschafterin und Betriebsrätin. Und stellt dort noch mehr an Superkräften fest, die die Kollegen auf den Stationen gerade haben müssen: „Sie sollen 12-Stunden-Schichten arbeiten, müssen mit reduzierten Pausen auskommen, sollen ständig einspringen und überall aushelfen können, egal ob sie die Bereiche kennen oder nicht.“ Dabei säße den Krankenhausbeschäftigten doch auch die Sorge im Nacken. Um die eigene Gesundheit: um die Gesundheit der Familie, der Eltern, der Kinder.
"Es muss sich endlich etwas ändern"
Es müsse sich endlich etwas ändern – und zwar grundsätzlich. Dass jetzt während der Krise auf den Balkonen geklatscht wird, findet Ingrid gut, aber unzureichend. Der Personalmangel, so ihre Meinung, sei nicht neu und jetzt trete er besonders zu Tage. „Es wird Zeit“, so die Krankenschwester, „dass endlich aufgehört wird, immer nur über die anspruchsvolle Tätigkeit in den Kliniken zu sprechen“, sagt sie. „Es muss sich endlich etwas ändern. Und zwar nicht nur für die Krise, sondern ddarüber hinaus“. So fordert sie beispielsweise eine monatliche 500-Euro-Prämie für alle die in Kliniken arbeiten. Eine Rücknahme der Privatisierungen im Gesundheitswesen sei für sie und ihre Kolleginnen auf den Stationen wichtig. „Die Privatisierung und der Profitdruck hat uns schließlich erst in diese Situation gebracht. Das muss ein Ende haben. Gesundheit ist keine Ware.“
Einen Appell äußert sie auch, an die Menschen, die aktuell auf den Balkonen klatschen: „Wenn ihr uns wirklich ein Zeichen der Solidarität schicken wollt, dann hängt Schilder und Transparente aus Euren Fenstern und Balkonen, auf denen ihr mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen fordert. Zeigt, dass ihr unsere Arbeit wirklich wertschätzt und uns in unseren Forderungen für eine Verbesserung der Situation unterstützt.“
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